Macrons Unterstützung der Superreichen

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Frankreich: Zum Budget 2019 gibt es eine Neuauflage der Diskussion darüber, ob Macron ein "Präsident der Reichen" ist

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Ob denn überhaupt etwas vorangehe in Frankreich oder ob das Land im Immobilismus verharre, fragte vergangenen Sonntag eine Diskussionsrunde im Sender France Inter. Regierungssprecher Benjamin Griveaux regte sich fürchterlich auf. Wie denn die Journalisten überhaupt auf die Idee kämen, die Realität derart wahrzunehmen, dass solche Fragen gestellt werden.

Griveaux verwies auf zahlreiche Reformen, welche die Regierung Macron wie keine andere zuvor anpacke (weshalb er auch erst zu seinem Posten als Vollzeitsprecher gekommen ist, wie die Schwäbische seinerzeit berichtete).

So überzeugt man in der Entourage des Präsidenten vom Arbeitselan und den vielen Vorhaben sein mag, so wenig Zugkraft ist allerdings außerhalb zu spüren. Der Regierungssprecher schob den schwarzen Peter dafür vor allem der Berichterstattung zu.

"Die Arbeit unterstützen, die Attraktivität der Unternehmen verstärken"

Am Montag kommt das Budget für 2019 zur Debatte in das Parlament. Damit wird die Frage, wie sehr Macron seine Versprechen ("Bewegung", "Verbesserungen", "größere Kaufkraft") halten kann, neu auf die Probe gestellt. Es heißt vorab, dass es ein schwieriger Haushalt ist, weil Steuergutschriften, die unter dem Vorgängerpräsidenten Hollande an Unternehmen vergeben wurden - das Programm Cice - umgewandelt werden, was zusammen mit einer Herabsetzung von Beiträgen zu Kosten von etwa 40 Milliarden Euro führt, wie Medien im September berichteten.

Zu erwarten sei ein "schwarzes Jahr für die öffentlichen Finanzen", hieß es. Die Regierung überschrieb ihren Budgetvorschlag mit ein paar eingängigen Maximen: "Herabsetzung von Steuern und Abgaben für alle Franzosen", "Die Arbeit unterstützen, die Attraktivität der Unternehmen verstärken", "Die Franzosen schützen" (in diesem Fall nicht gegen den Terrorismus, sondern die Schwachen wie auch die Älteren und die Personen mit Handicaps gegen Not).

Diskutiert wird aber anscheinend anderes, wie Le Monde behauptet. Dort wird an diesem Wochenende eine Expertise vorgestellt, die der "Polemik" (Le Monde) auf den Grund geht, der zufolge Emmanuel Macron ein "Präsident der Reichen" sei. Ein Vorwurf, den man auch Sarkozy machte, der allerdings schon mit äußeren Bling-Bling-Glamour anzeigte, welcher Schicht er sich zugehörig fühlte oder fühlen mochte.

"86.000 Euro mehr im Jahr"

Bei Macron deuten die Zeichen ebenfalls in Richtung Bevorzugung der Wohlhabenden, nur sie sind etwas subtiler. Das bestätigen auch die Ermittlungen des Institut des politiques publiques (IPP) zum Budget 2019. Demnach ist Macron der "Präsident der Superreichen". Die "Ultrariches" sind die größten Gewinner seiner Reformen. Zu verdanken ist dies der Veränderung der Vermögenssteuer, worüber hier schon berichtet wurde (Macrons Vermögenssteuer: Der Staat verzichtet auf 3,2 Milliarden).

Dazu werden zwei Rechnungen präsentiert. Bei der Aufstellung "Gewinn und Verlust der unterschiedlichen Einkommensschichten angesichts der Effekte der Budgets 2018/2019" verliert der Gruppe der einkommensschwächsten 20 Prozent zwischen 0,5 und 1 Prozent an verfügbarem Einkommen. Die mittlere Schicht, das sind 60 Prozent der Haushalte, gewinnt bis zu einem Prozent und in der Einkommensschicht der obersten 20 Prozent gibt es den höchsten Verlust, nämlich ein Prozent.

Das hört sich nicht gerade nach einer dramatischen Veränderung und große Einbußen und Gewinnen an, sondern bietet eher ein moderates und ausgeglichenes Bild, dazu widerspricht der Rückgang des verfügbaren Einkommens für die obersten 20 Prozent zumindest im Prinzip der Rede vom Präsidenten, der die Reichen finanziell bevorzugt.

Wären da nicht die 1 Prozent der Spitzeneinkommen, diese nämlich können einen satten Gewinn von 6 Prozent verbuchen. Die zweite Rechnung, die im Le-Monde-Artikel zu finden ist, bringt die Unterschiede auf anschauliche absolute Zahlen: Empfänger des Mindestlohns bekommen durch die neuen steuerlichen oder staatlichen Maßnahmen im Monat 32 Euro mehr, im Jahr macht das 384 Euro plus. Der Effekt würde aber begrenzt, wenn er mit anderen Leistungen, erwähnt wird die Absenkung der Beschäftigungsprämie, verrechnet wird.

Auf der anderen Seite würde die "flat tax" und ganz besonders die Reform der Vermögenssteuer (impôt de solidarité sur la fortune - ISF) das Einkommen der reichsten 1 Prozent "im Durchschnitt um 86.000 Euro im Jahr erhöhen".

Erhöhte politische Kosten

So ergebe sich zwar auf die Gesamtheit der Bevölkerung gerechnet durch die Reformen Macrons ein positiver Effekt auf die Kaufkraft (ein für politische Debatten in Frankreich außerordentlich wichtiger Wert), aber einer mit "erhöhten politischen Kosten", denn wenn man die Reformen durch ein genaueres Sieb anschaue, wie sie bei einzelnen an kommen, so zeige sich, dass bestimmte Gruppen weniger profitieren.

Während eine Vorläuferstudie des des Observatoire français des conjonctures économiques (OFCE) zwar ebenfalls feststellte, dass Macrons Reformen vor allem die Reicheren überdurchschnittlich begünstigen (siehe: Macron: Die Bessergestellten profitieren mehr), zeichnete sie auch ein Bild allgemeiner Verbesserungen, auch bei den Einkommensschwächsten und Ärmeren.

Die hier angesprochene Studie des Institut des politiques publiques (IPP) teilt diese Auffassung nicht. Sie kommt zum Ergebnis, dass es Effekte gibt, die sich ganz deutlich negativ auf die finanziell schwach ausgestatteten Haushalte auswirken.

Das wird in Zusammenhang mit Familienleistungen gerückt, die nicht mehr an die Inflation angepasst werden, an die Reform der Wohnunterstützung, an die Erhöhung der Tabaksteuern und die erhöhten Energiepreise, die ebenfalls besonders die einkommensschwachen Schichten treffen.

Als Profiteure der Reformen werden Rentner genannt, die auf die Alterssicherung angewiesen sind, die also von existenzieller Altersarmut betroffen sind, und Erwachsene mit Behinderungen. Die Leistungen für beide Gruppen wurden erhöht.

Die Rentner allgemein hätten mit Einbußen der Kaufkraft zu rechnen. Insofern stimme, was die Regierung mit der besonderen Bewertung der Arbeit ankündigte, so das Fazit des Instituts. Unklar sei noch, ob die unzweifelhafte Begünstigung der Reichen im Sinne von Investitionen tatsächlich zu einer Verbesserung führt von der auch die Gesellschaft profitiert.