Streit um Prozesse gegen Ex-Regierung in Ecuador

Noch vereint: Rafael Correa und Nachfolger Lenín Moreno im April 2017. Bild: Agencia de Noticias ANDES/CC BY-SA-2.0

Will der amtierende Staatschef Moreno Vertreter der Vorgängerregierung mit Hilfe der Justiz mundtot machen?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Ecuador mehren sich die kritischen Stimmen angesichts einer Prozess- und Inhaftierungswelle gegen Mitglieder der ehemaligen Regierung.

Ex-Präsident Rafael Correa (2007-2017) warf seinem Nachfolger Lenín Moreno und Teilen der Justiz nun erneut vor, mit manipulierten Prozessen politische Fakten schaffen zu wollen. Über den Umweg der Justiz laufe ein "Rachefeldzug", die Prozesse gegen ihn und ihm nahestehende Politiker seien hochgradig fragwürdig. Der Streit zwischen den Anhängern des ehemaligen und des amtierenden Präsidenten droht das südamerikanische Land zunehmend zu destabilisieren.

Die Situation ist einigermaßen ungewöhnlich: Moreno hatte im Mai 2017 die Amtsgeschäfte von Correa übernommen. Obwohl beide Politiker der gleichen Partei, Alianza País, angehörten, vollzog Moreno nach Amtsantritt einen scharfen politischen Wandel und brach völlig überraschend mit der anti-neoliberalen Politik seines Vorgängers. Ecuador ist seither aus dem linksgerichteten Alba-Bündnis ausgetreten und hat sich der neoliberalen Pazifik-Allianz sowie den USA angenähert - eine Entwicklung, die im Westen mit Wohlwollen verfolgt wurde.

Im Zuge der innenpolitischen Auseinandersetzung hat ein Gericht in Quito Ex-Präsident Correa Mitte dieser Woche wegen der versuchten Entführung eines Oppositionspolitikers im Jahr 2012 in Kolumbien angeklagt. Es lägen ausreichende Beweise vor, um einen Prozess gegen den Politiker als mutmaßlichen Drahtzieher der gescheiterten Verschleppung des Ecuadorianers Fernando Balda zu eröffnen, so Richterin Daniella Camacho am Mittwoch in Quito.

Correa bezeichnete Anschuldigungen und Anklage als "politische Verfolgung" und kritisierte in diesem Zusammenhang auf die Inhaftierung seines damaligen Vize-Präsidenten Jorge Glas. Zudem verschwimme die Trennung zwischen Regierung und Justiz. So habe der amtierende Kommunikationsminister eine Ausreisesperre für die Mitglieder des Vorgängerkabinetts bekanntgegeben.

Der Oberste Gerichtshof Ecuadors hatte Anfang Oktober auf Initiative der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Correa sowie drei weitere Personen wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und der versuchten Entführung eingeleitet. Der ehemalige konservative Abgeordnete Balda war, nachdem er in Ecuador zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, 2012 ins Nachbarland Kolumbien geflüchtet. Dort kam es zu einem Entführungsversuch, der von der kolumbianischen Polizei verhindert werden konnte. Da offenbar Mitarbeiter des ecuadorianischen Geheimdienstes involviert waren, verhandelten beide Länder den Fall auf Regierungsebene. Kolumbien lieferte Balda an Ecuador aus, wo er seine Haftstrafe verbüßte. Im laufenden Prozess wirft er Correa vor, hinter dem Entführungsversuch gestanden zu haben.

Anfang der Woche war allerdings auch bekannt geworden, dass die internationale Polizeibehörde Interpol einen Antrag der ecuadorianischen Justiz auf internationale Fahndung nach Correa zurückgewiesen hat. Die im französischen Lyon ansässige Behörde habe ihre Entscheidung intern mit dem politischen Charakter der Anklage begründet, die den Kriterien der internationalen Polizeiarbeit nicht standgehalten habe, so Correas Anwalt Ochoa. Interpol wollte diese Meldung auf Anfrage nicht bestätigen. Man kommentiere grundsätzlich keine Anträge von einem der 192 Mitgliedsstaaten, sagte ein Sprecher.