Die syrischen Superreichen und die Bevölkerung

Olivenhaine im Westen Syriens. Bild: High Contrast / CC BY 3.0 DE

Das "unpolitische Element": 80 Prozent der syrischen Bevölkerung leben unter der Armutsschwelle

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Mehr als 80 Prozent der syrischen Bevölkerung leben unter der Armutsschwelle; mehr als die Hälfte, 55 %, sind arbeitslos, berichtet Danny Makki. Die harten Auswirkungen des Krieges auf die Lebensumstände der verarmten Bevölkerung führen seinen Beobachtungen nach zu Spannungen und Unzufriedenheiten bis hinein in die Reihen der Assad-Treuen.

Kluft zwischen Kriegsgewinnern und der verarmten Bevölkerung

Unübersehbar spricht Makki damit ein politisch heikles Thema an. Es ist ein Gelände, das zwischen einfachen auf dogmatischen Stützpfeilern errichteten Lagerbauten liegt. Ausgerichtet sind diese an der Frage, ob das "neue Syrien" besser mit oder ohne Baschar al-Assad gestaltet wird.

Daran knüpfen sich politische Haltungen, an deren Grundpositionen sich größtenteils auch die Berichterstattung orientiert: "Al-Assads Regierung ist ein Verbrecherregime; er und seine Getreuen müssen abgelöst worden" oder "Al-Assad ist die weniger schlechte Lösung, Hauptsache Damaskus wird nicht von Dschihadisten oder Islamisten regiert."

Danny Makki ist ein freier Journalist. Das Spektrum der Medien, die sich auf seine Informationen berufen oder Beiträge veröffentlichen, reichen von Sputnik bis Open Democracy. Sein Bericht über die schlimmen wirtschaftlichen Folgen des jahrelangen Konflikts in Syrien erscheint beim US-Think-Tank Middle East Institute (MEI).1

Der Journalist, der aus Damaskus stammt, macht in seinem Bericht auf die große Kluft zwischen der Elite, den Kriegsgewinnern und der verarmten Bevölkerung aufmerksam. Während vor Beginn der kriegerischen Konflikte in Syrien im Jahr 2011 noch 80 Prozent der syrischen Wirtschaft von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt gewesen sei, zeige sich sieben Jahr später eine Verschiebung der Gewichte.

Die Business-Elite

Nun werde der größte Teil des syrischen Vermögens von Business-Netzwerken kontrolliert. Diese seien mit umstrittenen Persönlichkeiten wie Rami Makhlouf und Samer al-Foz verbunden. Beide seien zu großen Playern in der Wirtschaft geworden, mit Holdings, die von Zuckerraffinierien, Stahl, Pharmazieprodukten und Immobilien reichen, so Danny Makki.

Der erstgenannte ist mit Baschar al-Assad verwandt. Seine Tante war Ehefrau des Vaters von Baschar al-Assad. Er gehört zu den Superreichen in Syrien. Informationen über sein Imperium ist an vielen Stellen im Netz zu finden, auch bei WikiLeaks. Seine Holdings sind auf The New Arab in einem knappen Überblick dargestellt. Dort erfährt man auch, dass der Name Rami Makhlouf bei den Enthüllungen zu den "Paradise Papers" auftauchte.

Die SZ berichtete ausführlich über seine Verstrickungen in den "Panama-Papers"-Konstruktionen, die es gestatteten, über "diskrete Wege" die Syrien-Sanktionen zu umgehen. Rami Makhlouf steht auf der EU-Sanktionsliste.

Samer al-Foz ist "prioritäres Ziel von US-Sanktionen", berichtet der Syrian Observer im August dieses Jahres. Dort erfährt man über die bemerkenswerte Geschäftsbeziehung des Syrers zum saudi-arabischen Prinzen Al-Walid bin Talal, dem er Anteile des Vier-Jahres-Zeiten-Hotels in Damaskus abkaufte. Im August widmete auch das Wall Street Journal Samer al-Foz eine Geschichte über dessen wirtschaftlichen Erfolg während der Kriegsjahre.

"Vier Jahre lang überhaupt keine Konkurrenz"

Danny Makki behauptet, dass nun geschätzt 75 Prozent der syrischen Wirtschaft in den Händen einer Business-Elite seien, die wie al-Foz dem Wall Street Journal gegenüber äußerte, "vier Jahre lang überhaupt keine Konkurrenz hatte". Einiges von Gewinnen floss in die Verstärkung der Verteidigung, regierungstreue Milizen wurden angeblich damit bezahlt.

Dies kontrastiert Makki mit der wirtschaftlich bitteren Lage der Bevölkerung. Die Preise seien um das Zehnfache seit 2010 gestiegen, das syrische Pfund habe enorm verloren. Während man im Jahr 2010 noch einen Dollar für 44 syrische Pfund bekam, müsse man im November 2018 dafür 512 Pfund berappen (Ergänzung: Ein syrischer Bekannter präzisiert: "2016 bekam ich für einen Dollar 650 syrische Pfund; 2017 immerhin noch 550 SP, im Mai 2018 jedoch nur noch 450 SP").

Diese Kluft, so das Resumée Makkis, bedeute einen nicht haltbaren Zustand. So lange Arbeitsplätze rar sind (Einfügung: Andere Boebachter teilen zumindest aus Damaskus andere Eindrücke mit) und die Entlohnung spärlich, werde sich Ärger gegenüber der Regierung in Damaskus aufbauen. Diese könne nicht unendlich lange auf den Kriegszustand verweisen, um ausbleibende Verbesserungen zu entschuldigen.

Dieses "unpolitische Element" des Konflikts werde immer mehr in die Aufmerksamkeit rücken. Die Unzufriedenheit in Regionen, die von der Regierung kontrolliert werden, werde ansteigen, bis es deutliche Verbesserungen in der Lebensqualität gebe und die Korruption eingedämmt werden kann.