Mobilisierungserfolg für "Unteilbar"

Foto: CC-BY 4.0 unteilbar.org, Stephan Guerra

Zur Berliner Großdemonstration kamen nach Angaben der Veranstalter 240.000 Teilnehmer

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Wie sich die aufgeregten, im Umbruch befindenden politischen Verhältnisse parteipolitisch auswirken, zum Beispiel mit der Entmachtung der großen bisherigen Volksparteien, dafür wird die Landtagswahl morgen in Bayern wohl erstmal ein Gradmesser sein. Dafür sorgt das Interesse der medialen Öffentlichkeit, die endlich Konkreteres über den Stand der Dinge wissen will als das, was Umfragen so zutage fördern.

Aber natürlich ist die Bayernwahl nur eine Landtagswahl, keine Bundestagswahl. Und die Straßen in Berlin sind nicht die repräsentativen Straßen der ganzen Republik. Dennoch kann das sehr breit gestreckte Bündnis #unteilbar einen Erfolg verzeichnen, der bundesweit zählt. Es geht in der Politik immer auch darum, wer wie viele Personen auf die Straße bringen kann.

Die Veranstalter des breit gestreuten Bündnisses "Unteilbar" hatten heute Erfolg mit ihrem Aufruf zur Demonstration in Berlin unter dem Motto "Solidarität statt Ausgrenzung - Für eine offene und freie Gesellschaft". Wie die Tagesschau berichtet, hatte man zuvor mit 40.000 Teilnehmer gerechnet. Bei sonnigem Wetter fanden sich aber dann über 240.000 ein, wie die Veranstalter gegen 17 Uhr bekanntgaben. Da war die Veranstaltung noch nicht zu Ende.

Ob die Teilnehmerzahl, die laut Veranstaltern auf "belastbaren Zählungen" gründet, richtig ist, wird sich wohl erst die nächste Tage bestätigen. Laut Tagesschau sprach die Polizei "zunächst von 'mehreren Zehntausend Teilnehmern'". Jedoch sagte ein Polizeisprecher "auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), eine sechsstellige Teilnehmerzahl werde 'für realistisch' gehalten".

Ob das nur das Wetter war? In Forumsdiskussionen geht es viel auch darum, welche Mehrheiten abseits der Parteien, der Stimmabgaben und der Umfragen in Geltung gebracht werden, welche veröffentlichte Meinung gilt, was manipuliert wird, wie die groß die stille Mehrheit ist. Es geht um Hegemonien. In Berlin waren die Hundertausende auf jeden Fall laut. "Wir wollen uns die Straße zurückholen", sagte die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse im Vorfeld der Demonstration.

Sie gehört zu den Unterzeichnern des Aufrufs. Menasse spricht in diesem Zusammenhang von einer "neuen Mitte", die zu bilden wäre.

Das mit der neuen Mitte sehen allerdings nicht alle so. Zwar, so der Spiegel, schlossen sich dem breiten Bündnis "aus Tausenden Vereinen, Verbänden und Organisationen (…) etliche kirchliche Organisationen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Parteien an". Unter anderem hätten die SPD und Pro Asyl zur Teilnahme an der Veranstaltung aufgerufen, um gegen "die drohende Abschottung Europas, für die Integration von Flüchtlingen, für Bürgerrechte" zu demonstrieren.

Es gab aber auch laut vernehmbare Distanzierungen, einmal von Sahra Wagenknecht und der Sammlungsbewegung Aufstehen (Die Forderung "offene Grenzen für alle" würde Menschen ausschließen, die gegen offene Grenzen aber auch gegen Rassismus seien, notiert der Spiegelbericht als Grund) und von der Berliner CDU. Deren Generalsekretär Stefan Evers sprach laut Spiegel von "linksextremistischen Organisationen, die durch die Stadt ziehen".

[Ergänzung: Im offiziellen Statement betont Sahra Wagenknecht, dass sie es begrüße, "wenn Menschen für Solidarität und gegen Rassismus auf die Straße gehen". Gegen ein gesellschaftliches Klima des Hasses brauche es klare Zeichen. So würden sich sicherlich auch Unterstützerinnen und Unterstützer von Aufstehen an der Demo in Berlin beteiligen.

Aber der Aufruf habe in ihren Augen das Problem, "dass weder die Verantwortlichen für Fluchtursachen noch für den massiven Sozialabbau der letzten Jahre benannt werden". Damit fehle dem Protest aber die wichtige Adressierung der politischen Verantwortung für die gravierenden Missstände.

"Es gibt auch viele Menschen, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wehren wollen, und zugleich eine Regulierung der Migration für unerlässlich halten. In einer sachbezogenen und demokratischen Auseinandersetzung muss auch dieser Standpunkt respektiert werden."]