Geht der neue Atommeiler in Flamanville überhaupt noch ans Netz?

Uralt-AKW Fessenheim. Bild: Florival CC BY-SA-3.0

Der neue französische Umweltminister will die Uraltmeiler in Fessenheim bis 2022 laufen lassen, entkoppelt nun aber ihre Abschaltung von der Inbetriebnahme in Flamanville

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Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass es um die Renaissance der Atomkraft in Frankreich finster aussieht. Wie Telepolis im Juli erneut berichtet hatte, verzögert sich die Inbetriebnahme des neuen EPR-Reaktors am Ärmelkanal in Flamanville immer weiter und dabei wird der Neubau natürlich immer teurer. Dass es mit der geplanten Inbetriebnahme im kommenden Jahr nichts werden würde, ließ sich schon vermuten. Doch nun sind der staatliche Energieversorger EDF und die Atomaufsicht (ASN) offensichtlich sogar unfähig, wegen immer neuer Probleme der Regierung auch nur irgendeinen vagen Termin zu nennen, an dem Flamanville vielleicht ans Netz gehen könnte.

Das hat der neuer Minister für den "ökologischen und solidarischen Übergang" François de Rugy nun nach dem merkwürdigen Abgang von Hulot erklärt. Fessenheim werde noch in dieser Legislaturperiode "bis 2022" geschlossen, sagte er. Die absurde Verbindung der Abschaltung mit der Inbetriebnahme von Flamanville will er nicht mehr machen, da weder die "EDF noch die ASN fähig sind, einen Termin für die Inbetriebnahme von Flamanville zu nennen". Deshalb sei "man nicht mehr gezwungen, die Operation zur gleichen Zeit vorzunehmen."

Und angesichts dieser Aussage kommt auch der Interviewer von France Info nicht um die Andeutung herum, dass die Milliarden möglicherweise in den Sand gesetzt wurden, die bisher verbaut wurden. Acht Jahre hinkt das Projekt hinter dem Zeitplan her und die Kosten sind von geplanten 4 Milliarden schon auf 11 Milliarden Euro explodiert. Kurz zuvor hatte die ASN weitere Probleme am Sekundärkreislauf festgestellt, die sich zu den schon zuvor festgestellten Problemen an Schweißnähten summieren und von neuen "umfangreichen Arbeiten" gesprochen.

Offensichtlich will die Regierung mit ihrem Vorgehen Zeit gewinnen. Die ältesten Schrottmeiler im Land sollen noch ein paar Winter dabei helfen, dass es nicht zum Blackout kommt, der in Frankreich fast jedes Jahr droht. Derweil dürfen die beiden Meiler, die ohnehin neben dem Alter massive Sicherheitsprobleme haben, auch im Sommer den Rhein weiter als riesige Tauchsieder aufheizen. Seit 1978 sind die Meiler im kommerziellen Betrieb, die nicht gegen Flugzeugabstürze, Flutwellen oder Terrorangriffe geschützt sind.

Der neue Umweltminister, der ebenfalls nicht gerade zu den Atomfetischisten gehört, schließt sich nun der Ansicht an, die auch die Energieexpertin Eva Stegen vertritt. Denn die Verquickung der Abschaltung von Fessenheim mit der Inbetriebnahme ist im französischen Energiewende-Gesetz nicht vorgesehen. Darin wurde aber der Anteil der Atomenergie an der Gesamtstromproduktion gedeckelt. Mit der Inbetriebnahme von Flamanville hätte Fessenheim zwingend abgeschaltet werden müssen, weil er überschritten worden wäre.

"EDF aber ist hingegangen und hat das Ganze genau umgedreht", erklärt Stegen im Interview. Der Quasi-Staatsbetrieb hat "aus dieser Deckelung eine Bestandsgarantie für Fessenheim ableiten wollen - demnach dürfe Fessenheim erst vom Netz, wenn Flamanville angeschlossen ist." Und die EdF habe es im Atomstromland geschafft, "dass Multiplikatoren - Politiker, die Presse - diese Umkehrung" übernommen hätten. "Dabei ist das ein völliger Irrsinn: Keiner schreibt Ihnen vor, ein schrottreifes Fahrrad so lange zu fahren, bis der Fahrradhändler ein neues im Programm hat - und Sie dürfen in der Zwischenzeit keine Busfahrkarten oder so etwas kaufen."

Stegen weist im Interview auch erneut auf die Verflechtungen zum Militär hin, die hinter Projekten wie Flamanville oder auch dem geplanten Neubau im britischen Hinkley Point stehen. Es gehe in Frankreich und Großbritannien nicht um Plutonium und Atomsprengköpfe, sondern "vielmehr um die nuklear betriebenen Kriegsschiffe, insbesondere die Atom-U-Boote". Eine Ausbildungsinfrastruktur, Rekrutierung von Fachkräften für wenige mobile Kleinreaktoren kämen "für das Militär unverhältnismäßig teuer." Deshalb habe man sich "den schönen Trick ausgedacht, sich ihren militärischen Bedarf quasi über die Stromkunden quersubventionieren zu lassen", in dem über die zivile Atomkraft Fachkräfte ausgebildet werden.

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