Studie "Flucht ins Autoritäre": Zunahme von Ausländerfeindlichkeit und Abwertung von Muslimen in Deutschland

Bild: Darfschein / CC0

Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 untersucht rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft

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Die Zunahme der Ausländerfeindlichkeit in Deutschland und der "erschreckend hohe Anstieg" der Abwertung von Muslimen fallen als Einstellungsänderung in Deutschland besonders auf. Das sagen die beiden Wissenschaftler Elmar Brähler und Oliver Decker vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig (KReDo) in der Pressemitteilung zu ihrer Studie "Flucht ins Autoritäre", die rechtsextreme Einstellungen zum Hauptthema hat.

Die Aussage, wonach die Ausländerfeindlichkeit im gesamten Land immer stärker verbreitet ist, entstammt also keiner subjektiven Wahrnehmung eines Beobachters oder Medienkonsumenten, sondern einer methodischen Untersuchung. Befragt wurden 2.419 repräsentativ ausgewählte Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft im Frühsommer dieses Jahres (7. Mai 2018 bis 8. Juli).

24,1 Prozent der Befragten zeigten eine "geschlossene manifeste Ausländerfeindlichkeit", bei der vorherigen Erhebung 2016 waren es 20,4 Prozent. In Ostdeutschland ist die Entwicklung noch deutlicher. Dort stieg der Anteil von 22,7 auf 30,9 Prozent.

"Sozialstaat ausnutzen" und "Überfremdung"

Die Ausländerfeindlichkeit wird mit der Zustimmung/Ablehnung auf drei Aussagen gemessen: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen", "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken" und "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet".

Seine Antwort konnte man auf einer sechsteiligen Skala auswählen von: "Lehne völlig ab" bis "Stimme voll und ganz zu". Zwischen "Lehne überwiegend ab" und "stimme überwiegend zu" gibt es noch die Zwischenstufe "Stimme teils zu, teils nicht zu", das in der Untersuchung bei "rechtsextremen Aussagen" als Positionierung einer latenten Zustimmung bezeichnet wird.

Für die Aussage "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet" gab es 44,6 Prozent "manifeste Zustimmung" von Befragten in Ostdeutschland. Im Westen waren es 33,6. Manifeste Zustimmung heißt, dass die Befragte entweder "stimme überwiegend zu" oder "stimme voll und ganz zu" angegeben haben.

Auffallend ist auch die manifeste Zustimmung von 47,1 Prozent der Befragten in Ostdeutschland zur Aussage: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen".

Auch hier gibt es einen Unterschied zu den Befragten in Westdeutschland. Dort stimmten 32,7 Prozent überwiegend oder voll und ganz zu. Im gesamtdeutschen Durchschnitt waren es bei dieser Aussage 35,7 Prozent. Mehr als jeder Dritte.

Leider wird selbst in der Langfassung der Studie an dieser Stelle (S.77) kein Vergleichswert zur Studie von 2016 erwähnt. Man müsste ihn suchen. Das dauert bei 254 Seiten der Studie mit dem Titel "Flucht ins Autoritäre: Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft". Sie ist die Fortsetzung der sogenannten Leipziger-Mitte-Studien und firmiert jetzt als "Leipziger Autoritarismus-Studie 2018".

"Feindschaft gegen Muslime"

Zu den Stärken der Studie gehört eben genau, dass man sie mit früheren Erhebungen vergleichen kann. So soll eine Entwicklung sichtbar werden. Was die zweite große Auffälligkeit, die eingangs erwähnt wurde, betrifft, die Einstellung zu Muslimen, so veranschaulicht dies ein Tweet der Heinrich-Böll-Stiftung zur Studie : "Die Feindschaft gegen Muslime steigt an", heißt der großgeschriebene Satz, der kleiner geschriebene lautet: "Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden". Dazu gibt es Prozentangaben 41,4 (2016) und 44,1 (2018).

Ein genaueres Bild liefert Seite 102 der Studie. Dort gibt es Grafiken mit Zustimmungsbalken zu zwei zentralen Aussagen bei drei Untersuchungen: 2014, 2016 und 2018. Eine Aussage lautet: "Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden".

Hier gab es 2016 die größte Mehrheit für eine Zustimmung - in Ostdeutschland mit 53,8 Prozent. 2014 waren es noch 40,6 Prozent in Ostdeutschland. Das ist eine sehr deutliche Steigerung. Dazwischen lag das Jahr 2015 mit dem Beginn der Durchwink-Politik auf der Balkanroute. 2018 ist die Mehrheit, die der Aussage zum Verbot einer Zuwanderung von Muslimen in Ostdeutschland zustimmen, auf 50,7 gesunken. Es spricht sich noch immer knapp mehr als die Hälfte für ein solches Verbot aus. Das ist ein bemerkenswert hoher Anteil.

Auffallend ist hier der Anstieg der Zustimmung im Westen. Der Prozentsatz kletterte von 35,5 Prozent im Jahr 2014 auf 42,2 Prozent im Frühsommer dieses Jahres. Das schlägts sich dann auch im Gesamtwert für ganz Deutschland nieder. Signalisierten vor vier Jahren noch 36,5 Prozent Zustimmung zum Verbot der Zuwanderung von Muslimen, so sind es jetzt 44,1 Prozent.

Einen deutlichen Anstieg gab es auch bei der Zustimmung zur Aussage "Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land". Der Gesamtwert für ganz Deutschland stieg von 43 Prozent Zustimmung im Jahr 2014 auf 55,8 Prozent in diesem Jahr.

Die höchste Zustimmungsanteil wird hier in Westdeutschland notiert. 2018 beträgt er 56,1 Prozent. Vor zwei Jahren lag er dort noch bei 49,9 und 2014 bei 43 Prozent. Auch das ist ein sehr deutlicher Anstieg. Kommentiert wird der allgemeine Anstieg in der Studie wie folgt:

Die Ergebnisse zeigen, dass die Muslimfeindschaft weiter zugenommen hat. (…) Diese Befunde erscheinen zunächst paradox: Einerseits ist die Einwanderung nach dem Peak 2015 drastisch zurückgegangen, andererseits wird die Zuwanderung von Muslima und Muslimen unvermindert als relevante gesellschaftliche Veränderung erlebt. Unter dem Blickwinkel des autoritären Syndroms löst sich dieses Paradox allerdings auf, denn die Abwertung "der Muslime" wird damit weniger als Reaktion auf die (zumindest imaginierte) Bedrohung durch eine Fremdgruppe verständlich, sondern als Möglichkeit, Aggression auszudrücken. Die Abwertung von Muslimen ist dezidiert antidemokratisch, da sie gegen die Norm der Gleichwertigkeit aller Menschen und die Religionsfreiheit verstößt.

Studie: "Flucht ins Autoritäre"

Hier wird der Schwerpunkt deutlich, der Akzent, den die Studie gewählt hat. Man begnügt sich nicht mit den Zahlen, die ein ungutes Klima bestätigen, sondern sucht die Ursachen in einer "autoritären" und einer letztlich zur Aggressivität tendierenden "Dynamik".