Griechenland: Der goldene Zugang zur EU

Bild: Ma Piel/CC0

Wie Griechen mit dem "Goldenen Visum" und POS-Terminals Geschäfte machen

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Bislang wurde über den Missbrauch von POS-Terminals in Griechenland hauptsächlich im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung und Umgehung der Kapitalverkehrskontrollen berichtet. Dass es auch anders geht, zeigt der jüngste Fall. Griechische Unternehmer nutzten, mit oder ohne Wissen der National Bank of Greece, griechische POS-Terminals in China zur Umgehung der dortigen Kapitalverkehrskontrollen. Sie verkauften europäische Aufenthaltstitel und Immobilien.

Golden Visa - ein staatliches Programm zur finanzierten Einwanderung

Die so genannten Goldenen Visa sind für Griechenland ein Mittel, um fremdes Kapital ins Land zu bringen. Es handelt sich im Prinzip um den Verkauf von Aufenthaltsgenehmigungen und auch Staatsbürgerschaften. So kann jeder, der in Griechenland mindestens 250.000 Euro in Grundbesitz investiert, für sich und seine Familie - Ehefrau und Kinder, jünger als 21 Jahre - ein griechisches Goldenes Visum kaufen. Für ältere Kinder gibt es eine drei Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis mit Möglichkeit zur Verlängerung. Damit steht der Zugang zum gesamten EU-Raum offen.

Die Investoren brauchen für ihre Reisen in die EU nicht einmal nach Griechenland zu kommen. Sie müssen zur Erlangung der Vorrechte nicht einmal ihren Fuß auf griechischen Boden setzen. Die Aufenthaltstitel, aber auch das Vorrecht zur Einbürgerung, sind für die Inhaber solcher Papiere auch gültig, wenn der Immobilienkäufer nicht selbst im Land weilt. Zudem können auch mehrere verschiedene Investoren gemeinsam ein Objekt erwerben, wenn jeder einzelne mindestens 250.000 Euro zahlt. Die erworbenen Aufenthaltstitel können zusammen mit der Immobilie weiter verkauft werden.

Das auch von anderen EU-Staaten wie Belgien, Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Spanien, Portugal, Ungarn und Zypern praktizierte Vorgehen ist der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Ein entsprechendes Programm gibt es auch in Großbritannien. Die Gesetze zum Verkauf des EU-Zugangs sind jedoch weiterhin gültig.

Griechenland bietet im internationalen Vergleich mit seinem "Greece My Residence: Golden Visa Programme" den preiswerteren Zugang. Hier sind lediglich 250.000 Euro fällig, während auf Zypern und in Ungarn 300.000 Euro verlangt werden. In Spanien kostet das goldene Visum 500.000 Euro, auf Malta 650.000 Euro.

Die griechische Regierung will ihr Programm auch für die Käufer griechischer Staatsanleihen und Aktien an der griechischen Börse ausweiten. Die vorliegenden Zahlen über die bis Ende 2017 gewährten Visa zeigen, dass vor allem Chinesen und Russen griechische Aufenthaltstitel kaufen.

Unter den bis Juli registrierten 2881 Käufern waren 1351 Chinesen, 426 Russen, 289 Türken und 107 Ägypter, 106 Libanesen, 82 Iraker, 80 Ukrainer und 67 Syrer. Seit ihrer Einführung 2013 verkaufen sich die Visa immer besser. Es gab 2014 insgesamt 443 Verkäufe, 2015 waren es 507, 577 im Jahr 2016 und 2017 wurden 931 Verkäufe registriert. Bis Juli 2018 gab es bereits 423 Verkäufe.

Die Investoren zeigen eine Tendenz, sich je nach Nationalität in verschiedenen Regionen Griechenlands ihre Immobilie zu kaufen. So gibt es rund um Polyryros auf der Halbinsel Chalkidiki hauptsächlich russische Käufer, wie auch in Chalkida auf der Insel Euböa oder auf der Insel Lefkada. In Athen kaufen vornehmlich die Chinesen. Auf der Insel Syros finden sich Chinesen und Israelis. In Chania auf Kreta dominieren die Ukrainer, die in Agios Nikolaos auf Kreta zusammen mit den Russen die größte Käufergruppe bilden.

Die Immobilienpreise sind in den Gebieten, in denen Kaufinteresse von Visum-Kunden besteht, angestiegen. Dies wiederum verteuert dort das Wohnen für die verarmten Griechen.

Der Trick mit den POS-Terminals

Das Geschäft des Staats mit der Aufenthaltserlaubnis erweckte auch bei Geschäftemachern das Begehren, daran zu verdienen. In den vorliegenden Fall ist der (frühere) Topmanager und Teilhaber einer der größten griechischen Einzelhandelsketten verwickelt. Direkt nach Bekanntwerden des Skandals musste Evangelos Papaevangelou seinen Vizepräsidentenposten bei der Handelskette Jumbo räumen.

Jumbo verkauft in Griechenland preiswerte Haushaltswaren, Kleidung und Spielzeug - alles vornehmlich aus fernöstlicher Produktion. Papaevangelou gründete eine Immobilienfirma, die Destiny Investment Group, und erwarb von der National Bank of Greece acht POS-Terminals.

In Griechenland kaufte Papaevangelou bei Versteigerungen preiswert Immobilien und versilberte diese dann an die Chinesen, die einen EU-Zugang erwerben wollten. Papaevangelou nutzte die wahre Versteigerungsflut, die in Griechenland als Folge der vorgeschriebenen Lohn- und Rentenkürzung und der dadurch ausgelösten Rezession von den internationalen Kreditgebern verlangt wurde. Seinen Kunden gegenüber bot der Geschäftsmann Zahlungserleichterungen in Form von Raten an.

Dabei umging er mit den POS-Terminals die chinesischen Kapitalverkehrskontrollen. China reglementiert zum Schutz der eigenen Wirtschaft, die ins Ausland abfließenden Devisen. Die POS-Terminals und die Raten gaukelten einen Einkauf zum Beispiel von Touristen in Griechenland vor.

Es waren schließlich chinesische Fahnder, die der Sache auf die Spur kamen. Sie entdeckten, dass das über die POS-Terminals abfließende Devisenvolumen 40 Millionen Euro überstiegen hatte und forschten nach. Die National Bank of Greece hatte offenbar nichts Außergewöhnliches bemerkt, was bei griechischen Strafverfolgern nun den Verdacht hervorruft, dass auch Bankmanager in den Deal verwickelt sein können. Die Bank führt nun selbst Untersuchungen im eigenen Haus durch. Seitens der Strafverfolger hat sich die Staatsanwaltschaft von Griechenlands höchstem Gericht, dem Areopag, eingeschaltet.

Die chinesischen Kunden haben nun jedoch auch Ärger mit den griechischen Behörden. Im Programm für die gekauften Aufenthaltstitel ist vorgeschrieben, dass die Bezahlung entweder per Scheck oder per Banküberweisung zu erfolgen hat. Mit dieser anachronistisch erscheinenden Beschränkung der möglichen Zahlungsmethoden möchte die griechische Regierung zumindest teilweise die Kontrolle über die Herkunft der Gelder behalten. Barzahlungen, aber auch Kreditkartenzahlungen sind ausdrücklich ausgeschlossen.

Formal sind die teuer erkauften Aufenthaltstitel oder entsprechende Anträge der Kunden Papaevangelous nun ungültig. Zudem ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht klar, inwieweit die Verkäufe überhaupt komplett abgewickelt wurden. Gemäß griechischen Medien gibt es abseits des vorliegenden Falls pro Jahr knapp 70 Fälle, bei denen Chinesen wegen ihrer Unkenntnis griechischen Rechts auf Betrüger hereinfallen. In China ist ein Immobilienverkauf bereits mit der Unterschrift des Maklers gültig, in Griechenland muss dagegen ein Notar den Verkauf beurkunden. Es ist momentan nicht bekannt, wie viele der Kunden von Papaevangelous eine notarielle Beurkundung in Händen halten. Die Praxis mit den POS-Terminals soll, gemäß den Erklärungen von griechischen Immobilienmaklern, auch von anderen schwarzen Schafen des Gewerbes praktiziert werden.

Tatsächlich legt die geltende Rechtslage die Vermutung nahe, dass es weitere Fälle geben muss. Die chinesische Zentralbank verbietet chinesischen Bankkunden Auslandsüberweisungen zum Immobilienkauf, so dass diese, um dem griechischen Gesetz und den einheimischen Vorschriften Folge zu leisten, eigentlich zunächst ein Bankkonto in Griechenland oder einem anderen EU-Staat eröffnen müssten und dann erst einkaufen könnten.

Die Stellungnahmen der betroffenen Firmen

Die Jumbo AG erklärt:

Der Kleinaktionär, ehemalige stellvertretender Vizepräsident und Mitglied des Verwaltungsrats des Unternehmens, Herr Evangelos Papaevangelos, war nur Market Maker des Unternehmens gewesen ist und für seine täglichen Transaktionen mit öffentlichen Diensten, Behörden, lokalen Behörden, Stromunternehmen, Telekommunikation, Wasser usw. verantwortlich. Er hatte kein Recht, die geschäftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten des Unternehmens zu beauftragen oder zu unterzeichnen, und er verwendete die Zahlungsinstrumente des Unternehmens nicht für seine persönlichen Geschäftsaktivitäten. In allen anderen geringfügigen Fällen hat er vom Verwaltungsrat immer ein Sondermandat mit einem an die Tätigkeit gebundenen Mandat erhalten. …

Dem Unternehmen war das Geschäft von Herrn Papaevangelos und seinen Familienangehörigen im Bereich Immobilien durch sein Unternehmen nicht bekannt. …

Als am 29.10.188 ein Bericht über eine mögliche Beteiligung an einer unregelmäßigen oder illegalen Geschäftstätigkeit veröffentlicht wurde, wurde sein Rücktritt aus moralischen Gründen gefordert, am selben Tag eingereicht und am 31.10.2014 vom Verwaltungsrat förmlich angenommen.

Die Destiny Investment Group von Papaevangelou weist in einer öffentlichen Stellungnahme sämtliche Vorwürfe von sich.