Hundert Jahre Freistaat Bayern

Versammlung auf der Theresienwiese am 7. November 1918

Dokumentarische Filmaufnahmen aus der Zeit zwischen November 1918 und Mai 1919, Teil 1

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Am 11. November 1918 - am nächsten Sonntag vor hundert Jahren - endete der Erste Weltkrieg. Viele bayerische Bauern hatten diesen Krieg bereits 1914 nicht gewollt. Sie waren nicht scharf darauf, dass ihre Pferde und ihre Söhne massenhaft eingezogen wurden, was die Produktivität ihrer Höfe massiv senkte. Für einen Krieg, den sie in weiten Teilen als keine bayerische, sondern als eine preußische Angelegenheit empfanden, vor der die Souveränisten im Münchner Parlament bereits 1871 vergeblich gewarnt hatten, was der unlängst verstorbene Wilfried Scharnagl in seinem Buch Bayern kann es auch allein ausführlich schildert.

Dass die Geschichtswissenschaft lange von einer allgemeineren Kriegsbegeisterung ausging, lag nur daran, dass sie von Quellen des städtischen Bürgertums ausging, das politischen Moden auch in anderen Epochen stärker folgte als andere Schichten. Dessen Angehörige hatten sich 1914 auf öffentlichen Plätzen versammelt und begeistert gejubelt - und seine Medien und Schulen hatten einen Konformitätsdruck ausgeübt, der öffentlichen Widerspruch gegen diese "Haltung" nicht ratsam erscheinen ließ, wenn man keine gesellschaftlichen und (daraus resultierend) ökonomische Nachteile hinnehmen wollte.

Erst in den letzten Jahren kümmerte man sich auch um die Masse der hinterlassenen Post von Bauernfamilien, die ein ganz anderes Bild zeichnen. Ein Bild, in dem auch viele Frauen leiden und sich beispielsweise die Hand in der ihnen unvertrauten Häckselmaschine verstümmeln, in der Stroh fressbar gemacht werden soll, weil das Heu fehlt.

Erstes Regierungsprogramm sah einen gemeinsamen bayerisch-österreichischen Staat und die Bildung einer Donauföderation mit Tschechien vor

Nach über vier Jahren Krieg hatten Steckrübenwinter und mit Sägemehl gestrecktes Brot die Wir-schaffen-das-Stimmung aber auch bei Stadtbewohnern so weit gedämpft, dass sich der als preußenfreundlich geltende bayerische Kriegskönig Ludwig III. zur Flucht entschloss, worauf hin der zugereiste Kriegsgegner Kurt Eisner in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 im Münchner Mathäserbräu einen "Freien Volksstaat Bayern" ausrief. Dessen provisorische erste Regierung setzte sich aus Vertretern der SPD und der USPD zusammen, die von bayerischen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten bestimmt wurden. Ministerpräsident wurde Eisner von der USPD, Außenminister Erhard Auer von der SPD.

Ein am 15. November veröffentliches Programm dieser Regierung sah einen gemeinsamen bayerisch-österreichischen Staat und die Bildung einer Donauföderation mit Tschechien vor. In Berlin, wo nun die preußischen Sozialdemokraten regierten, war man strikt gegen dieses Vorhaben und begrüßte das Ergebnis der Wahl zu einem verfassunggebenden Landtag vom 12. Januar 1919, die nicht Eisners USPD gewann (welche mit einem Stimmenanteil von zweieinhalb Prozent nur auf drei Mandate kam), sondern die katholische Bayerische Volkspartei, die mit 35 Prozent und 66 Sitzen noch vor der 33 Prozent und 61 Sitze starken SPD landete. 25 Mandate gingen an die zusammengerechnet 14 Prozent starken liberalen Parteien DVP und DDP, 16 an den neun Prozent starken Bauernbund und neun an die sechs Prozent starke Deutschnationale Volkspartei (DNVP).

Doch noch bevor Eisner bei der konstituierenden Sitzung des Landtags am 21. Februar zurücktreten konnte, wurde er von Anton Graf von Arco auf Valley erschossen, einem Sohn der Freiin von Oppenheim aus der gleichnamigen Bankiersfamilie.

Nicht nur literarische Zeugnisse und Fotos

Obwohl man froh sein kann, die Monate zwischen dem November 1918 und dem Mai 1919 nicht persönlich miterlebt zu haben, gelten sie doch als eine der interessantesten Epochen der bayerischen Geschichte - auch wegen der zahlreichen Erinnerungen einer Kaffeehausboheme, die vom picarischen Bäckerssohnsimplizissimus Oskar Maria Graf bis zum orientierungssuchenden Weltkriegsheimkehrer Adolf Hitler reichte. Weniger bekannt als die schriftlichen Aufzeichnungen und Erinnerungen und die bereits 1988 in einem Bildband zusammengefassten Fotos sind die Filmdokumente aus dieser Zeit. Telepolis präsentiert hier einige der wenigen erhaltenen, die bislang nicht öffentlich zugänglich waren - stumm und in einer Bildqualität, die Sachzwängen geschuldet ist und für die wir vorab um Entschuldigung bitten.

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Der Film "Die Feierlichkeiten anlässlich des Begräbnisses von Kurt Eisner" zeigt unter anderem die mit einem Kranz gekennzeichnete Ecke vor dem Palais Montgelas, an der der Politiker erschossen wurde, eine Versammlung auf der Theresienwiese mit Ernst Niekisch als Redner, uniformiere Knappschaften aus Peißenberg und Penzberg, den Trauerzug mit Blaskapellen und "auswärtigen Delegationen" sowie die Trauerfeier auf dem Ostfriedhof in Obergiesing.

Auf den anschließenden "Bildern von der Volksbewegung in München" sieht man vor allem Soldaten. Sie winken, verscheuchen Passanten aus einer Portraitaufnahme mit Maschinengewehr und Karabinern und fahren auf einem Lastwagen durch die Straßen. Von den Zivilisten an denen sie vorbeikommen, wirken die meisten eher desinteressiert bis distanziert, nur einige von ihnen winken oder schwenken ihre Hüte. Zum Schluss des Films sind es Zivilisten in Hut und Mantel, die mit umgehängten Privatgewehren verschiedener Machart marschieren.

Mehr Filme sehen Sie in Teil 2: Von den Kaffeehausliteraten zu den Werdenfelsern

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