Älteste Höhlenmalerei der Welt auf Borneo entdeckt

Ausschnitt der Wand mit den ältesten figurativen Höhlenmalereien auf Borneo, die vor mehr als 40.000 Jahren entstanden sind. Foto: Luc-Henri Fage

Die Kulturgeschichte muss umgeschrieben werden: Die Kunst des modernen Menschen entstand fast zeitgleich in Europa und Südostasien

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Im indonesischen Teil Borneos, in der Provinz Ost-Kalimantan, liegt die Sangkulirang-Mangkalihat Karst-Region, eine zerklüftete Berglandschaft, die viele Höhlen beherbergt. Seit den 1990er Jahren entdeckten Forscher dort zahlreiche Malereien, denen zunächst niemand ein sehr hohes Alter zugetraut hatte.

Aber jetzt beweist eine australisch-indonesische Expertengruppe durch exakte Datierungen, dass die Abbildung eines Tieres und Handabdrücke in einer der Höhlen mindestens 40.000 Jahre alt sind.

Seit der Steinzeit von Menschen genutzte Höhlen auf Borneo

Dichter tropischer Wald bedeckt die Berghänge weit im Osten der Insel Borneo, ein Dschungel in einer entlegenen Region, die fast ausschließlich mit Booten über die Flüsse erreichbar ist, denn es gibt kaum Straßen. Lange kam niemand auf die Idee, in dieser dünn besiedelten Landschaft überhaupt archäologische Fundstätten zu suchen.

Das änderte sich Ende der 1980er Jahre, als französische Höhlenforscher eine Expedition durchführten und dadurch eine bislang dem Rest der Welt unbekannte Höhle mit Kohlezeichnungen entdeckten, die sich als einige tausende Jahre alt erwiesen.

Der Franzose Luc-Henri Fage kam zusammen mit Kollegen wieder, sie suchten und fanden in dem indonesischen Höhlenmalerei-Experten Pindi Setiawan vom Bandang Institute of Technology ihren lokalen Partner, und erforschten systematisch die vielen Höhlen des Karst-Gebirges, die von Wasser durch Verwitterung aus dem Kalkstein geformt wurden.

Sie fanden zahlreiche Spuren der Anwesenheit steinzeitlicher Menschen und 1994 schließlich die ersten prähistorischen Felszeichnungen auf Borneo. Danach ging es Schlag auf Schlag, das Team entdeckte Dutzende Höhlen, deren Wände in prähistorischen Zeiten mit tausenden Bildern bemalt worden waren. Viele dieser Höhlen liegen hoch an Steilwänden und weisen keine Spuren menschlicher Besiedlung auf. Vielleicht wurden sie ausschließlich für die Kunst genutzt.

Inzwischen steht das Gebiet des Sangkulirang-Mangkalihat Karst auf der Vorschlagsliste für die Aufnahme auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes.

Die Kalkstein Karst-Landschaft in Ost-Kalimantan, einer der indonesischen Provinzen Borneos, Foto: Pindi Setiawan

Die Untersuchungen der vielen uralten Felsmalereien zeigten unterschiedliche Zeiten, in denen sie entstanden sind. Aber die echte Sensation erbrachte erst die neuste Datierung des Teams um Maxime Aubert von der australischen Griffith University, Pindi Setiawan, der schon bei der Entdecker-Truppe dabei war, und Adhi Agus Oktaviana vom Arkenas in Jakarta. Sie untersuchten die Sinterschicht, also die mineralischen Ablagerungen, die sich durch eindringendes Wasser über die Jahrtausende auf den Bildern gebildet hat.

Ihre spektakulären Ergebnisse veröffentlichen sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature: Palaeolithic cave art in Borneo. Die Spezialisten nahmen diverse Proben in sechs verschiedenen Höhlen des Gebietes und untersuchten sie eingehend mit der Thorium-Uran-Methode. Dabei wird der Zerfall der Uranium- und Thorium-Isotope berechnet. Auf diese Weise ist eine sichere Altersbestimmung der Malerei möglich, da sich der Sinter sehr langsam über die gemalten Motive legt. Die Abbildungen sind also mindestens so alt wie die unterste Schicht des Sinters.

Mindestens 40.000 Jahre alte Kunstwerke

Eine Probe aus der Höhle Lubang Jeriji Saléh erwies sich als die älteste in der Reihe, das verblasste und beschädigte Abbild eines Tieres, vermutlich eines Wildrinds, ein Banteng, auf Deutsch auch Sunda-Ochse genannt und das Negativ einer Hand erwiesen sich als mindestens 40.000 und maximal 52.000 Jahre alt. Damit gehören sie zu den ältesten Kunstwerken der Welt - und stellen die ältesten Höhlenmalereien weltweit dar. Beide Bilder wurden mit orange-roten Pigmenten auf die Wand aufgebracht.

Handabdrücke (Stencils), die negativ auf den Felsen abgebildet wurden, indem die Steinzeitkünstler rote Farbe durch einen Halm oder ein Röhrchen auf den ausgestreckten und auf den Felsen gelegten Handrücken sprühten oder aus dem Mund pusteten, gehören weltweit zu den besonders alten Höhlenbilder - wobei das Hinterlassen eines Handabdrucks offensichtlich über sehr lange Zeiträume praktiziert wurde. Besonders erstaunlich bei den Entdeckungen aus Borneo ist das uralte Abbild eines Tieres. Maxime Aubert erklärt:

Das älteste von uns datierte große Bild stellt ein nicht genau identifiziertes Tier dar, möglicherweise ein Wildrind, eine Art, die immer noch in den Dschungeln von Borneo lebt. Diese Felsmalerei ist mindestens 40.000 Jahre alt und damit die älteste bekannte figürliche Darstellung.

Maxime Aubert
Die älteste bekannte figürliche Darstellung aus Höhle Lubang Jeriji Saléh, mindestens 40.000 Jahre alt. Foto: Luc-Henri Fage

Maxime Aubert war auch in der Wissenschaftlergruppe, die vor einigen Jahren mit ähnlich alten Felsbildern von der indonesischen Insel Sulawesi internationales Aufsehen erregte (vgl. Die älteste Höhlenmalerei der Welt in Indonesien). Allerdings war das dort mit ebenfalls auf etwa 40.00 Jahre datierte, älteste Kunstwerk ein Handabdruck, alle Tierdarstellungen waren deutlich jünger.

Illustration der Bilder auf der Felswand, auf der sich die ältesten Darstellungen fanden, Bild: Pindi Setiawan

Dennoch zeichnete sich mit diesem Fund bereits ein grundlegender Perspektivwechsel ab, der sich nun erneut eindrucksvoll bestätigt. Einmal mehr muss die Vorgeschichte der menschlichen Kultur umgeschrieben werden, lieb gewordene scheinbare Gewissheiten lösen sich in Luft auf.