Irak: Das iranisch-amerikanische Reagenzglas

Der neue irakische Präsident Barham Salih. Screenshot, Video Youtube

Das irakische Parlament hat sich fast fünf Monate nach den Wahlen für einen Präsidenten, Barham Salih, entschieden, der einen Premierminister, Adil Abdul-Mahdi, nominiert

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Der Irak hat einen neuen Präsidenten, der einen neuen Premierminister nominiert hat. Der Präsident heißt Barham Salih, der Premierminister, den er bestimmt hat: Adil Abdul-Mahdi (manchmal auch: Abdel-Mahdi geschrieben). In dreißig Tagen sollte laut Verfassung die neue Regierung stehen. Die Parlamentswahlen fanden am 12. Mai statt.

Der Präsident ein Kurde, der Premierminister ein Schiit und ...

Es gibt einfache, nicht niedergeschriebene, aber gültige Formeln für die Regierungsbildung im Irak. Eine heißt: Der Präsident soll ein Kurde sein, der Premierminister ein Schiit und der Parlamentspräsident, gleichbedeutend mit Parlamentssprecher, ein Sunnit. Die andere Formel klingt im Grunde auch einfach, trifft aber wie erste auf einen ziemlichen Schwierigkeitsgrad in der irakischen Wirklichkeit.

Sie verlangt, dass der Premierminister nicht nur die Unterstützung der Mehrheit im Parlament hat, sondern auch die der USA, des Iran und des schiitischen Machtzentrums in Nadschaf.

Alle Forderungen, die in den beiden Formeln stecken, werden mit den Genannten erfüllt; darauf legen die ersten Reaktionen Wert. Hinter jeder Personalie liegen große Kompromissmühen. Auch der sunnitische Parlamentssprecher Mohammed al-Halbousi wurde nach langwierigen Verhandlungen bereits vor zwei Wochen bestimmt.

Die beiden Kurden-Clans, Iran und USA

Bei der Wahl des Präsidenten, der zwar nur einen repräsentativen, aber nichts destotrotz wichtigen Posten hat, weil er von den Kurden bestimmt wird und weil er den Regierungschef bestimmt, mussten sich die gegnerischen kurdischen Lager einigen: die KDP (Demokratische Partei Kurdistans) und die PUK (Patriotische Union Kurdistans), der Barzani-Clan und der Talbani-Clan (laut NZZ haben die Jungwähler allerdings genug von der Rivalität).

Dazu kommt, wie der gut informierte belgische Journalist Elijah J. Magnier im Vorfeld berichtete, dass auch bei dieser Personalie die USA und Iran ein gewichtiges Wort mitsprechen. Der Sondergesandte der USA, Brett McGurk, soll Barham Saleh als Kandidaten mit der Witwe Jalal Talabanis, Hero Ibrahim, abgesprochen haben und hatte dafür auch den Rückhalt des iranischen Abgesandten General Qassim Soleimani.

Fouad Hussein, Kandidat Barzanis

Der nun wollte laut Magnier nicht den Barzani-Clan verärgern, immerhin ist Iran Nachbar der Autonomen Kurdischen Region im Irak. Tatsächlich gestaltete sich die Präsidentenwahl nicht einfach, es brauchte dann allen Verabredungen zum Trotz doch zwei Wahlgänge, bis sich das irakische Parlament eindeutig gegen Masud Barzanis Kandidaten Fouad Hussein, seinem "Hühnchen" (Georges Malbrunot), entschied.

Dass Fouad Hussein sich trotz ansonsten mangelnder Unterstützung so lange halten konnte, ist mit Machtstellung Massud Barzanis zu erklären. Die Niederlage des Barzani-Kandidaten, so der französische Irak-Spezialist Malbrunot, könnte nun das Ende der politischen Karriere Massud Barzanis sein.

Das hatte man allerdings schon nach dem Scheitern des Unabhängigkeitsreferendums gesagt, das Barzani im letzten Jahr angestrengt hatte und das zu einer katastrophalen politischen Niederlage Barzanis geführt hatte.

Barham Salih, der Gewinner

Barham Salih hat Bauingenieurwesen an der Cardiff University studiert, sowie Statistik und computergestützte Modellierung an der University of Liverpool, klärt das kurdische Medium ANF auf. Er gehört zum Führungskreis der PUK, wo er allerdings laut Malbrunot nicht unumstritten ist. So wird der 58-Jährige auch einige politische Anstrengung für den Zusammenhalt der kurdischen Lager investieren müssen.

Der neue Regierungschef Adil Abdul-Mahdi

Wie auch der von ihm designierte Ministerpräsident Adil Abdul-Mahdi, mit 76 Jahren um einiges älter, noch einige Mühen haben wird, um eine Regierung aufzustellen, wie Malbrunot prophezeit. Aber, wie der oben erwähnte belgische Journalist Elijah J. Magnier in seinem Vorbericht zur Nominierung notiert, Abdul-Mahdi hat die Unterstützung der USA, Irans und des mächtigen Ayatollah Ali Sistani.

Der Bericht bestätigt diesmal, dass die Verbindungen Magniers zu relevanten schiitschen politischen und militärischen Kreisen so gut sind, wie es ihm nachgesagt wird, denn dass Adil Abdul-Mahdi als Premier nominiert wird, berichtete Magnier schon Ende September. Aus seinem Beitrag geht hervor, dass er offensichtlich zur Entourage des berühmt-berüchtigten al-Quds-General Qassim Soleimani guten Kontakt hat.

Von dort kommt die Botschaft, dass es Iran nicht darauf angelegt habe, einen Kandidaten durchzusetzen, der völlig auf Irans Seite ist und ein Feind der USA. Allerdings seien die iranischen Vertreter gegen den "Favoriten der USA", den bisherigen Amtsinhaber Haidar Abadi, gewesen.

USA und Iran

Haidar Abadi war, nachdem Proteste in Basra zu heftigen Unruhen ausgeartet waren, als Kandidat durchgefallen, nicht mehr vermittelbar, Groß-Ayatollah Ali Sistani entzog ihm öffentlich das Vertrauen. Stimmen die Informationen Magniers, so haben "Vertreter der UN, Diplomaten und viele irakische Politiker indirekte Botschaften von den USA dem iranischen Vertreter Qassim Soleimani überbracht".

Wie nötig die Abstimmung war, zeigte sich an der öffentlichen, aber anonym geäußerten Drohung aus der US-Regierung, wonach man den Prozess der Regierungsbildung im Irak genau beobachten und es nicht zulassen werde, dass ein Mann mit engen Verbindungen zu Iran einen einflussreichen Regierungsposten erhält (vgl. Irak: Die Grenzen der Supermacht USA).

Man wird nun sehen, wen Adil Abdul-Mahdi, der schon einige Regierungserfahrung im Irak hat, als ehemaliger Ölminister, als Finanzminister und als stellvertretender Regierungschef, in die Regierung holt - und bei der Frage, wie ab November im Irak mit Iran-Sanktionen verfahren wird, wird man feststellen, wie gut die indirekten Absprachen zwischen den USA und Iran funktionieren und wie gut Adil Abdul-Mahdi vermitteln kann.

An den Protesten in Basra ist abzulesen, wie groß darüber hinaus die Arbeit ist, die auf den Regierungschef wartet.