UN-Migrationspakt: Von rechtlichen und freiwilligen Verpflichtungen

UN-Generalsekretär António Guterres bei der Eröffnung der UN-Konferenz in Marokko zum "Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration". Bild: UN Photo/Karim Tibari

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Mein Gott. Da reden sich die Rechten und Nationalisten eine Weltverschwörung herbei, wie gefährlich der UN-Migrationspakt für Deutschland werden wird. Einer der Kritikpunkte ist, was sich beim Flüchtlingspakt als Vorwurf wiederholen wird, dass er rechtlich nicht verpflichtend ist, aber doch Verpflichtungen enthält. Damit instrumentalisieren die Rechten eine Politik- und Weltfremdheit ihrer Anhänger. Es gibt zahlreiche ähnliche Selbstverpflichtungen der Politik und der Wirtschaft, die wenige oder keine Auswirkungen haben. Deswegen wird ihnen oft im Gegenteil vorgeworfen, zu unverbindlich zu sein. Sie dienen oft dazu, Engagement vorzutäuschen und rechtliche Regelungen zu verhindern.

Auch die UN-Menschenrechtscharta, die vor 70 Jahren am 10. Dezember 1948 verabschiedet wurde, ist rechtlich nicht verpflichtend. Wie sie in die Souveränität der Staaten eingegriffen hat, lässt sich an der Vielzahl der Menschenrechtsverletzungen feststellen. Der Unterschied zwischen einer rechtlichen Verpflichtung und einer unverbindlichen Selbstverpflichtung, aus der sich rechtliche Regelungen entwickeln können, aber nicht müssen, scheint manchen verblendeten Gehirnen trotz langer Praxis nicht nachvollziehbar zu sein.

Plötzlich beanspruchen die Rechtsnationalisten, logisch denken zu wollen, während sie nur versuchen, mit der Ablehnung der Migration Stimmung zu schaffen, um sich durch Aufblasen von irrationalen Ängsten selbst an die Macht zu bringen. Thomas Fischer spricht von "albernen Panikattacken". Dass dabei historische "Völkerwanderungen" und Migrationen völlig außer Acht gelassen werden - Donald Trump, der Amerikaner mit deutschem Migrationshintergrund ist dafür ein gutes Beispiel -, ist geschenkt. Ein differenziertes Weltbild kann man auch nicht verlangen, etwa was den Kolonialismus oder die anhaltende wirtschaftliche Knebelungen anbelangt, geschweige denn militärische Interventionen in Krisengebiete. Entlarvend war auch die Forderung von Friedrich Merz als Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, Klimaflüchtlinge nicht anzuerkennen, während sein Arbeitgeber BlackRock tief in der Kohleindustrie engagiert ist.

Die AfD verblödet sich nicht, aus der Unterzeichnung des rechtlich nicht verpflichtenden Migrationspakts, einen "Todesstoß für Europa" zu beschwören, auch wenn sich realpolitisch deswegen kaum etwas verändern wird. Dennoch wird prophezeit, der Migrationspakt, der nicht nur Aufnahme-, sondern auch Herkunfts- und Transitländer selbstverpflichtet, sei "unverantwortlich" und habe "unabsehbare Konsequenzen". Verglichen mit der Menschenrechtserklärung sind die Konsequenzen wohl sehr überschaubar, vor allem für die Länder bzw. Regierungen, die die Verpflichtungen nicht umsetzen wollen.

Strategie scheint zu sein, Angst zu beschwören und unbelegte Behauptungen wie Alice Weidel in den Raum zu stellen: "Die Aufnahmeländer und ihre Sozialsysteme und Gesellschaftsstruktur wird diese Politik an den Rand des Zusammenbruchs bringen." Warum? Weidel verrät es nicht. Wahrscheinlich weil Millionen Menschen jetzt oder nach der Abstimmung in der UN-Generalversammlung schon geplant haben, Richtung Deutschland zu marschieren, das nun nach Ansicht von AfD hilflos überschwemmt wird. Die Identitären müssen dann in die entleerten Herkunftsländer migrieren.

Der Verdacht, dass Selbstverpflichtungen durch Gewohnheitsrecht in rechtlich einklagbare Verpflichtungen übergehen, ohne dass nationale Gesetze verändert werden, ist ein Popanz. Die Rechten verstärken eher mit der unreflektierten Ablehnung, dass zwischenstaatliche Regelungen gefunden werden können, beispielsweise für die geforderte schnelle Abschiebung. Ohne zwischenstaatliche Regelungen wird das nicht funktionieren, Voraussetzung dafür ist auch, dass die Identifizierung der Migranten gesichert ist, was auch Teil des Pakts für eine geordnete Migration ist.

Vorgeworfen wird dem Migrationspakt auch, dass er die Migration verkläre. Tatsächlich werden eher die positiven Folgen erwähnt, aber nicht wirklich ausgeführt, als die negativen, die auch für die Herkunftsländer entstehen. Überdies wird festgehalten, dass es auch weiterhin Migration geben wird, alle Länder "zu Herkunfts-, Transit- und Zielländern" macht. Das ist ähnlich wie in Deutschland, das seit der ersten Gastarbeiterwelle zu einem Einwanderungsland geworden ist, durch die von Konservativen betriebene Leugnung der Tatsache wurden Lösungen hinausgeschoben, wie die Einwanderung gestaltet und die Integration gefördert werden kann, was zusätzliche Probleme geschaffen hat.

Die Kritiker machen aber nicht klar, worin anhaltende negative Folgen von freiwilliger oder erzwungener Migration bestehen könnten. Die sind eigentlich ausgerechnet gut durch europäische Kolonialisierung belegt, deren Ende noch nicht lange zurückliegt, wobei die westlichen Länder, wozu auch Staaten wie die USA, Kanada, Australien oder Neuseeland gehören, wo die einheimische Bevölkerung als Minderheit an den Rand gedrängt wurde, weiterhin von der mit der Kolonialisierung entstandenen globalisierten Wirtschaft profitieren. Zudem ist die nationale Identität, die in der Regel ethnische und kulturelle Minderheiten erzeugt, sowieso ein Produkt der Moderne und spielte früher keine wesentliche Rolle.