USA planten geheime Anklage gegen Julian Assange

Julian Assange im April 2016 mit dem damaligen UN-Sonderbotschafter Maina Kiai in der ecuadorianischen Botschaft in London. Bild: Maina Kiai/CC BY-2.0

Entlarvender Passus wurde durch Kopierfehler in einer anderen Anklageschrift veröffentlicht

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Das US-Justizministerium hat eine Anklage gegen den Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks vorbereitet. Das geht aus Gerichtsakten hervor, die ein Blogger veröffentlicht hat, berichtet die New York Times. Das Blatt bezeichnet die Entwicklung als "dramatische Eskalation in dem jahrelangen Kampf der US-Regierung gegen Assange und die Enthüllungsgruppe".

Bislang war nicht klar, ob die US-Strafverfolgungsbehörden Assange anklagen wollen. Der unlängst geschasste Justizminister Jeff Sessions hatte die Verfolgung von Assange zwar zur Priorität der Regierung erklärt, Details waren aber nicht bekanntgeworden. Öffentlich wurde der Schritt der US-Justiz nun durch ein Versehen bei der Ausarbeitung der Anklageschrift wegen Sexualdelikten gegen einen Mann namens Seitu Sulayman Kokayi. Auf der zweiten Seite erwähnt die Staatsanwaltschaft unvermittelt, dass die Klage gegen Assange "aufgrund der Raffinesse des Angeklagten und des öffentlichen Interesses an dem Fall" vertraulich behandelt werden sollte.

"Fehlerhaft" sei der Schriftsatz gewesen, gestand der Sprecher der Staatsanwaltschaft im östlichen Verwaltungsbezirk von Virginia, Joshua Stueve, ein. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, Assanges Namen zu nennen. Die New York Times vermutet, dass die Verfasser des Schriftsatzes aus der bislang geheimen Assange-Akte aus Bequemlichkeit Textpassagen kopiert und das bislang vertraulich behandelte Vorgehen gegen den Wikileaks-Gründer damit publik gemacht haben.

Assange hatte sich im Sommer 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet, um eine Auslieferung an die USA zu vermeiden. Damals sah er sich zudem einer Anklage wegen Vergewaltigung ausgesetzt, die 2017 fallengelassen wurde. Das Bekanntwerden der Anklage in den USA zeigt, dass er beim Verlassen der Botschaft Ecuadors wohl verhaftet und in die USA ausgeliefert würde. Damit erhöht sich auch der Druck auf die neue Regierung unter Präsident Lenín Moreno in Ecuador, die Assange zuletzt auf die Straße setzen wollte.

Bereits im Juli hatten Gerüchte die Runde gemacht, nach denen Assange an die britischen Behörden ausgeliefert werden könnte. Die Chefredakteurin des russischen Auslandsenders RT, Margarita Simonyan, und der US-Journalist Glen Greenwald vom Investigativ-Portal The Intercept bestätigten diese Möglichkeit damals. Bei einer Auslieferung an Großbritannien bestünde eine reale Gefahr, dass die US-Regierung unter Präsident Donald Trump versucht, des Australiers habhaft zu werden, um ihn wegen der massenhaften Veröffentlichung von Geheimdokumenten unter anderem zum Irak-Krieg anzuklagen.

Laut Greenwald hat Ecuadors Präsident Lenín Moreno bereits vor einem Besuch in Großbritannien und Spanien im Juli eine bilaterale Vereinbarung mit der Regierung von Premierministerin Theresa May verhandeln lassen, um die Übergabe Assanges zu regeln. Der Bericht bei The Intercept berief sich auf eine anonyme Quelle, "die dem ecuadorianischen Außenministerium nahesteht" (Wirft Ecuador Assange aus der Botschaft in London?).

Die Enthüllung der Anklage gegen Assange in den USA kommt inmitten der Arbeit von US-Sonderermittler Robert S. Mueller. Der Jurist ist damit beauftragt, mögliche Verbindungen zwischen Donald Trump und dem mutmaßlichen Einfluss Russlands auf den US-Wahlkampf 2016 zu untersuchen. Wikileaks hatte damals tausende E-Mails der Demokraten veröffentlicht und ihnen damit im Wahlkampf geschadet. Die New York Times geht davon aus, dass die E-Mails vom russischen Geheimdienst im Zuge einer Kampagne zur Wahlbeeinflussung gestohlen wurden. Würde Assange nun wegen der Publikation von Daten angeklagt, die von allgemeinem Interesse für die Öffentlichkeit sind, so hätte dies dennoch einen erheblichen Einfluss auf die Freiheit der Presse, warnt die New York Times.