Fahrverbote: Hessen einigt sich außergerichtlich mit Umwelthilfe

Ab Juni 2019 sollen nur noch Diesel-Autos mit der Euro-6-Norm und Benziner ab Euro-2-Norm zwei wichtige Verkehrsachsen befahren

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Es kommen härtere Tage, heißt es in dem Gedicht Die Gestundete Zeit von Ingeborg Bachmann. "Bald mußt du den Schuh schnüren." Es datiert von 1953. Heute fällt einem da eher das Fahrrad ein, das, wie die Fahrerin oder der Fahrer auch, auf Zack gebracht werden sollte, um unabhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt unterwegs zu sein.

Die Diskussion über Fahrverbote von Dieselautos hat in diesem Jahr erstaunliche Dimensionen entwickelt. Wie bei den Kollegen von Heise online heute zu lesen, ist der augenblickliche Stand der, dass es im kommenden Jahr immer häufiger "Durchfahrt verboten!" heißen könnte. Zehn Städte - Stuttgart, Köln, Essen, Gelsenkirchen, Hamburg, Berlin, Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Mainz - listet die Meldung auf, in denen Sperrungen für Dieselfahrzeuge "höchstwahrscheinlich" anstehen.

Was Darmstadt angeht, so kam es heute zu einer Premiere. Dort haben sich das Land Hessen, der ökologische Verkehrsclub VCD und die deutsche Umwelthilfe (DUH) nämlich in einer außergerichtlichen Verhandlung auf einen Vergleich geeinigt, der ab 1. Juni im nächsten Jahr, also zu einer wärmeren Zeit und mit einigem Vorlauf, beschränkte Diesel-Fahrverbote und Fahrbahnreduzierungen zur Folge hat.

Laut Hessenschau geht es dabei nur um zwei Straßen, die allerdings wichtige Verkehrsachsen sind, wo die Grenzwerte seit Jahren überschritten werden. Nach dem Wonnemonat Mai 2019 "dürfen nur noch Diesel-Autos mit der Euro-6-Norm und Benziner ab Euro-2-Norm durch diese Straßen fahren". Für Anwohner wird es Übergangsregelungen geben, für Rettungs- und Müllwagen oder Nutzfahrzeuge des örtlichen Handwerks seien Ausnahmen möglich.

Man legt der Meldung zufolge Wert darauf, möglichst sachte vorzugehen. Begleitet wird das "Durchfahrt verboten"-Vorhaben mit dem Versprechen, dass die Radwege ausgebaut werden, der öffentliche Nahverkehr besser vernetzt und die Elektromobilität gestärkt wird. Wie die Elektromobilität gestärkt wird, bleibt offen.

Offen bleibt auch wie die konkrete Umsetzung des Vorsatzes aussehen wird, wonach der "Einzelhandel nicht mehr mit Dieselfahrzeugen beliefert werden soll". Das wird die Zulieferer noch vor einige Probleme stellen. Man rechnet offensichtlich damit, dass Tüftlern und Improvisateuren noch die ganz guten Ideen dazu einfallen.

Nach einem Urteil, das gestern vom Gericht der Europäischen Union verkündet wurde, könnten künftig auch neuere Dieselfahrzeuge von Fahrverboten betroffen sein. Das Gericht erkannte die Forderung der Städte Paris, Brüssel und Madrid an, dass sie die von der EU-Kommission angehobenen Emissions-Grenzwerte für Stickoxid anfechten können. Die Städte hatten vorgebracht, dass die Grenzwerterhöhung mit ihrem Ziel der Luftreinheit kollidiert.

Die EU-Kommission war "nicht befugt, die Euro-6-Emissionsgrenzwerte für die neuen Prüfungen im praktischen Fahrbetrieb abzuändern", so der Kern der Entscheidung, die gestern von vielen deutschen Medien aufgenommen wurde, weil damit auch Dieselfahrzeuge mit der Euro-6-Norm plötzlich in die Wahrscheinlichkeitszone von Fahrverboten geraten. Obwohl doch höchstgerichtlich vom Bundesverwaltungsgericht verkündet worden war, dass Euro-5-Diesel frühestens ab September 2019 mit Fahrverboten belegt werden, wie etwa Zeit berichtet, die angesichts der Gerichtsentscheidung leicht entwarnend kommentiert:

Offen ist, ob danach auch Euro-6-Diesel drankommen. Zum einen sinken die Stickoxidwerte in den meisten Städten, zum anderen beschloss die Bundesregierung, die Grenzwerte für Stickoxid in der Stadtluft aufzuweichen, und will Autos der Euronorm 6 gesetzlich von Fahrverboten befreien. Es ist allerdings unklar, ob diese Regelung vereinbar mit Europarecht ist.

Die Zeit

Auch an den erhitzten Diskussionen über die Grundlagen der Grenzwerte ist die Krise der "Objektivität" abzulesen. Die Diskussion wird politisch geführt, nach Interessen; es gibt keine objektiven unumstößlichen Werte. Aber es gibt alarmierende Entwicklungen, die mit den Emissionen des Autoverkehrs eng zusammenhängen. Man kann gespannt sein, wie sich die Diskussion verändern wird, wenn die Konjunktur, wie es nun schon beinahe täglich vorausgesagt wird, ins Stottern kommt.