Angebliche Giftgasangriffe aus Idlib auf Aleppo

Bild: Sana

Wie auch bei früheren Vorfällen sind die Berichte schwer zu beurteilen, Syrien und Russland machen HTS und die Weißhelme verantwortlich, die vom Westen unterstützt würden

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Nach dem angeblichen Giftgasanschlag in Vororten von Aleppo steht der Westen vor einem Dilemma. Unter der Führung von den USA haben sich die Nato-Staaten eingereiht und immer wieder Syrien und Russland beschuldigt. Auch wenn die Beweise zweifelhaft waren, weil beispielsweise nur belegt durch Aufnahmen der Weißhelme, oder wie zuletzt in Douma noch gar keine Untersuchung begonnen hatte, bombardierten die USA im Verein mit Frankreich und Großbritannien syrische Anlagen.

Jetzt also hatte die staatliche syrische Nachrichtenagentur in Bild und Wort berichtet, dass am Samstag an drei Orten in Aleppo Giftgasangriffe mit Raketen stattgefunden haben. Dieses Mal aber nicht in von "Rebellen" kontrollierten Gebieten, sondern angeblich aus diesen. 107 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, seien verletzt worden bzw. hätten unter Atemnot gelitten. Sie wurden in Krankenhäusern behandelt.

Das russische Militär meldet, dass russische ABC-Einheiten die Vorfälle untersuchen würden. Die Symptome der Betroffenen würden nach Chlorgas aussehen. Am Samstagabend um 21:50 wären 120mm-Granatan aus der Deeskalationszone in Idlib auf Aleppo abgefeuert worden. Hier wird von 48 Verletzten gesprochen. Später wird von 73 Personen gesprochen, die medizinische Hilfe gebraucht hätten.

Inszenierung oder Offenbarung der Scheinheiligkeit des Westens

Man kann sicher sein, wenn aufgrund von Bilder der "Rebellen" bzw. von Weißhelmen solche Angriffe in nicht von Damaskus kontrollierten Gebieten "belegt" worden wären, der Aufschrei groß gewesen wäre. US-Präsident Donald Trump hatte mit seinen Alliierten in diesem Fall noch eine härtere Reaktion angedroht. Bislang fehlt jedoch eine Reaktion aus den Nato-Staaten, was den doppelten Maßstab belegt, wie auch immer man die Quellenlage beurteilt.

Die Ausgangslage ist ähnlich, nur umgekehrt. Wer nicht vor Ort war, kennt nur die Bilder und die Berichte von Zeugen, etwa der Ärzte, die vermuten, dass es sich um Chlorgas. Schaut man sich die Videos an, so kann man wie bei den Videos der Weißhelme schwer beurteilen, ob sie inszeniert oder echt sind. Mitunter wirkt das Verhalten der Menschen übertrieben, man meint, ähnliche Szenen bei den Weißhelmen gesehen zu haben. Haben also Syrer und Russland gelernt, so könnte man zynisch sagen, das Drehbuch der islamistischen Terroristen zu übernehmen, um mit Anschlägen auf die eigene Bevölkerung politische Ziele zu erreichen und den Gegner in der Weltöffentlichkeit zu verdammen? Das ist die Argumentationslinie mancher militanter Gruppen in Idlib.

Bild: Sana

Sana berichtet, die Angriffe hätten sich wenige Tage später ereignet, nachdem "französische Terroristen" über die Türkei nach Idlib gekommen seien und Raketen mit "toxischen Gasen" mitgebracht hätten. Das syrische Außenministerium wirft nun "einigen Staaten" vor, ohne diese explizit zu nennen, dass die den Terroristen den Zugang zu chemischen Substanzen erleichtert hätten, die Giftgasangriffe seien die Folge. In Briefen an den UN-Generalsekretär, den Sicherheitsrat und den Präsidenten der OCPW wird auf Geheimdienste einiger Staaten hingewiesen, die solche Szenarien geplant und geprobt hätten und Terroristen unterstützten. Verlangt wird eine Verurteilung dieser Staaten und Strafmaßnahmen gegen diese. Man will also den Spieß umkehren, indem nicht nur die "Rebellen" beschuldigt werden, sondern diese als Handlanger von staatlichen Interessen gelten.

Bild: Sana

Weißhelme und HTS werden beschuldigt

Explizit werden die Weißhelme genannt, die in den Gebieten aktiv seien, aus denen die Raketen abgeschossen wurden. Die Weißhelme werden u.a. von den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Neben diesen Staaten haben auch Frankreich und Kanada Weißhelme aufgenommen, die aus Syrien über Israel geflüchtet waren, was den Verdacht bestärkt, dass die Organisation für Nato-Länder nicht nur humanitär tätig ist, sondern ein Instrument ist, um die anti-syrischen und -russischen "Rebellen" zu unterstützen.

Auch das russische Außenministerium fordert eine Verurteilung der Angriffe, die den Normalisierungsprozess in Syrien verhindern wollen. Das russische Militär hat gelegentlich behauptet, dass Giftgas von der Türkei aus in die von den "Rebellen" kontrollierten Gebiete, zuletzt nach Idlib, geliefert worden wären. Die Weißhelme hätten die Inszenierung eines Giftgasangriffs bereits vorbereitet und geübt, um zunächst eine Offensive auf Idlib und dann die Einrichtung einer Deeskalationszone mit dem Ziel zu verhindern, dass die Dschihadisten wie HTS, ehemals al-Nusra, das Gebiet verlassen. Russland beschuldigt HTS, die Giftgasangriffe aus Idlib ausgeführt zu haben. Regelmäßig wird behauptet, dass HTS und die Weißhelme kooperieren.

Die Weißhelme berichten nicht von den Giftgasangriffen, sondern nur vom syrischen Artilleriefeuer, durch das vier Zivilisten, darunter Schüler, getötet worden seien.

Der angebliche Einsatz von Giftgas legitimiert nun erneut syrische und russische Luft- und Artillerieangriffe auf Stellungen der Rebellen in Deeskalationszone von Idlib, die allerdings schon längst geräumt sein müssten. Und der russische Außenminister Lawrow nutzt die Gelegenheit, die USA zu beschuldigen, mit dem Islamischen Staat zusammenzuarbeiten, obgleich gerade blutige Kämpfe der von den USA unterstützten SDF-Verbände mit dem IS in Deir-Ezzor stattfanden und die USA die kurdischen SDF weiter aufrüstet, was auch russische Medien berichten. Nach Lawrow benutzen die USA den IS aber auch, um ihre weitere Präsenz in Syrien zurechtfertigen, was unterstellt, dass die USA den IS in seinen Rückzugsgebieten um Al-Tanf, den US-Stützpunkt, schützen.

Eskalation auch mit der Ukraine

Währenddessen eskaliert ein weiterer Konflikt in der Straße von Kertsch, die das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer verbindet und von der neuen Krim-Brücke überbrückt wird. Nach russischen Angaben seien drei ukrainische Militärschiffe durch die Meerenge in russische Gewässer eingedrungen und hätten die russische Marine mit gefährlichen Manövern provoziert. Kiew erklärt, Moskau sei informiert worden, dass die Schiffe von Odessa nach Mariupol fahren würden.

Russland hat die Durchfahrt unter der Brücke nun mit einem Lastschiff gesperrt. Russland macht westliche Unterstützterstaaten der Ukraine für den Vorfall verantwortlich. Die Ukraine spricht hingegen von russischen Provokationen. Der Atlantic Council twittert: "The US and its allies should not shrug off escalating tension between #Russia and #Ukraine."