Berateraffäre: Von der Leyen droht Untersuchungsausschuss

Die Frisur sitzt, die Bundesverteidigungsministerin selbst nicht mehr ganz so fest (im Sattel). Foto: Mueller / MSC. Lizenz: CC BY-SA 2.0

AfD dafür, FDP und Grüne wollen noch abwarten, Linke fordern Rücktritt

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Diese Woche beschäftigte sich der Bundestag an drei Tagen hintereinander mit Ursula von der Leyens Berateraffäre (vgl. Bundesverteidigungsministerin im Zweifrontenkrieg). Im Rahmen dieser Affäre wirft der Rechnungshof dem Verteidigungsministerium vor, rechtswidrig millionenschwere Beraterverträge abgeschlossen zu haben, wie aus einem geleakten und inzwischen bestätigten Bericht vom 7. August hervorgeht (vgl. Cyberkommando: Regelwidrig 8 Millionen für externe Berater der Bundeswehr).

Besonders pikant dabei ist, dass das Bundesverteidigungsministerium dabei "häufig bestimmte Beraterunternehmen sowie Einzelpersonen explizit vor[gegeben]" beziehungsweise "gewünscht" hatte, wie der Bericht feststellt. Dem Spiegel zufolge setzte das Verteidigungsministerium seit von der Leyens Amtsantritt 2013 "wie kaum ein anderes Ministerium […] auf externe Unternehmensberater […] mit enormen Tagessätzen ". Eine besonders prominente Rolle spielte dabei die McKinsey-Partnerin Katrin Suder, die zeitweise sogar Rüstungs-Staatssekretärin war. Die externen Beratungsleistungen kosteten den Steuerzahler bis zu 150 Millionen Euro im Jahr. Vorschriftsgemäß gemeldet wurden davon lediglich 2,2 bis 2,9 Millionen.

"Neue Indizien dafür, dass die im Wehrressort tätigen Berater teilweise […] eigenständig neue Aufträge für externe Firmen generiert haben könnten"

In seinem Prüfbericht konstatiert der Rechnungshof, die Aufträge dafür seien "häufig freihändig ohne Wettbewerb" vergeben worden und die genannten Gründe dafür "nicht immer überzeugend". Offen bleibt zum Beispiel, warum man externe "Möbelberater" für die Einrichtung der Kasernen brauchte. Insgesamt hat die Bundeswehr dem Urteil der Rechnungsprüfer nach "in über 80 Prozent der betrachteten Fälle den Bedarf für die Beauftragung externer Leistungen nicht nachgewiesen".

Am Montag und Dienstag befragten die Berichterstatter dazu zwei Staatssekretäre von der Leyens und fanden der Welt zufolge trotz des Mauerns der Ministeriumsvertreter (die ihre Unterlagen nur kurz herzeigten und gleich wieder mitnahmen) "neue Indizien dafür, dass die im Wehrressort tätigen Berater teilweise […] eigenständig neue Aufträge für externe Firmen generiert haben könnten".

Eine PowerPoint-Präsentation und drei Argumente

Einen Tag später versuchte sich die Verteidigungsministerin im Verteidigungsausschuss selbst zu verteidigen - mit einer PowerPoint-Präsentation und drei Argumenten: Erstens, dass die Beträge, um die es geht, angesichts des Gesamtumfangs ihres Etats gar nicht so groß seien, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Zweitens, dass der Bedarf nach externer Beratung notwendig gewesen sei und nur Verfahrensvorschriften dazu nicht genau eingehalten wurden. Und drittens, dass man das, was der Rechnungshof bemängelte, ohnehin schon geändert habe.

Den Vertretern der Oppositionsparteien reichte das nicht, aber in unterschiedlichem Ausmaß: Am wenigsten zufrieden gewesen scheint Matthias Höhn von der Linkspartei, der gleich den Rücktritt der Bundesverteidigungsministerin forderte. Rüdiger Lucassen von der AfD will dagegen erst einmal einen Untersuchungsausschuss einsetzen, der sich damit befasst, ob "sich in von der Leyens Ministerium eine Vetternwirtschaft etabliert hat".

Auch SPD geht auf Distanz

So einem Untersuchungsausschuss ist der Bundestag dem Grünen-Vertreters Tobias Lindner nach am Mittwoch "einen Schritt näher gekommen". Ein Eindruck, den er unter anderem mit angeblichen Erinnerungslücken von der Leyens begründete. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, ließ die Verteidigungsministerin für morgen Nachmittag ins Bundestagsplenum bestellen, wo sie weitere Informationen und Dokumente herausrücken soll. "Wenn das nicht passiert", so die stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen, komme man "um einen Ausschuss nicht herum".

Damit so ein Ausschuss zustande kommt, muss ein Viertel der Abgeordneten (oder der Mitglieder im Verteidigungsausschuss) einem entsprechenden Antrag zustimmen. Dafür wären die Stimmen von beispielsweise FDP, Linkspartei und AfD ausreichend. Die Sozialdemokraten, die mit von der Leyens CDU koalieren, müssten dem Antrag deshalb nicht zustimmen, damit er erfolgreich ist. Aber auch deren Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider ging am Montag brieflich auf Distanz zur Frau mit der Drei-Wetter-Taft-Frisur.

Noch bemerkenswerter ist, dass von der Leyen der Welt zufolge "aus den Reihen der Unionsabgeordneten nur sehr spärlich Unterstützung erfährt". Das könnte daran liegen, dass aktuell nicht nur die Verteidigungsministerin selbst, sondern auch ihre Schutzherrin Angela Merkel nicht mehr so fest im Sattel sitzt wie in den vergangenen Jahren, in denen die Politikerin aus der Albrecht-Dynastie einen Skandal nach dem anderen überlebte (vgl. u. a. Sehr, sehr bedingt abwehrbereit).

Für von der Leyen folgenlos blieb beispielsweise die im Mai 2018 über einen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages bekannt gewordene Entdeckung des Bundesrechnungshofs, dass Korvetten, U-Boote und viele andere Waffensysteme nicht einsatzfähig sind, weil entweder Ausrüstungs- oder Mannschaftsteile fehlen. Ebenso wenig Konsequenzen für sie hatten die im Juni 2017 vom Rechnungshof gerügten 2,5 Milliarden Euro Steuergeld, die die gebürtige Brüsselerin beim Kauf von fünf Korvetten des Typs 130 zu viel zahlte, oder die 900 bezahlten Eurofighter-Flugstunden, die nicht genutzt wurden.

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