Popularität von Putin sinkt wegen steigender Lebenshaltungskosten

Wladimir Putin am 1. Dezember nach dem G20-Gipfel. Bild: Kreml/CC BY-SA-4.0

Polizei wird mit Elektroschockgeräten ausgestattet, die Nationalgarde erhielt zum Auflösen von Demonstrationen Fahrzeuge mit Laserwaffen

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Wenn man die Umfrageergebnisse zur Zustimmung von Putin verfolgt, dann ist der russische Präsident wieder da angekommen, wo er 2013 stand. Nach dem Meinungsforschungsinstitut Levada erzielte Putin im November noch eine Zustimmungsrate von 66 Prozent, der Tiefpunkt war im November 2013 61 Prozent. Der Ukraine-Konflikt ließ sie dann auf fast 90 Prozent hochschnellen, 2016 erfolgte der erste leichte Rückgang, aber die Rate blieb auf 80 Prozent, bis es dann mit der Ankündigung der Rentenform im Sommer steil nach unten ging, auch wenn die Werte weiterhin besser als die von Trump sind.

47 Prozent sagen, Russland bewege sich nicht in die richtige Richtung, immerhin 42 Prozent bejahen dies noch. Putins Zustimmungsrate übertrifft aber noch deutlich die der Regierung, deren Arbeit nur noch 42 Prozent als gut bezeichnen und 57 Prozent ablehnen. Entsprechend tief ist Medwedew im Ansehen gesunken, dessen Arbeit 65 Prozent nicht für gut befinden. Ebenso viel sind mit der Duma unzufrieden, während die Gouverneure 62 Prozent Zuspruch erfahren.

Gegen Putin spricht, dass sich die Sorgen wegen der Sanktionen gegenüber dem Vorjahr deutlich verstärkt haben, 43 Prozent fürchten politische und wirtschaftliche Konsequenzen. Und eine neue Umfrage macht deutlich, dass die Unzufriedenheit auch in Russland weiter wachsen wird. 55 Prozent machen Putin direkt für die nationalen Probleme verantwortlich, insbesondere für die gestiegenen Lebenshaltungskosten, die seit letztem Jahr um 6 Prozent gestiegen sind. Die Regierung sehen 37 und Medwedew 21 Prozent in der Verantwortung dafür. Ein auf den Präsidenten zugeschnittenes System, auch gerade in Frankreich sichtbar, zieht diesen natürlich besonders hinunter, wenn die Unzufriedenheit steigt. Gefragt, wer vor allem für den wirtschaftlichen Erfolg Russlands verantwortlich ist, weisen ebenfalls 55 Prozent auf Putin, aber nur 13 Prozent auf die Regierung. Da könnte also Putin - und damit sein ganzes System, einschließlich seiner Partei Einiges Russland - aus dem Tritt geraten.

37 Prozent halten es für möglich, dass es wegen der Lebenshaltungskosten zu Massenprotesten kommt (ähnlich hoch wie beim staatlichen Meinungsforschungsinstitut WCIOM). Das sind zwar etwas weniger als im Juli 2018, als Putin versuchte, die Rentenreform während der Fußballweltmeisterschaft verdeckt durchzusetzen, was ihm aber nicht gelang. Aber die Werte sind seit Juli deutlich höher als zu Beginn des Jahres. Die Zahl derjenigen, die Massenproteste gut finden, ist auf 30 Prozent gestiegen. Und ebenfalls 30 Prozent halten sie an ihrem Wohnort auch für möglich. 22 Prozent würden sich auch beteiligen. Interfax sieht die Umfrageergebnisse allerdings anders und hebt hervor, dass sich 74 Prozent an Protesten nicht beteiligen würden.

Die Stimmung im Land ist im Kreml bekannt, wo man sich innenpolitisch vor Massenprotesten und gewaltsamen Unruhen wie dem Maidan in der Ukraine vor allem fürchtet. Wahrscheinlich ist man jetzt auch aufgeschreckt über die Gelbwesten in Frankreich, eine Protestbewegung, die das ganze Land erfasst hat und die spontan von unten jenseits von Parteien, Organisationen oder Oppositionspolitikern entstanden ist.

Darauf könnte eine Meldung von Interfax gestern hinweisen, nach der das russische Innenministerium 8000 Elektroschockgeräte des Typs AIR-107U von der MARCH Group in Moskau im Wert von 80 Millionen Rubel (etwas mehr als 1 Million Euro) bestellt hat, die "Angreifer aus einer Entfernung von mehreren Metern neutralisieren" können. Man hat es eilig, 1500 sollen schon vor dem 20. Dezember geliefert werden, der Rest im April des nächsten Jahres. Das Elektroschockgerät hat die Form eines Schlagstocks, ist 34 cm lang und kann über eine Entfernung von 4,5 m einen Menschen treffen und mit einer Leistung von 7-12 kV lahmlegen. Während des Jahres wurden nach Interfax bereits mehrmals Elektroschockgeräte vom Innenministerium im Wert von einer halben Milliarde Rubel bestellt.

Im November hatte bereits die Nationalgarde, die seit 2016 als Bereitschaftspolizei fungiert und bei Demonstrationen eingesetzt wird, zwei GAZel-Minivans für 65 Millionen Rubel für den Bereich Moskau eingekauft. Sie sind mit nichttödlichen Laserwaffen des Namens SKNV ausgestattet, die Menschenmengen auflösen und Menschen auf zweierlei Weise vertreiben sollen. Bis in einer Entfernung von 10 Metern können Menschen mit 135 dB beschallt werden. 130 dB verursacht ein Düsenflugzeug beim Abheben. Überdies können Menschen mit den Waffen vorübergehend geblendet werden. Akustikwaffen werden schon länger verwendet, aber Russland setzt wohl weltweit als erster eine Laserwaffe bei der Polizei ein, wie openmedia.io berichtete, die über den Kauf berichtete.

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