Eine europäische Verteidigungsarmee muss nicht teuer sein

Armata T-14 bei der Siegesparade 2016. Bild: mil.ru

Neuerdings wird wieder über eine eigenständige europäische Verteidigungsarme nachgedacht. Neue Technologien ermöglichen die Verteidigung für einen Bruchteil der Kosten einer Angriffsarmee

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Insulting" - (beleidigend oder unverschämt) - so hat US-Präsident Donald Trump scharf auf die Idee einer "echten europäischen Armee" reagiert, die der französische Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagen hat.

Erst einige Monate zuvor hat er noch mehr "Verteidigungsanstrengungen" von den europäischen Partnern verlangt, mindestens 2% des Bruttosozialprodukts sollen für Rüstung ausgegeben werden, sonst zieht sich Amerika aus Europa zurück.

Jetzt machen die Europäer scheinbar Ernst und zeigen dem Trump den Stinkefinger.

In seiner Analyse der Situation kommt Eric Margolis zu dem Schluss, dass Europa ohnehin immer noch eine von den Amerikanern besetzte Kolonie ist und auch entsprechend behandelt wird.

Große Teile Europas sind nach wie vor militärisch von den USA besetzt. Erstaunlicherweise verfügt die Europäische Union, die wichtigste Wirtschaftsmacht der Welt, nur über eine sehr geringe Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Stattdessen betreiben und finanzieren die USA den Löwenanteil der NATO. So wie im alten Kalten Krieg der Warschauer Pakt von Moskau aus gesteuert wurde, so wird die NATO von Washington aus geführt und ist ein wichtiger Bestandteil der Weltmacht der Vereinigten Staaten von Amerika.

Nationen, die keine eigenen Streitkräfte haben, haben sehr wenig Souveränität. Costa Rica ist eine charmante Ausnahme. Großmächte wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland müssen einen guten Teil ihrer eigenen Streitkräfte kommandieren oder sich zu einer gemeinsamen Streitmacht zusammenschließen. Das ist es, was Merkel und Macron zu Trumps Empörung vorschlugen.

Eric Margolis

Schon 2015 machte die Videoaufzeichnung eines Vortrags von George Friedman, Chef eines der führenden Think-Tanks der USA, vor dem Chicago Council on Global Affairs im Netzt Furore, dass das primäre Interesse der USA seit 100 Jahren darin besteht, Deutschland und Russland auseinander zu halten:

Das primäre Interesse der USA, wofür wir seit einem Jahrhundert die Kriege führen - Erster und Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg - waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es immer, sicherzustellen, dass das nicht eintritt.

George Friedman

Insofern verwundert es auch nicht, wenn in den Medien und von der Nato in den letzten Jahren auffallend häufig von der "russischen Bedrohung" gesprochen wird, der wir ohne die Hilfe der Amerikaner ausgesetzt wären.

Aber wie sähe die denn eigentlich aus?

Es ist vor allem die russische Panzerarmee, die uns hier in Europa bedrohen könnte. Die Russen haben gerade einen neuen Kampfpanzer entwickelt, den Armata T-14, der selbst dem deutschen Leopard 2 im Kampf wahrscheinlich überlegen ist. Bis 2020 sollte die russische Armee mehr als 2000 Stück davon erhalten. Im neuen Haushalt des Kreml sind jedoch erst einmal einige Probestücke vorgesehen, Das Rückgrat der russischen Armee bleiben also weiterhin die modernisierten T-72 und T-90 Panzer aus dem letzten Jahrhundert. Davon allerdings einige Tausend.

Die Bundeswehr hat aktuell noch nicht einmal 300 einsatzbereite Kampfpanzer Leopard 2, will den Bestand jetzt aber etwas aufstocken. So ein Panzer kostet drei bis sieben Millionen Euro.

Ist es noch sinnvoll Panzerarmeen in den Kampf zu schicken?

Im letzten Jahrhundert wurden Kampfhubschrauber entwickelt. Nur wenige Kampfhubschrauber konnten einer ganzen Panzerdivision den Garaus machen. In Zukunft werden es Schwärme von billigen Kampf- oder Selbstmorddrohnen sein, die man einer Panzerarmee entgegenschicken kann.

Die "Intelligenz", die solche Schwarmroboter benötigen, passt inzwischen in ein Smartphone, einschließlich Kamera und Kommunikationsnetzwerk. Bei Massenproduktion werden derartige Schwarmroboter zur Panzerabwehr einige tausend oder zehntausend Euro kosten. Aber wenn man damit dann Panzer vernichten kann, die einige Millionen kosten, dann ist das ein extrem lohnendes Abwehrmittel.

Die Robotertechnologie ermöglicht auch ganz neue Strategien in der Abwehr. So könnten "Roboterhunde", wie sie derzeit von Boston Dynamics entwickelt werden, ausgerüstet mit 2 oder 4 Panzerabwehrraketen, sich im Gelände verstecken und tagelang auf eine anrückende Panzerarmee warten, ohne sich durch Wärme- oder Funkemission zu verraten. Denn sie sind durch AI weitgehend autark, batteriebetrieben und brauchen für die Sensoren nur wenige Milliwatt Leistung.

Auch die Lufthoheit kann im Zeitalter der Schwarmintelligenz mit Roboterdrohnen relativ leicht verteidigt werden.

Kampfflugzeuge wie die F-35 kosten inzwischen an die 100 Millionen oder mehr. Wie der Erfolg der russischen S-300 und S-400 in Syrien zeigt, reicht schon heute ein Raketenabwehrsystem, bei dem eine Abwehrrakete vielleicht einige zehntausend Euro kostet, zur Luftabwehr vollkommen aus. Und die Entwicklung der Hyperschalltechnik ermöglicht neue Verteidigungswaffen, die nicht nur Panzerarmeen praktisch obsolet machen, sondern auch Kampfflugzeuge. Das sind Waffen aus dem letzten Jahrhundert. Einem Schwarm von intelligenten Hyperschallraketen ist jedes Kampfflugzeug fast hoffnungslos ausgeliefert.

In letzter Zeit sind Kampfroboter zunehmend in den Focus der Aufmerksamkeit gerückt. So sind dem amerikanischen Drohnenkrieg bereits mehrere tausend Zivilisten zum Opfer gefallen und es gibt Stimmen, wie den Sprachwissenschaftler und Philosophen Noam Chomsky, der den Drohnenkrieg als "mörderischste Terror-Kampagne der Gegenwart" bezeichnet.

Neben den Drohnen gibt es aber auch schon sehr viele landbasierte Kampfroboter. Viele davon sind schon einsatzfähig und wurden beispielsweise von den Russen in Syrien im Nahkampf auch eingesetzt.

Aber vielleicht ist die Entwicklung von Kampfdrohnen und anderen automatischen Kriegsmaschinen nicht nur ein Fluch.

Vor allem eins macht mir bei der Entwicklung von Kampfrobotern doch Hoffnung: Die neue automatische Kriegsführung führt dazu, dass es sehr viel einfacher und preiswerter ist, eine Verteidigungsarmee aufzubauen, als eine Angriffsarmee. Denn um ein Land zu besetzen, braucht man auf absehbare Zeit immer noch Menschen. Und die muss man auch im Zeitalter der Kampfroboter dann doch in Schützenpanzern oder Flugzeugen transportieren.

Ich habe schon vor über 10 Jahren vor der Entwicklung der automatischen Kampfroboter gewarnt: An der Schwelle zum automatischen Krieg. Leider glaube ich derzeit nicht, dass sich die Entwicklung zu automatischen Kriegsmaschinen aufhalten lässt. Zumindest nicht in der derzeitigen politischen Lage. Solange wir nicht begreifen, dass wir alle Teil der Menschheitsfamilie sind, werden wir immer weiter in die Gewaltspirale trudeln und Opfer des "Teile und Herrsche"-Spiels der Eliten.

Es braucht tatsächlich einen globalen Bewusstseinswandel der Menschheit – zu begreifen, dass wir alle auf einem kleinen Planeten in den unendlichen Weiten des Alls reisen und nur gemeinsam die kommenden Probleme mit 10 Milliarden Menschen bewältigen können. Denn wenn wir so weitermachen, werden bald auch Kampfroboter entwickelt, die die Menschen komplett ersetzen und dann auch beherrschen werden.