Umfragen zu Zeiten der Gelben Westen: Le Pens Partei liegt vorne

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Aber es gibt auch kräftige Lebenszeichen für eine neue linke Mitte. Macron verliert. Die traditionellen Konservativen auch

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In Frankreich wird die hierzulande so genannte Sonntagsfrage - "Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Wahlen wären?" - schon seit einigen Wochen auf die Wahlen zum europäischen Parlament ausgerichtet, die für Ende Mai nächsten Jahres angesetzt sind.

Umfragen dazu sind aus unterschiedlichen Aspekten interessant: einmal weil die französischen Wähler ein besonderes Verhältnis zu europäischen Stimmabgaben haben, wie sie es etwa aufsehenerregend 2005 mit dem Nein beim Referendum zur Annahme des Vertrages über eine Verfassung für Europa vorgeführt haben (der Spiegel schrieb damals vom französischen Patienten, der einen doppelten Volksaufstand wagt). Zum anderen weil Macron als Kontrahent der EU-kritischen Populisten wie Orban und Salvini Wahlkampf macht (und damit eine Positionierung zu wiederholen versucht, die ihm als Gegner von Le Pen die Mehrheit in Frankreich brachte).

Und schließlich nicht zuletzt aktuell wegen der Proteste der Gelben Westen (Gilets jaunes, derzeit in deutschen Berichten meist mit "Gelbwesten" wiedergegeben). Man wüsste gerne, wie sie sich auf die Gunstverteilung an die Parteien auswirken.

Eine Umfrage von IFOP bestätigt nun den Eindruck, den einige internationale Beobachter und Kommentatoren äußerten, dass Le Pen davon profitiert. Ihre Partei, die seit einiger Zeit Rassemblement national (RN) statt Front National heißt, liegt in der Umfrage mit 24 Prozent, die ihr derzeit die Stimme geben würden, weit vor ihren Konkurrenten.

Die Partei von Präsident Macron, La République en Marche (LREM), kommt auf 18 Prozent. Beide Parteien waren im Oktober in etwa gleichauf (verschiedene Umfragen zeigten zwar unterschiedliche "Spitzenreiter", aber beide Formationen waren in ihren Werten sehr nah). Inzwischen hat Macrons Partei 4 Prozentpunkte verloren und Le Pens Partei um 2 Punkte zugelegt.

Auch der politische Verbündete von Marine Le Pen beim Präsidentschaftswahlkampf, die Partei Debout la France, deren Vorsitzender Nicolas Dupont-Aignan wie auch radikalere Mitglieder schnell auf den Protestzug aufsprangen, profitiert laut Umfrage. Die rechtspatriotische Kleinpartei mit minimalen Differenzen zu Le Pens "nicht mehr so teuflischer", früher deutlich rechtsextrem ausgerichteter Parteiorganisation kommt auf 8 Prozent und legt damit zwei zu.

Der Prozentsatz mag deutschen Lesern, die sich hier generell auf andere Zahlenverhältnisse einlassen müssen (vgl. "eine enorme Basis für die Gelben Westen"), zunächst als klein und nicht der Rede wert erscheinen, aber der Blick könnte sich schärfen, wenn man sieht, dass auch die Bewegung des Linken Mélenchon, La France Insoumise (etwa: "Das Frankreich, das sich nicht unterwirft"), lediglich auf 9 Prozent kommt.

Und das obwohl sich Jean-Luc Mélenchon sehr für die Gelben Westen ins Zeug legt. Zur Erinnerung und um Mélenchons Popularität einzuschätzen: Er scheiterte bei der Präsidentenwahl nur knapp am Einzug in die Stichwahl.

Auch die französischen Grünen, die längst nicht die Popularitätswerte der nächsten deutschen Kanzlerpartei erreichen, die Partei Europe Ecologie Les Verts haben etwas zugelegt und liegen mit 8 Prozent in unmittelbarer Nähe. Die Sozialdemokraten (PS) erreichen schlappe 4,5 Prozent und eine Abspaltung des PS, Générations (gegründet von Benoît Hamon, dem Präsidentschaftskandidaten der PS) genannt, die den Versuch unternimmt soziale Gerechtigkeit mit Umweltschutz zu verknüpfen, kommt auf 3,5 Prozent.

Deutlich wird mit der Umfrage, dass die bürgerlich-konservativen "Bourgeoisistes", die Republikaner, die Partei des früheren Präsidenten Sarkozy, trotz fleißiger PR-Versuche, aus den Gelben Westen politisches Kapital zu schlagen, nur bei 11 Prozent liegen und damit 2 Prozentpunkte gegenüber Oktober verloren haben.

Bemerkenswert - und für Mélenchon beunruhigend, wie das ihm anscheinend nicht besonders gut gesinnte Medium BFM-TV hervorhebt - ist, dass ein Bündnis der Linken außerhalb der Bewegung La France Insoumise, aber einschließlich der Kommunisten (die sich mit Mélenchon zerstritten haben), auf 14 Prozent kämen. Dazu würden gehören: Die Sozialdemokraten PS, die Grünen EELV, PC (die Kommunisten), Générations und Place publique, gegründet von Raphaël Glucksmann , dem Sohn des auch in Deutschland früher bekannten Philosophen André Glucksmann.

Angesichts dessen, dass sich BMTV auf eine Umfrage stützt, die der Partei Macrons nur mehr 15 Prozent zuweist (auch hier liegt Le Pens Partei mit weitem Abstand vorne - 23,5 Prozent), sitzt eine gemäßigte Linke Macron im Nacken. Eine vereinigte Linke, die Umwelt als wichtiges politisches Feld mit aufnimmt, wäre ein politischer Faktor, mit dem auch in Frankreich wieder zu rechnen wäre. Es gibt also Lebenszeichen der linken Mitte, ausgerechnet zu Zeiten der Gelben Westen.