Die ostmediterrane Gasbonanza

Im Atoll-Erdgasfeld vor Ägyptens Ost-Nil-Delta unterwegs: das ENSCO DS6-Bohrschiff, spezialisiert auf die Förderung aus großen Tiefen. BP nimmt die Dienste des Schiffs voraussichtlich für fünf Jahre in Anspruch, Kostenpunkt: mehr als eine halbe Million US-Dollar, täglich. Bild: CellsDeDells/CC BY-SA 3.0

Wer wird das Erdgasgeschäft in der Levante dominieren? - Teil 1

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Der östliche Mittelmeerraum zählt aufgrund mehrerer Faktoren zu den geopolitischen Schlüsselregionen der Welt. Die Gegend ist immer wieder Schauplatz bewaffneter Konflikte, wie etwa gerade in Syrien, wo ein ursprünglich als Bürgerkrieg deklarierter Stellvertreterkrieg tobt, bei dem es auch um den Verlauf künftiger Pipelines als Teil des Erdgasmarktes geht. Außerdem gibt es eine Reihe weiterer ungelöster Probleme mit Auswirkungen auf die Stabilität in der Region, wie den Nahostkonflikt, oder die Situation im geteilten Zypern.

Entdeckungen großer Erdgasvorkommen vor den Küsten der Anrainer schicken sich nach einer Anlaufphase nun an, die Region tiefgreifend zu verändern. Mit Ägypten, Israel, dem Libanon und Zypern könnten schon bald aus Energieimporteuren große Exporteure werden, während zwei weitere Anlieger von Hoffnungen auf eine Offshore-Gasbonanza vorerst noch ausgenommen bleiben: die Türkei und Syrien. Weiter westlich gibt man sich in Griechenland einen neuen Ruck, um auf die schon seit Jahren vor der Küste vermuteten Reichtümer an Energieträgern zu stoßen.

Noch ist nicht geklärt, wie viel Gas überhaupt in der Region vorkommt und wirtschaftlich zu fördern ist. Kursierende Zahlen zum Volumen der bisherigen Funde sind mit Vorsicht zu genießen. 2010 hatte der US Geological Survey die Menge des förderbaren Gases im Levantischen Becken (Syrien, Libanon, Israel, Gazastreifen und Zypern) auf knapp 3,5 Billionen Kubikmeter geschätzt. Die bisher nachgewiesenen Reserven bewegen sich in ihrer Summe eine Größenordnung unter denen der derzeit weltgrößten Förderer Russland, Iran, Katar oder Turkmenistan.

Beobachter sehen die einmalige Chance, dass eine gemeinsame Erschließung des Schatzes das Zeug hat, dieser permanenten Krisenregion eine friedliche Zukunft zu bescheren. Doch die aktuelle Entwicklung vor Ort hat auch weniger optimistische Aussichten für die Zukunft in petto.

Bei der Verteilung des Kuchens können Konflikte aufbrechen, die alte Rivalitäten vor Ort anheizen, Das Eingreifen auswärtiger Mächte lässt zudem neue, vorher für unwahrscheinlich gehaltene Konstellationen entstehen, die die Gegend in ein noch gefährlicheres Pulverfass verwandeln können, als sie es ohnehin schon ist.

Israels Traum: Mit Leviathan zum Netto-Gasexporteur

In Israel wurde die Offshore-Epoche um die letzte Jahrtausendwende mit den Entdeckungen der Gasfelder Noa und Mari-B im Rahmen des Yam Tethys-Projekts eingeleitet. Von Anfang an dabei: die israelische Delek-Gruppe und das US-amerikanische Unternehmen Noble Energy.

Ungefähre Lage der bekannten Erdgasfelder, LNG-Terminals und Gaspipeline-Infrastruktur in der Levante. Die East Med-Pipeline Richtung Europa soll bei Umsetzung die längste Unterwasser-Gaspipeline der Welt werden. Karte: Bernd Schröder/ QGIS

2009 kam dann die Entdeckung von Tamar mit 240 Milliarden Kubikmetern Erdgas - hier wird seit 2013 gefördert. Mari-B ist mittlerweile nahezu erschöpft und wurde umgewidmet: hier kann nun Gas von Tamar zwischengespeichert werden, je nach Marktlage. Tamars Gas bestreitet zurzeit 65% des israelischen Energiebedarfs. Das eine derartige Abhängigkeit von nur einer Quelle nicht wünschenswert ist, bekamen die Israelis im vergangenen Jahr zu spüren, als aufgrund einer Panne bei Wartungsarbeiten der gesamte Gasfluss von Tamar zum Erliegen kam. Die israelischen Kraftwerke mussten auf Diesel, Kohle oder Heizöl umsteigen - Energieträger, die als Notreserven eingebunkert sind.

2010 dann wurde Leviathan entdeckt, auf israelischer Seite das bisher größte Feld. Leviathan enthält nach Schätzungen 535 Milliarden Kubikmeter Erdgas und 34 Millionen Fass Öläquivalent an Gaskondensaten. Die Inbetriebnahme des 4-Milliarden-Dollar-Projekts hat sich verzögert - Noble Energy will nun 2019 die Förderung vor Ort aufnehmen.

Bohrinsel im Noa-Feld, vor der Küste bei Aschkelon. Noa war das erstes kommerzielle Offshore-Erdgasfeld Israels, 1999 entdeckt. Bild: Ran Arda - Uri Kfir/CC BY-SA 3.0

In Israel hofft man, dass die Erschließung von Leviathan Israel zum Netto-Gasexporteur machen wird und das Angebot im Land weiter diversifiziert. Das Feld könnte gleichzeitig eine Trumpfkarte in der regionalen Diplomatie werden.

Große Mengen Erdgas werden unter anderem als Energiequelle für die ambitionierten Meerwasserentsalzungs-Pläne des Landes benötigt (Nahostkonflikt: Kampf um das Wasser). Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat angesichts der Offshore-Funde Autarkiebestrebungen in der Energieversorgung deshalb zum Kernstück der wirtschaftlichen Agenda gemacht. Projekte unter Beteiligung internationaler Energieunternehmen genießen hohe Priorität in Israel, weitere Unternehmen drängen auf den Markt.

Bereits 2016 hatte Israel die Veräußerung der noch unerschlossenen Felder Karish und Tanin (mindestens 62 Milliarden Kubikmeter Erdgas und 32 Millionen Fass Öläquivalent an Gaskondensaten) an eine Tochter der griechischen Energean Oil & Gas genehmigt. Energean will mit seinem 1,6 Milliarden US-Dollar-Projekt bis zu 8 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr fördern. Das griechische Unternehmen kündigte des Weiteren Pläne an, eine 90 Kilometer lange Pipeline zu bauen, um das Gas in das israelische Gasnetz einzuspeisen. Die Bohrungen im Karish-Feld sollen 2019 beginnen, mit dem ersten geförderten Gas ist 2021 zu rechnen.

Israel hält unterdessen nach Abnehmern Ausschau - auch nach zunächst unwahrscheinlich anmutender Kundschaft, beispielsweise Jordanien. Nach dem Friedensvertrag von 1994 haben sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern stabilisiert, auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Im September 2016 unterzeichnete Jordanien eine von den USA vermittelte Vereinbarung über den Kauf von israelischem Erdgas über 10 Milliarden US-Dollar, sobald Leviathan ans Netz geht. Laufzeit: 15 Jahre. Zu diesem Zwecke soll Jordanien an das Pipeline-Netz des Nachbarn angeschlossen werden. Das Gas soll dann für 40% des Elektrizitätsbedarfs Jordaniens aufkommen.

Erst 2015 hatten die Jordanier zur Verbesserung ihrer Erdgasversorgung ein LNG-Terminal in Aqaba eingeweiht, das an einem Seitenarm des Roten Meeres liegt. Zum Binnentransport des Gases werden Abschnitte der 2003 in Dienst gestellten Arab Gas Pipeline genutzt, die ursprünglich Erdgas aus Ägypten unter Umgehung Israels heranführen sollte und deren Betrieb aufgrund anhaltender Versorgungsengpässe am Nil später wieder eingestellt wurde.

Ägypten: Mit pharaonischen Projekten zu einem Schwergewicht des Erdgasmarktes?

Ägypten ist für den internationalen Handel vor allem wegen des Sueskanals von Bedeutung. Er ist ein neuralgischer Engpass, vor allem für die Ströme von Energieträgern Richtung Europa. Die Kombination mit der SUMED-Pipeline, die den Kanal umgeht und das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, ist für rund 9 Prozent des täglichen Öltransports über die Weltmeere zuständig.

Doch das Land hat mehr zu bieten. Ägypten hatte zunächst am meisten von den Offshore-Erdgasfunden der vergangenen Jahrzehnte profitieren können. Die Auswirkungen des Arabischen Frühlings, das enorme Wachstum des Inlandsverbrauchs und die unerwartet frühzeitige Erschöpfung einiger Felder zwangen das Land jedoch, den Export insgesamt einzustellen und stattdessen zum Import überzugehen. Die Situation wurde zunehmend desolat: Als sich Abdel Fatah El-Sisi 2013 an die Macht geputscht hatte, gehörten Stromausfälle zum ägyptischen Alltag. Fabriken mussten schließen, Ärzte operierten im Lichtschein der Taschenlampen-Apps ihrer Mobiltelefone.

Die Entdeckung des riesigen Zohr-Gasfeldes (850 Milliarden Kubikmeter Erdgas) hat Ägypten nun wieder nach vorn katapultiert - zumindest, was die Erwartungen anbelangt. Im Februar 2018 gab BP den vorfristigen Beginn der Förderung im erst 2015 entdeckten Atoll-Feld (42 Milliarden Kubikmeter) bekannt. Ende Juni 2018 vermeldeten ägyptische Tageszeitungen die Entdeckung eines weiteren Superfelds, Noor, das im selben Konzessionsblock wie Zohr liegt und deutlich größere Vorräte an Kohlenwasserstoffen beherbergen soll - bis zum Dreifachen der vermuteten Mengen von Zohr. Und die Suche geht weiter: Allein Eni will bis 2022 mehr als 10 Milliarden US-Dollar in ägyptisches Gas investieren.

Ende September 2018 hat Ägypten medienwirksam eine vorerst letzte Flüssigerdgas-Lieferung aus dem Ausland entgegengenommen - von nun an soll es möglichst autark weitergehen. Das Land könnte so sein Jahresbudget durch die Einsparung von rund 2 Milliarden US-Dollar aus wegfallenden Erdgasimporten aufstocken. Ägypten ist jedoch weiterhin von Importen von Benzin und Diesel abhängig.

Paradox: Israel will Gas nach Ägypten liefern

Erst Anfang 2018 hatten die Ägypter ein Abkommen unterzeichnet, dem gemäß Israel Erdgas nach Ägypten exportieren wird, trotz der eigenen großen Gasreserven der nordafrikanischen Nation und trotz der heiklen diplomatischen Beziehungen beider Länder zueinander. Die ägyptische Seite hatte im Februar 2018 einer Vereinbarung zum Kauf von Gas im Wert von 15 Milliarden US-Dollar aus den Feldern von Leviathan und Tamar zugestimmt. Der Deal wird als bahnbrechend bewertet, da er nicht zuletzt eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Feinden besiegelt.

Die Ankündigung hat die ägyptische Öffentlichkeit dennoch verwirrt. Denn 2017 war noch viel über die Verheißungen von Zohr gesprochen worden, der 2015 von Eni im ägyptischen Mittelmeerraum entdeckten massiven Gaslagerstätte. Das Feld hatte bereits im Dezember 2017 mit der Produktion begonnen, und der ägyptische Ölminister Tarek El-Molla hatte in der Folge erklärt, dass Ägypten bis Ende 2018 hinsichtlich seines Gasbedarfs autark werden würde. Die ägyptische Regierung benötigte 24 Stunden, um mit einer Erklärung für diese paradoxe Situation vor die Medien zu treten: Erstens handele es sich um eine privatwirtschaftliche Vereinbarung, und zweitens sei das Abkommen Teil einer größeren Strategie, Ägypten zum regionalen Drehkreuz für Erdgas zu machen.

Und es gibt weitere Gründe: Mit den Importen kann Ägypten seine Gasverflüssigungs-Stationen entlang der Küste wieder besser auslasten. Die Stationen hatten nach der Revolution 2011 und nach anschlagsbedingten Förderausfällen wenig zu tun, da aufgrund der rückläufigen Produktion eigentlich für den Export bestimmtes Gas nun im Inland verblieb. Sie sind wichtige Infrastruktur auf dem Weg zum Knotenpunkt für den Erdgashandel mit Europa.

Beobachter sehen Ägypten auf dem Weg, ein Zentrum des internationalen Energiemarktes zu werden. Alle nötigen Zutaten scheinen vorhanden: ein guter Standort, eine entwickelte Infrastruktur für die Raffinierung, Lagerung und den Export von Öl und Gas; der Zugang zu regionalen Lieferanten und den wichtigen Märkten im Mittelmeerraum. Und das Land hat selber einen großen Bedarf: Mehr als drei Viertel des ägyptischen Stroms stammen aus Gaskraftwerken, und im vergangenen Jahr stieg der Stromverbrauch um 14%.

Einige Probleme bleiben bestehen, einschließlich der Sicherheitsbedenken auf der Sinai-Halbinsel. Fortgesetzte Anschläge auf die Infrastruktur vor Ort (2011 und 2012) hatten so auch zum Ende eines vorangegangenen Gas-Exportvertrags zwischen Ägypten und Israel und zu juristischen Scharmützeln zwischen beiden Ländern geführt. Die Vereinbarung, die 2005 unterzeichnet worden war, hätte eigentlich den jährlichen Export von 1,7 Milliarden Kubikmetern Erdgas Richtung Israel gewährleisten sollen, über eine Zeitdauer von 20 Jahren.

Die dafür genutzte Unterwasser-Pipeline vom ägyptischen Al-Arisch ins israelische Aschkelon ist jetzt seit sechs Jahren außer Betrieb. Durch sie soll nun ab März 2019 israelisches Gas in die umgekehrte Richtung strömen - nach Ägypten. Im November 2018 wurde bekannt, dass der ägyptische Projektpartner, das Unternehmen East Gas, mehrheitlich im Besitz des ägyptischen Geheimdienstes ist, an den 80% der Einnahmen von East Gas gehen werden.

Palästina: Offshore-Gas für Gaza und die Westbank - bloß wann und wie?

Das bereits um 2000 entdeckte Gaza Marine-Erdgasfeld, rund 35 Kilometer vor der Küste von Gaza gelegen, ist mit seinen geschätzten 32 Milliarden Kubikmetern Erdgasreserven zwar vergleichsweise klein, doch seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten nichtsdestotrotz ein Streitpunkt zwischen der von der Hamas dominierten Regierung in Gaza und der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, den Israelis und an der Ausbeutung interessierten Energieunternehmen.

2005 hatte die Palästinensische Autonomiebehörde eine Grundsatzvereinbarung zum Verkauf des Gaza Marine-Erdgases an Ägypten unterzeichnet, doch das Abkommen erhielt nicht den Segen aus Israel. Die Israelis wollten das Gas von Gaza nun selber, zudem forderten sie die Kontrolle aller Einnahmen der Palästinenser aus dem Geschäft, um zu verhindern, dass das Geld zur "Finanzierung von Terror" verwendet würde. Obwohl die Hamas zugestimmt hatte, die Einnahmen durch die US-Notenbank überwachen zu lassen, bestand die israelische Regierung schließlich darauf, gar keine Lizenzgebühren an die Palästinenser auszuzahlen. Stattdessen würden die Israelis Waren und Dienstleistungen im gleichen Wert liefern. Die Hamas lehnte ab, dann begann die Blockade von Gaza, die bis heute anhält. In den Augen vieler Palästinenser ist damit auch der Oslo-Friedensprozess gescheitert.

Gaza Marine war zunächst im Besitz der British Gas Group, der auch vor Israel entdeckte und in der Folge veräußerte Gasfelder mehrheitlich gehörten. British Gas wurde 2016 schließlich von Royal Dutch Shell übernommen. Der Konzern hat sich im April 2018 aus dem Gaza Marine-Projekt zurückgezogen. Shell wendet sich nun wieder verstärkt Ägypten zu.

Nach Weltbank-Schätzungen aus dem Jahre 2017 belaufen sich die Kosten für die Erschließung von Gaza Marine auf bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar. Diese könnten erheblich gesenkt werden, wenn Israel der Nutzung seiner Pipeline-Infrastruktur an Land zustimmen würde. Weltbank-Ökonomen schätzen, dass Steuern auf Einnahmen aus dem Gasverkauf in den angesetzten 25 Jahren bis zur Erschöpfung der Lagerstätte 2,7 Milliarden US-Dollar in die Kassen der Palästinensischen Autonomiebehörde spülen und damit die Abhängigkeiten von den Hilfen aus dem Ausland mildern könnten.

Das Gas wird auch für den Betrieb des Kraftwerks in Gaza benötigt, außerdem im Westjordanland, wo in Dschenin ein 450-Megawatt-Kraftwerk entsteht und ein weiteres in Hebron geplant ist. Das Kraftwerk im Gazastreifen, das zur Zeit einzige in den von den Palästinensern kontrollierten Gebieten, wird momentan noch mit Dieselkraftstoff betrieben und muss dann auf Erdgas umgerüstet werden.

Die Pläne, Gaza durch eine Pipeline mit israelischem und - bei Aufnahme der Förderung - palästinensischem Gas zu versorgen, schreiten unterdessen voran. Das Projekt Gas for Gaza (G4G) wird vom Nahost-Quartett vermittelnd koordiniert, einer Partnerschaft, die sich aus Vertretern der Vereinten Nationen, der EU, den USA und Russland zusammensetzt. Die Pipeline soll Gaza ab 2021 mit Gas versorgen - so zumindest der Plan.

Anfang 2014 hatte Delek einen Vertrag mit der Palästinensischen Autonomiebehörde unterzeichnet, um Gas ins Westjordanland zu liefern, sobald Leviathan mit der Produktion beginnt.

Ob das Vorhaben einer eigenständigen palästinensischen Gasförderung tatsächlich in absehbarer Zeit umgesetzt wird, bleibt fraglich. Denn in israelischen Sicherheitskreisen hält sich nach wie vor die Auffassung, dass die Voraussetzung dafür nur die Entmachtung der Hamas im Gazastreifen sein kann.

Libanon und Israel: Säbelrasseln am Block 9

Bei einer Fernsehansprache in Beirut im Februar 2018 hatte der Generalsekretär der Hisbollah, Sayyed Hassan Nasrallah, Israel erneut aufgefordert, Ansprüche auf ein umstrittenes Gebiet vor der südlibanesischen Küste zurückzunehmen. Er untermauerte sein Anliegen mit der Drohung, die Hisbollah könne binnen Stunden die israelischen Offshore-Anlagen lahmlegen.

Denn der Streit um mögliches Gas unter dem Meeresgrund vor der Küste ist in diesem Jahr erneut aufgeflammt, als der Libanon Konzessionsblock Nummer 9 zur Erschließung durch ein internationales Konsortium von Energieunternehmen ausgeschrieben hatte. Israel hatte zuvor darauf gedrungen, wichtige Bereiche des Blocks international als innerhalb seiner rechtmäßigen Hoheitsgewässer liegend anerkennen zu lassen, doch der Verlauf der Seegrenzen, die die ausschließlichen Wirtschaftszonen beider Länder trennen, ist umstritten. Außerdem hatten die Israelis Unternehmen vor einer Teilnahme an der von den Libanesen geplanten Erschließung gewarnt.

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hatte im Januar 2018 das Vorgehen des Libanons als Provokation bezeichnet. Die Libanesen zeigten sich ungerührt. Die Hisbollah hat Block 9 mittlerweile zu einem ihrer Schlüsselthemen gemacht.

Obwohl sich Israel und der Libanon nach der letzten größeren israelischen Invasion im Jahr 2006 technisch immer noch im Krieg befinden, will der Libanon die Erkundung nun ohne weiteres Zögern vorantreiben. Im Februar 2018 unterzeichnete Präsident Michel Aoun entsprechende Verträge: mit Vertretern von Italiens Eni, Frankreichs Total und Russlands Novatek.

Teil 2: Gasfunde im östlichen Mittelmeerraum: Wohlstandsträume mit Konfliktpotential