Der Hauptspaß

Sophie Passmann und ihre Influencer-Parodie "#unboxing: Briefwahl".

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Peter Glaser

Das Netz quillt über vor Missgeschicken. Auch wenn es nur im Deutschen ein Wort wie "Schadenfreude" gibt, so rutschen doch ständig und wohldokumentiert rund um den Globus Menschen aus, ganze Websites biegen sich vor peinlicher Familienfotos, Katzen, gewöhnlich die pure Eleganz, springen irgendwo ganz doof daneben und geplante Hochhaussprengungen enden in einem jämmerlichen Minidynamitwölkchen. Da freut es den Netznutzer doch ganz besonders, in Sophie Passmanns Video einen wahrhaft gelungenen, einen glücklichen Moment zu finden.

In den Neunzigerjahren hieß das Netz noch Wewewe und war, statische Homepage an Homepage, sowas wie die längste Schaufensterfront der Welt, im Nullerjahrzehnt gefolgt von erstmals elastischeren Angeboten wie Blogs und Wikis. Dann kamen Friendster, MySpace und die deutschen VZ-Netzwerke und schließlich mit Facebook und Twitter die zweite, weltumfassende Welle an bequemer Kommunikationsverknüpfung.

Seither ist das Netz social und der Hauptspaß besteht darin, sich selbst in die Welt hinauszuschütten und von durstigen Augen getrunken zu werden. "Ausbreiten" (expandieren) bedeutet das lateinische Wort "expandere", aus seiner Partizipform "expasso" ist unser "Spaß" hervorgegangen. Etwas breitet sich aus. Jeder sendet und empfängt nun ganz selbstverständlich und spaßig. Aber ich schweife ab.

In Sophie Passmanns getwittertem Instagram-Clip "#unboxing: Briefwahl" stimmt einfach alles: die am Schopf gepackte Gelegenheit, der Lustigkeitslauf sowie das einer Demokratin würdige Bemühen, dem öden Wählen mit einer kleinen Gemeinheit gegen arme YouTube-Grippepatienten (Influenza. Sorry – der kam so tief, ich konnte nicht mehr ausweichen) aus der Verdrossenheit zu helfen.

Die 24-jährige Autorin ("Monologe angehender Psychopathen") und Radiomoderatorin trat bereits mit 15 das erste Mal bei einem Poetry Slam auf. Die Kunst, direkt aus der Hüfte quietschvergnügt zu sein, hat sie seither zu einer gewissen Virtuosität entwickelt.

Ein anderer, politisch engagierter Videoclip fiel mir zur Passmannschen Papierentboxung ein – Kinder, die Helium aus Wahlkampfluftballons einatmen, um dann Videoselfies mit Mickymausstimme machen zu können. Nochmal Sophie Passmann: "Ich habe bisher auch immer gute Erfahrungen mit Demokratie gemacht." Leben im 21. Jahrhundert.

(bsc)