Russland: Zensur zur Machtsicherung oder Datenschutz?

Bild: 2019.vote

Der Oppositionspolitiker Navalny will die Vormacht von "Einiges Russland" brechen, das "Smart Vote"-Projekt wird jetzt wegen Datenschutzverletzungen blockiert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die russische Regulierungsbehörde Roskomnadzor hat angeblich angeordnet, dass die vom Oppositionspolitiker Alexei Navalny am 28. November gestartete Website "Smart Vote" in Russland von den Providern blockiert werden muss. Nach dem Sprecher Vadim Ampelonsky gab es mehrere Beschwerden, weil hier persönliche Daten ohne ausdrückliche Zustimmung der Internetnutzer verarbeitet würden. Roskomnadzor will daraufhin zahlreiche Datenschutzverstöße festgestellt haben, nicht zuletzt seien persönliche Daten im Ausland gespeichert worden, was nach russischem Recht verboten ist. Die von den Nutzern geforderte Zustimmung gehorche nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Das Vorgehen ist natürlich heikel, weil man gleich der Behörde vorwerfen wird, den Datenschutz nur vorzuschieben. Das Ziel von Smart Voting ist, wie Navalny auf seiner Website schreibt, das politische Monopol der Putin-Partei "Einiges Russland" zu unterminieren. Kandidaten der Partei erhalten oft deutlich weniger als 50 Prozent, aber dennoch eine relative Mehrheit, weil sich der Rest der Stimmen auf zu viele anderen Kandidaten und Parteien verteilt. Zusammen würden sie eine Mehrheit erzielen, dennoch gewinne der Kandidat von "Einiges Russland", auch wenn er nur 35 Prozent der Stimmen erhalten hat.

Die Parteien könnten sich nicht einigen, sagt Navalny, aber die Wähler könnten durch Mathematik eine Alternative erwirken. Sie müssten nur rational handeln und für den stärksten Kandidaten stimmen, egal von welcher Partei er kommt oder ob sie ihn mögen, wichtig ist nach der Logik nur, dass er nicht von "Einiges Russland" ist. Ob das rational ist, sei dahingestellt. "Smart Voting" verspricht, aufgrund früherer Wahlergebnisse und von Umfragen ermitteln zu können, welcher der Oppositionskandidaten der stärkste ist. Würden dann alle diese Kandidatin oder diesen Kandidaten wählen, könnte der Kandidat der Putin-Partei unterliegen und das Monopol gebrochen werden.

Dazu müssen sich die Interessierten registrieren. Und hier beginnt das Problem. Die Website wurde bei der französischen Firma Gandi SAS registriert. Beim Anmelden bei Smart Vote müssen Name, Email, Telefonnummer, Adresse und Wahlbezirk angegeben, zudem muss zugestimmt werden, dass die Daten verarbeitet werden. Und diese Zustimmung soll eben den gesetzlichen Vorgaben nicht genügen.

Das sollte sich verändern lassen. Das Projekt sollte nächstes Jahr für Regionalwahlen, darunter auch in St. Petersburg und Moskau, wirksam werden. Es ist ein verzweifeltes Projekt, weil es die Zerstrittenheit der Opposition zeigt, die die Vorherrschaft von "Einiges Russland" zementiert. Smart Vote ist Ausdruck der Verlegenheit: Alles ist besser, als das, was ist.

Navalny erklärt, man suche nach einer Lösung für das Problem. Man habe schon geahnt, dass die Website blockiert wird, sei aber erstaunt, dass dies so schnell erfolgt ist. Er fordert die Menschen weiter auf, sich zu registrieren und intelligent zu wählen.