Geht es bei der Nato-Übung Trident Juncture um die Arktis?

US-Soldaten bei Trident Juncture. Bild: DoD

Die größte Nato-Übung seit dem Kalten Krieg findet in Norwegen statt, das könnte nicht nur mit der bekannten und propagierten "russischen Bedrohung" zu tun haben

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Nach der Bundeswehr ist die Militärübung Trident Juncture in Norwegen, im Nordatlantik, in der Ostsee, in Island und im Luftraum von Finnland und Schweden, die keine Nato-Mitglieder sind, die größte Nato-Übung seit 25 Jahren.

Mit 50.000 Soldaten, davon 8000 deutschen, 10.000 Fahrzeugen, 250 Flugzeugen und 63 Schiffen aus 31 Staaten liegt die Nato allerdings deutlich hinter der letzten russischen Militärübung Wostok 2018 mit 300.000 Soldaten, an der auch chinesische Soldaten demonstrativ teilgenommen hatten. Als Grund, warum die Übung in Norwegen stattfindet, heißt es, es sei ein Angebot Norwegens gewesen, das eine "lange Tradition für große, multinationale Übungen und realistische Trainingsmöglichkeiten für Luft, Land und See" habe. Geübt werden soll, "Truppen innerhalb kürzester Zeit in Stellung bringen, einsetzen und versorgen".

Es geht um die Abwehr eines Großangriffs auf Norwegen und die Demonstration, dass die Nato im Bündnisfall ein Mitgliedsland verteidigen kann. Jeder weiß, dass damit Russland abgeschreckt werden soll. Nato-Generalsekretär Stoltenberg leugnet dies erwartungsgemäß und erklärte gestern, die Übung sei gegen niemanden gerichtet und sei "völlig defensiv". Spiegelbildlich stellt Russland seine Militärübungen dar.

Die Hauptphase der Übung findet zwischen dem 25. 10. und dem 7. 11. statt. Gemeinhin gilt die Übung als Vorbereitung eines etwaigen russischen Angriffs auf einen Nato-Mitgliedstaat, obgleich die Bundesregierung erst kürzlich im Rahmen einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag erklärte, dass es dafür keine Hinweise gebe.

Gerade macht die NOTAM-Ankündigung Russlands, während der Übung vor der Küste Norwegens in Höhe von Trondheim seinerseits vom 1. Bis 3. November eine Übung der Marine abzuhalten und Raketen abzufeuern. Stoltenberg wiegelt ab. Die Russen würden in internationalem Gewässer üben und hätten die Nato letzte Woche normal informiert. Es gebe große Einheiten der russischen Marine, die hier auch öfter Übungen durchführen. Man werde die Übung aber genau beobachten. Es liegt natürlich auf der Hand, dass sich eine Provokation auf die andere reagiert. So hatte das russische Verteidigungsministerium zum Start der Nato-Übung gesagt, sie sei klar anti-russisch und würde die Situation destabilisieren. Aber das ist mittlerweile wieder gewohnte wechselseitige Rhetorik, die man aus dem Kalten Krieg kennt. Jeder ist defensiv, nur der Gegner offensiv.

Streit um die Ressourcen in der Arktis

Aber vielleicht sollte Norwegen als Ort, wo die Übung stattfindet, etwas mehr zu denken geben. Bislang war geäußert worden, dass Russland die baltischen Staaten, Polen, die Ukraine oder andere Staaten in der Region angreifen könne. Aber warum Norwegen? Ein Bericht des Lobby-Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR), der gerade erschienen ist, verweist auf einen schon lange schwelenden Konflikt zwischen Nato und Russland, der mit der Klimaerwärmung zu tun hat. Die führt zum Abtauen der Eisschicht in der Arktis und macht diese nicht nur befahrbar, sondern ermöglicht auch den Zugang zu den großen Bodenschätzen, allen voran Öl und Gas.

Von allen Ländern, so ECFR, zeige Russland die größte Entschlossenheit, den Zugang zu den Ressourcen für sich zu sichern (Es geht nicht um die Ukraine, sondern um die Arktis). Tatsächlich hat Russland seit vielen Jahren in der Arktis militärische Stützpunkte eingerichtet (Russland baut massiv die Militärpräsenz in der Arktis aus). Ungeklärte Gebietsansprüche führen zu Konflikten mit den anderen Anrainerstaaten: USA. Kanada, Island, der EU mit Dänemark, Schweden und Finnland und eben mit Norwegen. Selbst fernliegende Staaten wie China erheben wegen der Gier auf die Bodenschätze wenig begründete Ansprüche (China propagiert eine "polare Seidenstraße").

Umstritten ist vor allem der Lomonossow-Rücken, wo Russland in einer spektakulären Aktion schon 2007 Flaggen mit ferngesteuerten U-Booten in einer Tiefe von 4200 Metern gesetzt hatte, um seine Gebietsansprüche zu dokumentieren. Schon lange findet hier ein kalter Krieg um Ressourcen statt. Rhetorisch frägt EFCR, ob Russland den Kampf um die Arktis nicht schon gewonnen hat, eben auch weil es militärisch hier gut aufgestellt ist.

Auch von russischer Seite wird angesichts der Nato-Übung in Norwegen auf den Konflikt um die Arktis verwiesen. So schreibt Sputnik unter dem Titel "Prüfstein für Russland: Nato lässt Muskeln in der Arktis spielen", dass die Nato-Übung etwas mit dem sich aufbauenden Konflikt in der Arktis zu tun hat, während die offenen Konfliktregionen Syrien und Ukraine dabei in den Hintergrund treten:

In Sowjetzeiten war Moskau bei der Erschließung dieser Gebiete dem Westen deutlich voraus, weshalb Russland nun alle Gründe für die weitere Nutzung dieser Gebiete hat. Unter diesen Bedingungen bedient sich die Nato erneut des Vorwands der "russischen Bedrohung". Nicht zufällig nehmen an den Übungen Schweden und Finnland teil. Sie können sich als erste "Opfer" des "Angriffs Russlands auf fremde Bodenschätze" erweisen.

Sputnik

Tatsächlich könnte Norwegens Situation zu einem Problem werden. Die Ölvorkommen auf dem Festlandssockel gehen zu Ende. Größere Vorräte gibt es noch in der Barentsee, aber auf die erhebt auch Russland Ansprüche (Norwegens Erdöl: Der Anfang vom Ende einer Ära). Zumindest erinnert das Nato-Manöver durch die Region, in der es stattfindet, daran, dass Nato und Russland in der Arktis einen Konflikt austragen, bei dem es um sehr viel mehr geht als im Fall von Syrien und der Ukraine. Aber wie im Nahen Osten geht es wieder und weiter vor allem um Öl und Gas.

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