Der Haushaltsstreit zwischen der EU und Italien spitzt sich zu

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Nachdem die italienische Regierung keine Modifizierungen vorgenommen hat, werden die Drohungen gegen Rom lauter und die Lage gefährlicher

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Auf ihre Antwort hatte die italienische Regierung lange warten lassen. Der Brief aus Rom traf in Brüssel bei der EU-Kommission erst am Dienstag kurz vor Mitternacht ein, also kurz bevor die Frist abgelaufen war, innerhalb derer Brüssel Korrekturen an Rom an den Haushaltsplänen vornehmen sollte.

Doch die italienische Regierung lenkte nicht ein und erklärte, man werde an der geplanten Neuverschuldung von 2,4% festhalten. Das sei allerdings eine "unüberschreitbare Grenze", hatte Finanzminister Giovanni Tria mitgeteilt. Er sagte "Korrekturen" zu, wenn Daten zeigen sollten, dass das angestrebte Defizitziel überschritten wird. Er mahnte "Flexibilität für besondere Ereignisse" an.

Die EU-Kommission hatte dagegen deutliche Korrekturen am Budget verlangt und von einer "beispiellose Abweichung von den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes" gesprochen.

Schon bevor der Brief bei der EU-Kommission ankam, wusste die aber längst, welche Haltung die italienische Regierung einnehmen würde. Dass der Brief, weil er erst kurz vor Fristablauf einging, als "Provokation" zu werten sei, ist daher ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Und der Titel eines Artikels der Luzerner Zeitung macht wenig neutral zudem deutlich, wo der alleinige Schuldige in der Schweiz verortet wird: "Italien lässt Haushaltsstreit eskalieren."

Mit breiter Wucht gegen die italienische Regierung

Schon am Dienstagabend hatte Vize Regierungschef Luigi di Maio erklärt, dass es keine Veränderungen geben werde: "Es ist unsere Überzeugung, dass dieser Haushalt das ist, was das Land braucht, um wieder auf die Beine zu kommen". Er fügte nach einer Kabinettssitzung der Regierung an, es sei "selbstmörderisch" den Vorgaben der EU nachzukommen, denn das "würde uns in die Rezession führen". Auf dem Weg dahin ist das Land schon, es stagniert wieder.

Auch der Beitrag der Deutschen Welle, die den Vizepremier zitiert, ist parteiisch übertitelt. Denn es heißt darin, dass Italien "auf Kollisionskurs mit Brüssel" bleibe. Bestätigt wurde der Kurs der Regierung am Mittwoch auch noch vom zweiten Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini:

Wir haben eingesehen, dass die von Brüssel befürworteten Budgetpläne der letzten fünf Jahre Italien nicht gut getan haben und wir haben beschlossen, einen anderen Weg zu gehen.

Matteo Salvini

Rom würde das Recht der Italiener auf Sicherheit, Arbeit und Gesundheit verteidigen. "Wir bewegen uns um keinen Millimeter", bekräftigte Salvini. In den Zeitungen aus Österreich, die ihn entsprechend zitieren, wird aber deutlich neutraler als in Deutschland oder der Schweiz getitelt, dass Italien "hart bleibe" oder "Brüssel weiter die kalte Schulter" zeige, womit keine klaren Schuldzuweisungen vorgenommen werden.

Es sieht so aus, als ob Medien in Deutschland und der Schweiz einfach nur die Wortwahl von konservativen Politikern übernommen haben. "Die italienische Regierung provoziert die Eskalation", meinte zum Beispiel Markus Ferber (CSU). Der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Volksparteien im Europaparlament (EVP) meinte, die EU Kommission dürfe keinesfalls klein beigeben.

"Sollte Rom mit diesem Affront durchkommen, bedeutet das das Ende des Stabilitäts- und Wachstumspakts", so Ferber. Er wirft Italien vor, dass die Budgetplanungen von zu "rosigen Annahmen" ausgehen und sie zudem "gravierende Rechenfehler" beinhalten würden.

Maßlose Übertreibungen

Sein Parteifreund Manfred Weber übertreibt maßlos, wenn er erklärt. "Italien kann jetzt nicht Haushalte vorlegen, die dann die ganze Eurozone in Gefahr bringen." Vielleicht sollte man dem Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), der sich Hoffnungen darauf macht, EU-Kommissionspräsident zu werden, zwischenzeitlich einmal erklären, dass sowohl die 2,4 Prozent Defizit als auch die Annahmen von Ferber im Rahmen des Stabilitätspakts liegen.

Denn der fordert eine Neuverschuldung unter 3%. Interessant ist, dass Weber nun andere Länder, die unter der Austeritätspolitik gelitten haben, dazu auffordert, mit Rom hart ins Gericht zu gehen. "Ich würde mir wünschen, dass beispielsweise der griechische Premierminister, der spanische Premierminister, der portugiesische Premierminister mal Klartext reden mit ihren italienischen Freunden", sagte der CSU Politiker in den Tagesthemen.

Warnungen und Strafen

"Die Realitäten werden Italien schnell einholen", fügte Weber an. Ohne es auszusprechen, drückte auch er damit die Hoffnung aus, dass Märkte das Land mit steigenden Zinsen "zur Vernunft" bringen. Diese Hoffnung macht sich, neben direkten Sanktionsdrohungen, immer stärker breit. Telepolis hatte darüber berichtet, dass der ehemalige Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem in diese Kerbe schlug, was die italienische Regierungspartei Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) als einen "Finanzstaatsstreich" wertet.

Während Dijsselbloem das ebenfalls nicht klar und deutlich ausgesprochen hat, werden andere deutlicher. So hat der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, erklärt, dass er davon ausgeht, dass die Märkte Italien zur Vernunft bringen werden. Er nimmt an (oder hofft er darauf?) "dass die Ratingagenturen Italien weiter abstufen" und sich damit die "Risikoprämien für Italien erhöhen werden".

Das ist ungefähr auch die Konsequenz aus den Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi, der plötzlich im Fall seines Heimatlandes nicht eingreifen will, obwohl das die EZB lange Jahre gemacht hat, um den Euro nicht in Gefahr zu bringen.

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sagte im Deutschlandfunk, die Vorgaben aus Brüssel würden die Regierung in Rom "nicht wirklich furchtbar interessieren". Doch auch er schiebt eine sehr deutliche Warnung nach angesichts des Schuldenbergs von 2,3 Billionen Euro, den Italien inzwischen angehäuft hat. Die italienische Regierung werde "am Ende sehen, dass die Zinsen, die sie zu zahlen haben, höher werden".

Um die Drohungen zuzuspitzen, fügt Hüther an, dass Italien für eine Rettung zu groß sei. Er sagt ein gefährliches Experiment vorher: "Das ist von der Größe her einfach nicht möglich und insofern werden wir den Test erleben, wie es wird, wenn die Kapitalmärkte die Anpassung erzwingen." Dabei fabuliert er dann auch "Solidaritätsanleihen der Bürger" und damit eine "finanzielle Repression" herbei.

Die Bürger, die jetzt alle noch glauben, dass sie mit einem guten Regierungspartner unterwegs sind, werden sehen, dass sie in relativ kurzer Zeit mehr dafür zahlen müssen.

Michael Hüther

Jetzt fragt man sich, um auf die Aussagen von Weber zurückzukommen, wer hier tatsächlich die Eurozone in Gefahr bringt. Dieser Haushalt Italiens ist jedenfalls dazu nicht geeignet. Aber ein Crash in Italien ist sehr wohl dazu fähig. Das weiß auch der CSU-Politiker, der ja anders als Dijsselbloem sehr wohl die Dominoeffekte in anderen Ländern erkennt und sie nicht wie der ehemalige Chef der Eurogrupp absurd abstreitet und nur eine "Implosion" Italiens sehen will.