Merz propagiert Aktien als Altersvorsorge

Grafik: TP

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz will dafür mit "einem kleinen einstelligen Milliardenbetrag" steuerliche Anreize setzen

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In einem Interview mit der Welt am Sonntag hat sich der CDU-Vorsitzbewerber Friedrich Merz dafür ausgesprochen, Aktienkäufe zur Altersvorsorge mit "einem kleinen einstelligen Milliardenbetrag" an steuerlichen Anreizen zu fördern.

Merz ist keineswegs der erste deutsche Politiker, der dem Volk Aktien zur Altersvorsorge empfiehlt (vgl. Anlagetipps von Glos und Steinbrück). Auch Medien und Wirtschaftsführer drängten die Deutschen in der Vergangenheit immer wieder dazu, wobei beispielsweise der ehemalige Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann die nationale Bürgerpflicht- und Opferkarte ausspielte, um Kleinanleger zum Aktienkauf zu nötigen: "Eine hohe Aktienmarktkapitalisierung", so Ackermann, sei "ja kein Selbstzweck und auch kein Geschenk an die Aktiengesellschaften", sondern impliziere "höhere Unternehmensbewertungen, die deutschen Unternehmen eine Akquisitionswährung verschaffen und sie gleichzeitig vor Übernahmen schützen" würden.

Narrationsschemata von Anlageberatern gleichen denen in Hollywood-Filmen

Dass Politiker, Medien und Wirtschaftsführer damit bislang nur begrenzten Erfolg hatten, liegt auch daran, dass der New-Economy-Crash vielen Bürgern ins Bewusstsein gerufen hatte, dass Aktien immer nur so viel wert sind, wie andere Leute für sie zahlen wollen. Und, dass es an den Börsen, die einem Herdentrieb folgen, keineswegs immer berechenbar zugeht. Deshalb sind Aktien eher ungeeignet für eine Altersvorsorge.

Die Zeiträume, mit denen Aktienwerber versuchen, langfristige Gewinnsicherheit zu belegen, sind ebenso wenig zufällig ausgesucht wie die dafür herangezogenen Papiere. Insofern unterscheiden sich die Narrationsschemata von Anlageberatern nicht sehr von denen in Hollywood-Filmen oder Märchen: Anfang, Ende und Inhalt sind immer so gewählt, dass es am Schluss ein Happy End gibt. Im wirklichen Leben ist das aber keineswegs immer so.

UN-Bericht zieht nach 30 Jahren Rentenprivatisierungsexperimenten negatives Fazit

Nach 30 Jahren Experimenten mit der Rentenprivatisierung sieht das die UN-Arbeitsorganisation ILO inzwischen auch als empirisch bestätigt an: In ihrem am 31. Oktober erschienenen Bericht Reversing Pension Privatizations - Rebuilding Public Pension Systems in Eastern Europe and Latin America kommt zum Ergebnis, dass die Renten nach einer Privatisierung statistisch gesehen deutlich niedriger ausfallen und dass die Altersarmut dadurch nicht abnimmt, sondern steigt, weil die Risiken auf die Rentenanwärter abgewälzt werden und die Versicherer die Erträge durch hohe Gebühren zusätzlich schmälern. Über die Hälfte der 30 Länder, die ihre Rentensysteme im Untersuchungszeitraum ganz- oder teilprivatisiert hatten, kehrte deshalb wieder zur umlagefinanzierten Altersversorgung zurück.

Das Umlageverfahren ist zwar ebenfalls an "die konkrete Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft gekoppelt", aber weniger anfällig als das Kapitaldeckungsverfahren, das "in Deutschland bereits zwei Mal eingeführt wurde und zwei Mal wieder durch das Umlageverfahren ersetzt werden musste - nach der Hyperinflation [in den 1920er Jahren] war die Basis für eine Kapitaldeckung durch den Geldwertverfall vernichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg war der Kapitalstock durch die Rüstungsfinanzierung buchstäblich verpulvert worden", wie Reinhard Jellen die Erfahrungen damit treffend zusammenfasst (vgl. Brüning und die Riesterrente).

Warum nur Aktien steuerlich begünstigen?

Es erscheint deshalb fraglich, ob Aktien als Altersvorsorge steuerlich begünstigt werden sollten. Wenn ja, dann müsste konsequenterweise auch das Sammeln von Schallplatten, Filmen, Comics, Büchern oder Spielzeug subventioniert werden. Denn auch hier sind Wertsteigerungen- oder Minderungen möglich und wenig berechenbar. Allerdings mit dem Unterschied, dass der Sammler wenigstens Spaß an der Sache hatte, wenn auch der Wert seiner Sammlung im Alter nicht für die Zusatzrente ausreichen sollte (vgl. Original-Vinyl als Wertanlage?).

Dass Merz ausschließlich Aktien steuerlich begünstigen will, wird in Sozialen Medien häufig mit seiner Tätigkeit für den Vermögensverwalter Blackrock in Verbindung gebracht, der davon profitieren könnte. Der Wirtschaftsblogger Norbert Häring meint beispielsweise, "alles an diesem Vorschlag könnte aus der Feder [dieses Konzerns] sein". Der CDU-Politiker meinte auf solche Vorwürfe hin, er befürworte eine private Altersvorsorge schon lange vor Beginn seiner Tätigkeit bei Blackrock: "Ich", so Merz, "musste meine Meinung da nie ändern und werde sie auch nicht ändern".

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