Zuzug von Fachkräften: Die gewünschte Einwanderung

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Bis Ende des Jahres will das Kabinett über einen Gesetzesentwurf entscheiden. Er sieht Lockerungen bisheriger Regelungen vor. So soll die Vorrangigkeitsprüfung wegfallen

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Einstmals war "Einwanderungsgesetz" ein politisches Reizwort in Deutschland. Die Union weigerte sich grundlegend anzuerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist: "Wir waren nie ein Einwanderungsland und wir sind’s bis heute nicht", sagte Wolfgang Schäuble 2006 und "nahm damit ein Bekenntnis der Ära Kohl auf", wie es in einem Bericht aus dem letzten Jahrzehnt heißt.

Angela Merkel änderte dies, 2015; nicht im Herbst, sondern im Frühjahr sagte sie, was "alle ahnten, aber nicht zu sagen wagten" (FAZ): "Wir sind im Grunde schon ein Einwanderungsland." Die Veranstaltung, auf der sie die "historischen Worte" äußerte, hatte übrigens zum Motto: "Gut leben in Deutschland - Was uns wichtig ist".

Seither hat sich einiges bewegt. Zu sehen ist das auch daran, dass auch der CSU-Innenminister Seehofer mit einem Lächeln fotografiert wird, wenn es um das Zuwanderungsgesetz geht. Anfang Oktober wurden die ersten Eckpunkte bekannt und mit einem Foto der offenbar über ihre Einigung erfreuten Minister für Arbeit, Wirtschaft und Inneres illustriert.

Bei Hubertus Heil, Peter Altmaier und Horst Seehofer herrscht prinzipiell Einigkeit darüber, dass die deutsche Wirtschaft Fachkräfte braucht, die von Drittstaaten kommen müssen, da die Lücken weder mit deutschen noch mit EU-Fachkräften zu füllen sind. Es gibt nicht nur die Forderung von links, wonach Deutschland für Migranten offener sein soll. Die Frage ist nur für wen und wie die Regeln dazu aussehen sollen.

Da sich die Koalition nach dem Streit darüber, ob Asylsuchende an der Grenze zurückgeschickt werden dürfen und über die Personalie Maaßen beinahe zerbrochen wäre, wollte man sich der Sacharbeit widmen.

Arbeitsvertrag und "eine anerkannte Qualifikation"

Laut SZ hat dies in den drei genannten Ministerien dazu geführt, dass ein Referentenentwurf für ein Gesetz zum Zuzug von Fachkräften ausgearbeitet wurde, der noch in diesem Jahr dem Kabinett vorgelegt werden soll. Der Zeitung liegt der Entwurf vor, sie zitiert daraus zentrale Punkte. Geprägt ist das Gesetz von Erwartungen der Wirtschaft, die eine Lockerung für qualifizierte Beschäftigte aus Nicht-EU-Staaten fordern und der Erfahrung, dass Deutschkenntnisse sehr wichtig sind.

So soll die Vorrangigkeitsprüfung bei gleicher Qualifikation für EU-Bürger entfallen. Die Berufsausbildung wird als Kriterium höher eingestuft. Allerdings formuliert der Entwurf in diesem Zusammenhang eine Voraussetzung, die von der Zeitung als schwieriger "Knackpunkt" herausgestellt wird, nämlich "die Feststellung der Gleichwertigkeit der Qualifikation". Die Anerkennung von ausländischen Berufsausbildungen sei mühsam.

Laut Entwurf dürfe künftig im Prinzip jeder in Deutschland arbeiten, der einen Arbeitsvertrag und "eine anerkannte Qualifikation" vorweisen kann, wie die SZ aus dem Papier berichtet. Bislang kamen nur Fachkräfte mit Hochschulabschluss in den Genuss eines leichteren Zugangs.

Erleicherungen auch für Arbeitssuchende

Auch die Engpassregelung, wonach vorzugsweise Bewerbern für bestimmte Berufe, welche die Bundesagentur für Arbeit ermittelt, der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ermöglich werden soll, entfällt. Erleichtert wird außerdem der Zugang für Personen aus Drittstaaten, die noch keinen Arbeitsvertrag haben, sondern sich auf Arbeitssuche begeben wollen. "Fachkräfte können sowohl einen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung als auch eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche erhalten".

Als Höchstdauer für den Aufenthalt werden für die Arbeitssuchenden aus Nicht-EU-Ländern sechs Monate anvisiert. Vorausgesetzt wird, dass sie gut genug Deutsch sprechen und dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.

Auch für diejenigen, die noch keine in Deutschland anerkannte berufliche Qualifikation vorweisen können, sieht der Entwurf die "begrenzte Möglichkeit" eines Aufenthaltstitels "unter bestimmten Bedingungen" vor, der an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die Qualifikation nachgereicht wird. Die SZ erklärt:

Das bedeutet: Qualifizierte Ausländer können einreisen, womöglich schon eine Nebentätigkeit beginnen - und sich parallel dazu ihre Qualifikationen aus der Heimat anerkennen lassen. Auch "Anpassungs- oder Ausgleichsmaßnahmen" sollen möglich sein, also das Füllen von fachlichen Lücken. Auch hier sind Sprachkenntnisse Voraussetzung.

SZ

"Ausbildungsduldung" und "Beschäftigungsduldung"

Auch anerkannte Flüchtlinge und Asylsuchende werden in dem Entwurf zum Zuwanderungsgesetz einbezogen, bei der "Ausbildungsduldung" und der "Beschäftigungsduldung". Flüchtlinge sollen während ihrer Lehre nicht abgeschoben werden und nach dem Abschluss noch zwei Jahre hier arbeiten dürfen. Das soll künftig auch für anerkannte Helferausbildungen gelten. Für die sogenannte "3 plus 2 Regelung" sollen anders als bisher bundeseinheitliche Standards gelten.

Die Beschäftigungsduldung zielt auf gut integrierte Flüchtlinge, deren Abschiebung nur ausgesetzt ist, die aber gut integriert sind. Ihnen soll der Aufenthalt bis zu zwei Jahren gestattet werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Die Betroffenen sind seit einem Jahr geduldet, seit eineinhalb Jahren mit mindestens 35 Wochenstunden sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sprechen gut genug Deutsch und können ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Gemeint ist damit aber nur ihr eigener Lebensunterhalt - also nicht auch noch der ihrer Kinder und Angehörigen.

SZ

Einige Punkte dürften zu Diskussionen führen. Generell dürfte das Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte der Skepsis ausgesetzt sein, dass versucht wird, über diesen Weg an billigere Arbeitskräfte zu kommen.

Bedarf an Fachkräften

Dass es zum Bedarf von Fachkräften unterschiedliche Anschauungen und größere regionale Unterschiede gibt, wurde zum Beispiel gestern in der Wirtschaftswoche angesprochen. Dort wird dem beklagten Mangel an Fachkräften die Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit entgegengesetzt, wonach es angesichts von 1,2 Millionen arbeitslosen "Fachkräften, Spezialisten und Experten" keinen allgemeinen Fachkräftemangel in Deutschland gebe.

Demgegenüber gestellt wird, dass zwei Drittel von 180 befragten "Finanzvorständen" von Unternehmen sagten, dass der Fachkräftemangel am stärksten und besonders dramatisch im Technologie-IT-Bereich sei. Neben der IT-Branche wird in Medienberichten öfter die Pflege genannt (vgl. Übersicht des Instituts der deutschen Wirtschaft).