Erdogans Bündnis mit den Wölfen zerbricht

Devlet Bahceli auf dem Parteitag dfer MHP im März 2018. Bild: Yıldız Yazıcıoğlu/VOA

Die MHP will bei den kommenden Regionalwahlen alleine antreten, die HDP ist unter Beschuss

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Im Mordfall Khashoggi inszeniert sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan dieser Tage als großer Aufklärer und stellt sich auf die Seite der Kritiker des saudischen Regimes. Manch einer wundert sich nun: Der Präsident, der hunderte Journalisten einsperren und Medienhäuser schließen lässt als Verteidiger der Pressefreiheit?

So einfach ist es natürlich nicht. Erdogan setzt sich im Fall Khashoggi aus anderen Gründen ein. Zum einen weil der mutmaßlich im saudischen Konsulat in Istanbul ermordete Journalist wie Erdogan selbst Anhänger der Muslimbruderschaft war und durchaus hinter Erdogan stand. Zum anderen, weil Khashoggi ein gutes Druckmittel gegen das Königshaus in Riad ist, mit dem die Türkei im Clinch liegt. Und nicht zuletzt kann Erdogan mit einer harten Haltung in dieser Sache Sympathien im Westen gewinnen - und die braucht er mehr denn je. Gerade jetzt, wo Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Bosporus weilt und neue Deals zwischen Ankara und Berlin anleiern soll.

Die türkische Wirtschaft ist in einer desolaten Lage, unmittelbar nach den vorgezogenen Wahlen im Juni brach die Lira massiv ein und hat sich bis heute nicht erholt, die Inflation verteuert die Lebenshaltungskosten so stark wie lange nicht, was nicht zuletzt die Anhänger der regierenden AKP trifft.

Und nun das: Gerade mal vier Monate nach der Wahl, mit der Erdogan knapp sein Präsidialsystem realisieren konnte, springt sein Koalitionspartner ab. Nur durch das Bündnis mit der rechtsradikalen MHP war es der AKP gelungen, knapp die absolute Mehrheit im Parlament zu erringen und Erdogan auf den Thron zu hieven. Erste Risse zwischen den beiden Parteien zeigten sich schon während des Wahlkampfes, doch MHP-Chef Devlet Bahceli hielt sich zurück, da er ohne die AKP fürchten musste, unter Zehn-Prozent-Hürde zu landen und damit jeglichen Einfluss einzubüßen.

Heute regiert Erdogan das Land per Dekret. Im Grunde könnte ihm der Verlust der MHP-Sympathien egal sein. Denn er ist ohnehin nicht mehr auf das Parlament angewiesen, das im Präsidialsystem nahezu sämtliche Kompetenzen eingebüßt hat. Doch im März 2019 stehen die Regionalwahlen an, und Erdogan hatte gehofft, das Bündnis mit der MHP fortsetzen zu können. Dem hat Bahceli nun eine Absage erteilt.

Das mag ein taktischer Zug sein, denn Bahceli weiß, dass Erdogan zu einem gewissen Grad auf die MHP, die Partei der Grauen Wölfe, angewiesen ist - gerade im Südosten des Landes, wo viele Kurden leben und weder MHP noch AKP nennenswerte Unterstützung genießen. Bereits jetzt hat Erdogan Mühe, die Region unter Kontrolle zu bringen. In den letzten zwei Jahren ließ er mehr als hundert gewählte Bürgermeister und Ortsvorsteher absetzen, zahllose Dörfer und Städte stehen seither unter Zwangsverwaltung der AKP.

In den letzten Wochen wurden erneut mehrere hundert Mitglieder der linksliberalen HDP verhaftet. Es scheint bereits die Vorbereitung auf die Wahlen im kommenden Jahr zu sein. Denn trotz massiver Repressionen und der Inhaftierung des Führungspersonals konnte die kleine Partei immer wieder Erfolge verbuchen - ihr Rückhalt in der Bevölkerung, der bei zehn bis zwölf Prozent liegt, schwindet nicht. Und gerade im Südosten holt die HDP regelmäßig deutlich höhere Stimmanteile.

Eine ernsthafte Gefahr für Erdogans Regime stellt das zwar nicht dar. Aber der Staatschef ist offensichtlich bemüht, Ruhe in diese Angelegenheiten zu bringen. Auch mit Gewalt und unter Umgehung rechtsstaatlicher Prinzipien. Er kann zur Zeit keine Scharmützel in der Provinz gebrauchen - nicht jetzt, wo es ihm darum geht, die internationalen Beziehungen halbwegs zu kitten und den endgültigen Absturz der Wirtschaft zu verhindern.

Bahceli weiß, wie verzweifelt Erdogans Position ist, und Erdogan weiß, dass er den Durchmarsch ohne Bahceli nicht geschafft hätte. Diese Macht nutzt der MHP-Chef nun aus. Er fordert im Rahmen eines neuen Amnestiegesetzes die Freilassung zahlreicher hochrangiger Angehöriger der türkischen Mafia - zu denen die MHP enge Beziehungen hat. Als Erdogan sich querstellte, kündigte Bahceli das Ende des Wahlbündnisses an.

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