Sachbücher des Monats: November 2018

Die Top Ten unter den Sachbüchern nebst einer persönlichen Empfehlung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jeden Monat neu präsentiert von der Neuen Zürcher Zeitung, der Literarischen Welt, dem ORF-Radio Österreich 1 und Telepolis.

Timothy Snyder
Der Weg in die Unfreiheit
Russland, Europa, Amerika

Timothy Snyder schreibt die Chronik einer über uns hereinbrechenden politischen Katastrophe - der Aufstieg autoritärer Regime in Russland, Europa und den USA. Er zeigt in seinem furchtlosen Buch, wie Putins Russland freie Wahlen manipuliert, Fake News verbreitet, Cyberangriffe startet, Schwule verfolgt und rechtsradikale Parteien finanziert - und warum es das tut. Snyder schildert die beängstigenden Kontakte zwischen russischen Oligarchen und Donald Trump, und er warnt uns vor den Konsequenzen: Wenn wir nicht endlich aufwachen, dann wird die freie Welt vielleicht schon bald Vergangenheit sein.
Übersetzt von Ulla Höber und Werner Roller.
C. H. Beck Verlag, 376 Seiten, 24,95 €
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Volker Reinhardt
Leonardo da Vinci
Das Auge der Welt

Leonardo da Vinci - Maler der Mona Lisa, visionärer Konstrukteur von Flugapparaten und Zeichner des ideal proportionierten Menschen - ist als prototypisches Universalgenie der Renaissance weltberühmt. Volker Reinhardt entdeckt demgegenüber einen Künstler, der vor allem gegen seine Zeit lebte: gegen die wortverliebten Humanisten, gegen das naturfeindliche Christentum, gegen den Glauben der Alchemisten an verborgene Kräfte der Natur. Für Leonardo galt nur, was das Auge sieht, und seine Mission war es, sehend, zeichnend und malend zum Auge der Welt zu werden.
C. H. Beck Verlag, 383 Seiten, 28,- €
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Hans Rosling, Anna Rosling Rönnlund, Ola Rosling
Factfulness
Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist

Es wird alles immer schlimmer, eine schreckliche Nachricht jagt die andere: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Es gibt immer mehr Kriege, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen. Viele Menschen tragen solche beängstigenden Bilder im Kopf. Doch sie liegen damit grundfalsch. Unser Gehirn verführt uns zu einer dramatisierenden Weltsicht, die mitnichten der Realität entspricht, wie der Statistiker und Wissenschaftler Hans Rosling erklärt.
Ullstein Verlag, 400 Seiten, 24,- €
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Stefan Weidner
Jenseits des Westens
Für ein neues kosmopolitisches Denken

Wir waren es gewohnt, dass Europa und Nordamerika die Welt dominieren. In Zeiten der Globalisierung melden nun andere Großmächte politische und wirtschaftliche Ansprüche an und stellen die "westliche" Weltdeutung in Frage. Fortschritt, Säkularisierung, Liberalismus: Warum sollten diese Prinzipien unserer Ideengeschichte für den ganzen Globus gelten? Stefan Weidner plädiert dafür, Weltentwürfe aus Arabien, Afrika oder China ernst zu nehmen. Der "Westen" darf nicht glauben, die ganze Welt werde früher oder später seine Vorstellungen übernehmen. Wir brauchen ein kosmopolitisches Denken, das die Vorstellung kultureller Überlegenheit überwindet.
Hanser Verlag, 368 Seiten, 24,- €
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Siri Hustvedt
Die Illusion der Gewissheit

Was ist der Verstand? Wie unterscheidet er sich vom Körper? Kann der Verstand auf Neuronen im Gehirn reduziert werden oder nicht? In ihrem Essay nimmt sich Siri Hustvedt das uralte, noch immer nicht gelöste Geist-Körper-Problem vor und macht deutlich, wie sehr die unterschiedlichen Antworten auf diese Frage tiefgreifende Bedeutung für unser Verständnis von uns selbst haben.
Übersetzt von Bettina Seifried.
Rowohlt Verlag, 416 Seiten, 24,- €
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Richard Sennett
Die offene Stadt
Eine Ethik des Bauens und Bewohnens

Im Jahr 2050 werden zwei Drittel aller Menschen in Städten leben - wie können Bewohner mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen eine friedliche Koexistenz führen? Richard Sennett stellt die Frage nach der Beziehung zwischen urbanem Planen und konkretem Leben: Wie hat sie sich historisch gewandelt? Wie kann eine offene Stadt aussehen, die geprägt ist von Vielfalt und Veränderung - und in der Bewohner Fähigkeiten zum Umgang mit Unsicherheiten entwickeln? Richard Sennett zeigt, warum wir eine Urbanistik brauchen, die eine enge Zusammenarbeit von Planern und Bewohnern einschließt und voraussetzt - und dass eine Stadt voller Widersprüche urbanes Erleben nicht einengt, sondern bereichert.
Übersetzt von Michael Bischoff.
Hanser Berlin Verlag, 400 Seiten, 32,- €
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Jonathan Drori
In 80 Bäumen um die Welt

An 80 Bäumen aus aller Welt zeigt der Botaniker Jonathan Drori, welch wichtige Rolle Bäume in allen Bereichen des menschlichen Lebens spielen. Zu den Stationen der Reise gehören die Linden in Berlin, die verliebte Flaneure und hungrige Bienen gleichermaßen berauschen, die Prachtstraßen im London des 19. Jahrhunderts, die mit australischem Eukalyptusholz gepflastert waren oder die hoch aufragenden Rotholzwälder von Kalifornien.
Übersetzt von Bettina Eschenhagen und Ulrich Korn.
Laurence King Verlag, 256 Seiten, 24,- €
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Luc Boltanski, Arnauld Esquerre
Bereicherung
Eine Kritik der Ware

Museen, Kunst, Luxusgüter, Immobilien, Tourismus - für die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre sind dies zentrale Felder einer neuen Ökonomie der Anreicherung, die zunehmend unsere Gesellschaften prägt und vor allem der Bereicherung der Reichen dient. Sie analysieren sie diesen neuen Kapitalismus, dessen Ziel nicht mehr die industrielle Warenproduktion ist, die in die Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert wurde, sondern die Anreicherung von Dingen, die bereits da sind. Der Wert von Waren sinkt normalerweise mit der Zeit, in der Anreicherungsökonomie ist das jedoch umgekehrt: Er steigt. Die Ware wird dabei mit einer bestimmten Geschichte oder Tradition versehen, die sie anreichert. Boltanski und Esquerre verfolgen den Aufstieg dieser neuen Ökonomie, die auf den Industriekapitalismus seit den 1970er Jahren folgt.
Übersetzt von Christine Pries.
Suhrkamp Verlag, 730 Seiten, 48,- €
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Max Czollek
Desintegriert Euch

Max Czollek ist dreißig, jüdisch und wütend. Denn hierzulande herrschen seltsame Regeln: Ein guter Migrant ist, wer aufgeklärt über Frauenunterdrückung, Islamismus und Demokratiefähigkeit spricht. Ein guter Jude, wer stets zu Antisemitismus, Holocaust und Israel Auskunft gibt. Dieses Integrationstheater stabilisiert das Bild einer geläuterten Gesellschaft - während eine völkische Partei Erfolge feiert. Max Czolleks Streitschrift entwirft eine Strategie, das Theater zu beenden: Desintegration. Desintegriert euch! ist ein Schlachtruf der neuen jüdischen Szene und zugleich eine Attacke gegen die Vision einer alleinseligmachenden Leitkultur.
Carl Hanser Verlag, 208 Seiten, 18,- €
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Steven Pinker
Aufklärung jetzt
Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt - Eine Verteidigung

Hass, Populismus und Unvernunft regieren die Welt, Wissenschaftsfeindlichkeit macht sich breit, Wahrheit gibt es nicht mehr: Wer die Schlagzeilen von heute liest, könnte so denken. Doch Steven Pinker zeigt, dass das grundfalsch ist. Er hat die Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte untersucht und beweist in seiner Studie, dass unser Leben stetig besser geworden ist. Heute leben wir länger, gesünder, sicherer, glücklicher, friedlicher und wohlhabender denn je, und nicht nur in der westlichen Welt. Der Grund: die Aufklärung und ihr Wertesystem. Denn Aufklärung und Wissenschaft bieten nach wie vor die Basis, um mit Vernunft und im Konsens alle Probleme anzugehen. Anstelle von Gerüchten zählen Fakten, anstatt überlieferten Mythen zu glauben baut man auf Diskussion und Argumente.
Übersetzt von Martina Wiese.
S. Fischer Verlag, 736 Seiten, 26,- €
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Besondere Empfehlung des Monats November von Volker Perthes:

Constanze Kurz, Frank Rieger
Cyber War
Die Gefahr aus dem Netz: Wer uns bedroht und wie wir uns wehren können

Wir sind abhängig vom Internet. Der Strom aus der Steckdose, das Geld aus dem Automaten, die Bahn zur Arbeit, all das funktioniert nur, wenn Computer und Netze sicher arbeiten. Doch diese Systeme sind verwundbar - und werden immer häufiger gezielt angegriffen. Deutschland mit seiner stark vernetzten Industrie und Gesellschaft, mit seiner hochentwickelten und deshalb umso verwundbareren Infrastruktur hat die Gefahr aus dem Netz lange ignoriert. Erst durch die wachsende Zahl und die zunehmende Massivität der Cyberangriffe sind Politik, Wirtschaft und Bürger aufgewacht. In ihrem Buch sagen die Computersicherheitsexperten Constanze Kurz und Frank Rieger, wer uns bedroht und was wir tun müssen, um unsere Daten, unser Geld und unsere Infrastruktur zu schützen.

Kurz und Rieger erklären (trotz des etwas alarmistischen Titels) überzeugend und ohne unnötige Aufgeregtheit, was Cyberkonflikte ausmacht und wie digitale Operationen zur Verunsicherung und Verbreitung von Ungewissheit eingesetzt werden.
Volker Perthes

Verlag C. Bertelsmann, 288 Seiten, 20,- €
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Die Jury: Tobias Becker, Der Spiegel; Kirstin Breitenfellner, Falter (Wien); Peter Ehmer, WDR 5; Dr. Eike Gebhardt; Daniel Haufler, Berlin; Prof. Jochen Hörisch, Universität Mannheim; Günter Kaindlstorfer, Wien; Dr. Otto Kallscheuer; Petra Kammann, FeuilletonFrankfurt; Elisabeth Kiderlen; Jörg-Dieter Kogel; Prof. Dr. Ludger Lütkehaus; Prof. Dr. Herfried Münkler, Humboldt Universität zu Berlin; Marc Reichwein, DIE WELT; Thomas Ribi, Neue Zürcher Zeitung; Prof. Dr. Sandra Richter, Uni Stuttgart; Wolfgang Ritschl, ORF Wien; Florian Rötzer, TELEPOLIS; Dr. Frank Schubert, Spektrum der Wissenschaft; Norbert Seitz; Prof. Dr. Joachim Treusch, Jacobs-University, Bremen; Dr. Andreas Wang; Michael Wiederstein, Schweizer Monat; Prof. Dr. Harro Zimmermann; Stefan Zweifel, Schweiz

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