Dänemark wird Pionier einer Abschreckungspolitik für Flüchtlinge

Die rechtsnationalistische Dansk Folkeparti setzt Plan zur Auflösung von "Gettos", für ein Gefängnis für kriminelle Ausländer im Ausland und Unterbringung von Flüchtlingen, die abgeschoben werden sollen, auf einer Insel durch

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Nach Medienberichten verhandelt die dänische Regierung gerade mit Litauen. Dort will Dänemark ein Gefängnis errichten, um dort alle ausländischen Kriminellen einzusperren, die aufgrund der Höhe ihrer Verurteilungen abgeschoben werden müssen. Litauen soll daran sehr interessiert sein, obgleich das Land ansonsten nicht migrantenfreundlich ist, einen Zaun an der Grenz zu Kaliningrad baut, um Flüchtlinge abzuwehren und eine Aufnahmequote ablehnt. Es wurden zwar mehr als 400 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufgenommen, die meisten haben sich aber schnell wieder abgesetzt.

Seit den letzten Wahlen steht die Minderheitsregierung, die von der Koalition der Parteien Venstre, Liberal Alliance und Det Konservative Folkeparti gebildet wird, unter großem Druck der rechtsnationalistischen Dansk Folkeparti (DF), die mit 21,1 Prozent der Wählerstimmen stärkste Partei wurde und die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen (Venstre) stützt, aber eben auch prägt. Die Rechten lehnen Integration ab und setzen auf Abwehr und auf Abschiebung. Obgleich Dänemark den UN-Migrationspakt mit unterzeichnen wird, wird Inger Støjberg (Venstre), die Ministerin für Ausländer und Integration, daran demonstrativ nicht teilnehmen. Die Ministerin tritt für eine Verschärfung der Asyl- und Einwanderungspolitik ein.

Der Plan, verurteilte ausländische Straftäter outzusourcen, kam schon 2016 auf. Zunächst dachte man auch an Polen oder Rumänien. 2016 waren 27 Prozent der dänischen Gefängnispopulation verurteilte Ausländer. Nur 30 Prozent derjenigen Ausländer, die zur Abschiebung verurteilt wurden, konnten auch abgeschoben werden. Nun also will man mit dem Trick nachhelfen, einfach das Gefängnis in ein anderes Land zu verlegen, das dafür bezahlt wird, um die Abschiebepolitik zumindest aus Dänemark zu realisieren.

Verantwortlich für den Gefängnisbetrieb will man auch nicht sein. So müsse das Land, das das Gefängnis betreibt, für die Einhaltung der Menschenrechte etc. sorgen. Der Vorschlag kam vom Justizminister Søren Pind, der das Outsourcing des Gefängnisvollzugs als Abschreckung betrachtete. Damit könne man Banden signalisieren, dass die Tage eines "kostenloses Aufenthalts in dänischen Gefängnissen" vorbei sind. Überdies könne man dann mehr für die Gefangenen an Rehabilitation tun, die "dieser Anstrengung wert sind".

Insellösung als Teil des "Paradigmenwechsels"

Letzten Freitag nun haben Regierung und Dansk Folkeparti beschlossen, abgewiesene Asylbewerber und straffällig gewordene Ausländer, die nicht abgeschoben werden, auf einer Insel unterzubringen. Die Regierung stimmte dafür, um die Dansk Folkeparti zur Zustimmung des Haushaltsplans für 2019 zu bringen. Für die geht es um "Paradigmenwechsel" in der Flüchtlingspolitik. Flüchtlingen soll nur vorübergehend Hilfe gewährt werden, so wird der "Erfolg" angepriesen, sie sollen so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat zurück, um ihr Land wieder aufzubauen: "Anstelle eines Integrationsprogramms werden Asylbewerber Teil eines Programms zur Pflege und Rückreise. Umzug statt Integration!"

Die Insel Lindholm. Bild: Erik Christensen/CC BY-3.0

Traum vieler Rechtsnationalisten auch in anderen Ländern ist, Migranten und Asylbewerber nach dem Vorbild Australiens auf einer Insel unterzubringen, womit weitere mögliche Einwanderungswillige und Hilfesuchende abgeschreckt werden sollen. So isoliert wie die australischen Flüchtlingslager auf den Pazifikinseln Nauru oder Manus ist die auserwählte dänische Insel Lindholm nicht. Die 17 Hektar große Insel ist nur 2,5 km von der Küste entfernt. Aber auf ihr befindet sich noch ein Tierforschungsinstitut mit einem Quarantänegebiet, um Virenabwehrmittel für Kühe und Schweine zu testen.

Man muss annehmen, dass der Ort deshalb ausgesucht wurde, um deutlich zu machen, wie unerwünscht die neuen Bewohner sind. Die DF macht das auch unmissverständlich klar. Abgewiesene Asylbewerber, Krimielle oder geduldete Flüchtlinge, die nicht freiwillig gehen, hätten "in Dänemerk nichts zu suchen". Sie die "Unsympathischsten" der Abgelehnten.

Sie müssen nun auf der Insel, fern von Nachbarn, bleiben, bis sie abgeschoben werden oder doch "freiwillig" gehen. Der Finanzminister Kristian Jensen verkauft den Plan so, dass die Insel ja nicht als Gefängnis gelten könne, weil die Bewohner tagsüber mit einer Fähre auf das Festland fahren können. Sie müssen aber Nachts auf der Insel sein, "um sie besser kontrollieren zu können". Die DF macht klar, dass es scharfe Strafen geben soll, wer sich nicht daran hält. Die Polizei würde bereitstehen.

Auch Ministerin Inger Støjberg preist die beschlossenen Pläne an. Flüchtlinge, so schreibt sie, müssen vom ersten Tag an wissen, dass sie nur vorübergehend in Dänemark sein dürfen. Für die Familienzusammenführung wird eine Obergrenze gesetzt, auch bei einer Aufenthaltsgenehmigung gibt es nicht notwendig eine Familienzusammenführung. Integrationsleistungen werden gekürzt.

Mit dem Abschiebezentrum auf der Insel sende man das Signal, dass die Menschen - sie spricht von Kriminellen - in Dänemark "keine Zukunft haben". Das Integrationsprogramm für Flüchtlinge heiße nun "Programm für Selbsthilfe und Rückkehr". Die Strafen für Ausländer, auch wenn es nur um Meldepflichten etc. geht, werden verschärft.

Anti-Getto-Gesetz

Aber damit ist noch nicht genug, Dänemark zu einem Abschreckungsland zu machen, in dem Ausländer nicht willkommen sind. Es wurde letzte Woche auch ein Gesetz verabschiedet, das sich gegen "Gettos" oder "Parallelgesellschaften" richtet. Dafür haben nicht nur die Regierungskoalitionsparteien und die DF, sondern auch die Sozialdemokraten und die Socialistisk Folkeparti gesorgt, die sich der DF annähern, um nicht zu verschwinden.

Die Absicht, die "Gettos" zum Verschwinden zu bringen, ist ein Projekt, das schon seit Beginn des Jahres, angekündigt in der Neujahrsansprache des Ministerpräsidenten, mit der DF von der Regierung vorangetrieben wurde. Unter Gettos werden Gebiete verstanden, in denen kaum mehr Dänisch gesprochen wird, in denen viele Sozialhilfeempfänger leben, wo die Kriminalität höher ist als anderswo, wo Frauen weniger als Männer gelten und in denen Kinder in einer Gegenkultur aufwachsen.

Bis 2030 soll es keine solchen Gettos mehr geben. Manche Stadtteile, es ist die Rede von 16, sollen abgerissen und neu durch private Investoren gebaut werden, die auch Eigentumswohnungen bieten, wodurch die Bevölkerung gemischter werden soll. In manchen Gebieten sollen nach dem Abriss auch neue Gewerbegebiete entstehen und Straßen gebaut werden, "um die Isolation zu brechen". Die Kontrolle über die Zusammensetzung der Bewohner soll verstärkt werden.

Migranten, die in solchen Gebieten leben, sollen weniger Geld erhalten, Bewohner von Sozialwohnungen können gekündigt werden. Mieter sollen selektiert werden können, bevorzugt werden Menschen, die einen festen Arbeitsplatz haben oder in Ausbildung stehen. Natürlich soll die Polizei verstärkt werden. In Gettos sollen höhere Strafen ausgesprochen werden als im übrigen Land für dieselben Vergehen. Kriminelle sollen verstoßen werden oder keine Wohnungen erhalten.