Australien: Firmen müssen Kommunikation und Geräte entschlüsseln

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Das von der konservativen Regierung durchgepeitschte Gesetz sieht hohe Strafen vor, wenn Provider, Anbieter und Personen auf Verlangen den Behörden keinen Zugang gewähren, IT-Konzerne warnen vor dadurch entstehenden Sicherheitslücken

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In Australien setzte die konservative nationalliberale Minderheitsregierung am letzten Sitzungstag des Jahres ein Gesetzesvorhaben durch, mit dem das Land bei der Überwachung seiner Bürger eine unrühmliche Pionierrolle spielt. In einem Geschacher mit der Opposition knickte schließlich die Labour-Partei ein und gab grünes Licht für das Sicherheitsgesetz, mit dem Behörden Firmen zwingen können, Einblick in verschlüsselte Kommunikation ihrer Kunden zu geben.

Die Opposition aus Grünen und Labour wollte das Migrationsgesetz ergänzen, damit mehr Asylbewerber, die Australien in Camps auf den Inseln Manus (alleinstehende Männer) und Nauru (Frauen, Kinder, Familien) interniert, nach Australien zur medizinischen Behandlung kommen können, wenn dies nach Auskunft von zwei Ärzten als notwendig erachtet wird.

Die Bedingungen in den Lagern, für deren Betrieb Firmen verantwortlich sind, gelten als verheerend. Viele, auch Kinder, begehen Selbstmord oder fügen sich Verletzungen zu, weil sie jede Hoffnung aufgegeben haben. An die 30 Kinder, die mitunter sei Jahren in den Lagern leben, leiden unter dem Resignationssyndrom. Sie versinken in Depressionen, isolieren sich, sprechen, essen und trinken nicht, geraten in einen Zustand der Bewusstlosigkeit.

Griff in die Angstkiste

Im Unterhaus schmetterte Scott Morrison, erst seit Sommer Ministerpräsident, den Gesetzentwurf zur medizinischen Versorgung von Asylbewerbern auf dem Festland ab. Er werde mit allen Mitteln dafür kämpfen, dass die Grenzschutzgesetze nicht verändert werden, weil das die Sicherheit Australiens gefährde. Dafür winkte er das Stromgesetz durch, das der Regulierungsbehörde ermöglicht, in die Strompreise einzugreifen.

Vor allem aber konnte er das umstrittene Verschlüsselungsgesetz ohne die von der Opposition verlangten Ergänzungen durchbringen. Zwar hatten sich Labour und Regierung zuvor schon auf einige Zusätze geeinigt, aber während der Sitzung waren diese der Opposition nicht mehr genug, während die Regierung das Gesetz am letzten Tag noch durchpeitschen und nicht in der nächsten Sitzungszeit des Parlaments weiter diskutieren wollte. Dabei griff die Regierung tief in die Angstkiste, so wurde mit einem Anstieg der Terrordrohungen hantiert. Die Dringlichkeit wurde u.a. damit begründet, dass im November drei Männer verhaftet wurden, die eine islamistisch inspirierte Massenschießerei in Melbourne gehen wollten und verschlüsselt kommuniziert haben. Verteidigungsminister Christopher Pyne warnte, Labour würde "Terroristen und Pädophilen" helfen, wenn das Gesetz blockiert würde.

Der Oppositionsführer Bill Shorten gab schließlich nach, weil er wohl Angst hatte, dass die Regierung bei einer Ablehnung, sollte ein Terroranschlag geschehen, die Opposition verantwortlich machen würde. Shorten sagte: "Schützen wir die Australier über Weihnachten." Er kritisierte allerdings Morrison, der das Parlament am letzten Sitzungstag zur Geisel gemacht habe.

Allerdings müssen die Gesetze auch noch den Senat passieren. Auch der tagte am Donnerstag den letzten Tag vor den Sommerferien, die bis Februar gehen, aber dort konnten die Gesetze bis zum Ende der Sitzung nicht verabschiedet werden. Die Regierungskoalition zog die Debatten so lange hinaus, bis das Unterhaus schon seine Sitzung beendet hatte. Letztlich riskierte man damit, dass das angeblich so wichtige Sicherheitsgesetz doch nicht in Kraft hätte treten können, nur um die humanitären Zusätze des Migrationsgesetzes zu verhindern.

Aber Morrisson hatte Glück. Im Senat erhielt die Opposition zwar mit weiteren Stimmen eine Mehrheit für weitere Ergänzungen des Migrationsgesetzes, aber um in Kraft zu treten, hätte es wegen dieser Veränderungen noch einmal im Unterhaus gebilligt werden müssen. Dort waren die Abgeordneten aber schon ausgeflogen. Auch das Energiegesetz tritt damit nicht in Kraft.

"Man kann Verschlüsselung nicht knacken, ohne eine Sicherheitslücke in das ganze System einzuführen"

Mit dem Verschlüsselungsgesetz kam die Regierung aber im Senat ebenfalls durch, die Opposition erreichte keine Mehrheit für fünf vorgeschlagene Ergänzungen. So blieb das Gesetz nun unverändert und tritt in Kraft. Damit können nun die australischen Geheimdienste und Behörden auch ausländische Provider wie Google, Facebook oder Apple dazu zwingen, diesen durch eine Hintertür Zugang zu verschlüsselten Geräten oder Kommunikation zu gewähren, auch ohne richterliche Genehmigung.

Die Firmen müssen dabei Hilfe leisten, auch einen Zugang aus der Ferne herzustellen, zudem sind sie verpflichtet, verdeckte Überwachungsmaßnahmen geheim zu lassen. Die Geheimdienste oder Behörden können sich auch aus der Ferne in Geräte oder Kommunikation hacken. Das Gesetz sieht mit bis zu 10 Millionen australischen Dollar hohe Geldstrafen für Firmen vor, die die Daten nicht übergeben, Personen, die ihre Daten und Geräte nicht entschlüsseln, müssen mit Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren rechnen, vorher war die Höchststrafe 5 Jahre. Geräte können bis zu 30 Tage beschlagnahmt und untersucht werden. Behauptet wird, mit dem Gesetz würden die Behörden keine Hintertüre verlangen.

Facebook, Google, Amazon, Twitter und Apple gehören der Digital Industry Group an, die das Gesetz als "grundsätzlich falsch" kritisierte. Wenn man absichtlich einen Zugang zu ansonsten sicheren Daten schaffe, so die Argumentation, "wird dies Schwächen und Sicherheitslücken schaffen, die unabhängig von den guten Absichten anderen Akteuren, auch kriminellen, die Möglichkeit bieten, auf diese Daten zuzugreifen". Man könne keine wirksame Verschlüsselung haben, wenn sie bei Bedarf gebrochen werden kann: "Man kann Verschlüsselung nicht knacken, ohne eine Sicherheitslücke in das ganze System einzuführen." Die amerikanischen IT-Konzerne warnten wohl auch deswegen so stark vor dem Gesetz, weil die Befürchtung besteht, dass Australien nur vorausgeschickt wurde, um dann auch bei den anderen Mitgliedern der Lauschgemeinschaft "Five Eyes" - neben Australien die USA, Großbritannien, Neuseeland und Kanada - ähnliche Kryptographie-Gesetze einzuführen.

Überdies sei das Gesetz nicht in Übereinstimmung mit der Überwachungs- und Datenschutzgesetzgebung in Europa und anderen Ländern, die auf nationale Sicherheit achteten. Mit dem Gesetz würde die nationale Sicherheit Australiens gefährdet. Und es wurde auch gewarnt, dass mit dem Gesetz die Australier nicht mehr Zugang zu den besten Techniken haben könnten, "weil Technikanbieter sich entscheiden könnten, sie den Australiern nicht zu verkaufen und sich der Gesetzgebung zu unterwerfen". Jetzt muss man abwarten, was die Konzerne machen, deren Widerstand ja auch in China gebrochen wurde.