Silicon Valley boomt, aber die meisten haben nichts davon

Apple Park in Cupertino. Bild: Daniel L. Lu/CC BY-SA-4.0

In den letzten 20 Jahren ist das Realeinkommen von 90 Prozent der Menschen gesunken, Soziologen führen das auf das Geschäftsmodell der Hightech-Konzerne zurück

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Silicon Valley boomt weiterhin und steht seit 2001 noch immer an der Spitze in den USA. Hier werden mit die höchsten Gehälter für IT-Spezialisten und Manager in den USA gezahlt. In Jose-Sunnyvale-Santa Clara erhalten Manager ein Jahresgehalt von durchschnittlich 160.000 US-Dollar und IT-Experten 125.000 US-Dollar. Manche natürlich weitaus mehr.

Ein Single muss nach dem Living Wage Calculator des MIT mindestens 35.000 US-Dollar Bruttolohn erhalten, um hier gerade so leben zu können, eine Familie mit zwei Kindern 88.000 US-Dollar. In Palo Alto beträgt der Median des Haushaltseinkommens 137.000 US-Dollar, in ganz USA liegt er bei 57.000. Oft über 30 Prozent ihres Einkommens müssen die Angestellten von Apple, Google oder Facebook als Miete oder beim Kauf zur Abzahlung des Kredits zahlen, das sind über 5000 US-Dollar.

Hier, wo auch mit viel Geld aus Saudi-Arabien, die Zukunft der Menschheit mitentwickelt wird, zeigt sich auch die Spaltung der Gesellschaft deutlich. Eine Studie von Soziologen von der University of California Santa Cruz in Zusammenarbeit mit Working Partnerships hat nun herausgearbeitet, dass zwar die Einkommen der Menschen der Investoren, Manager und Top-Techniker stetig gestiegen sind und das Durchschnittseinkommen mehr als doppelt so hoch ist wie in der gesamten USA, aber dass die Gehälter der Menschen der unteren und mittleren Einkommensschichten gefallen sind. Die Schere zwischen den wenigen Reichen und den vielen anderen, die gerade so um die Runde kommen, geht immer weiter auf.

Anteil der Geringverdiener nahm zu, die Mittelschicht bricht ein

Der Soziologieprofessor und führender Autor der Studie Chris Brenner bringt die Entwicklung in Zusammenhang mit den Geschäftsmodellen, die im Silicon Valley entwickelt und propagiert werden. Sie gewähren den Topinvestoren und Managern übermäßige Gewinne - auf Kosten der finanziellen Unsicherheit aller anderen, die zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Nicht die Technik verursache die Spaltung, sondern die Regeln, die festlegen, wer von Innovationen profitiert.

So ist die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den vergangenen 20 Jahren um 74 Prozent gestiegen, aber die Realeinkommen von fast 90 Prozent der Menschen sind gesunken. Der Anteil der Angestellten im Silicon Valley am BIP ging von 2001 bis 2016 von 64 auf 60 Prozent zurück. Wenn der Anteil auf der Höhe von 2001 geblieben wäre, würden die Angestellten nur für das Jahr 2016 8480 US-Dollar mehr verdient haben, schätzen die Autoren. Noch drastischer ist es in Computer- und Elektronikbranche. Dort sank der Anteil der Angestellten an der Rendite von 77 Prozent im Jahr 2001 auf 53 Prozent im Jahr 2015.

Zudem nahm der Anteil der Jobs mit mittleren und hohen Einkommen ab, während der der Jobs mit geringem Einkommen um 9 Prozent angestiegen ist. Nur die Einkommen im reichsten Zehntel der Bevölkerung sind im Zeitraum von 1997 bis 2017 gestiegen, in den mittleren drei Zehnteln sind sie mit bis zu 14 Prozent am meisten eingebrochen. Wegen der steigenden Mieten und anderen Lebenshaltungskosten werden die normalen Menschen und das wachsende Heer der Dienstleister, die trotz aller Automatisierung und digitaler und KI-Technik für das Gedeihen der monopolartigen Konzerne und ihrer gut verdienenden Angestellten notwendig sind, an den Rand des Silicon Valley gedrängt und finanziell abgehängt. Die Autoren des Berichts warnen, dass die zunehmende Ungleichheit und Unsicherheit mit einer gefährlichen, durch Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz gekennzeichneten Politik einhergehe, die sich im gesamten Land verbreite: "Das ökonomische System untergräbt unsere Demokratie und unsere Möglichkeit, ein ganzes und gesundes Leben zu führen."

Das dürfte der Soziologe freilich in den Wald rufen. Dass die finanzkapitalistischen Strukturen die Ungleichheit verstärken, ist seit langem bekannt. Es war der Sinn des Neoliberalismus, die Vermögen der Reichen zu vergrößern, während man versprach, dass der überquellende Reichtum dann schon irgendwann auf den Rest der Gesellschaft hinuntersickern wird. Im Silicon Valley herrscht seit den 1990er Jahren die "kalifornische Ideologie", geprägt von Technikbegeisterung, einer libertären Ideologie und dem Versprechen auf schnellen Reichtum.

Wenn den Tech-Konzernen von den Soziologen empfohlen wird, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken, ist das gut gemeint, wird aber nichts bewirken, wenn dies nicht über politischen Zwang geschieht. So sollen die Konzerne die Stimmen der Arbeiter und die Freiheit zusammenzuhalten, also wohl Gewerkschaften zu bilden, anerkennen, hohe Standards für Arbeiter von Subunternehmen einführen und den Anteil der Gewinne, die dem Allgemeinwohl zukommen, erhöhen. Damit wird umschrieben, dass die Steuern erhöht werden sollen. Überdies sollen sie sich mit den umliegenden Gemeinden zusammentun, um die Folgen des technischen Wachstums anzugehen.

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