Warum hat die Russin Maria Butina ein Schuldeingeständnis abgelegt?

Maria Butina. Bild von ihrem Facebook-Account

Butina handelte nicht als Spionin, sie hat nur emsig, erfolgreich und ganz offen ein Netzwerk aufgebaut und wurde letztlich lediglich angeklagt, sich als ausländische Agentin nicht registriert zu haben

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Die 30-jährige Russin Maria Butina wurde im Juli in den USA festgenommen. Ihr wird nach 18 US Code § 371 vorgeworfen, ab 2015 versucht zu haben, mit der Hilfe eines russischen "official" und einer "U.S. Person 1", vermutlich Paul Erickson, den sie bereits in Russland kennengelernt hatte, und wahrscheinlich einem weiteren US-Bürger zugunsten von Russland in Kommunikation mit mächtigen und einflussreichen Amerikanern zu treten.

Die Anklage geht von der Staatsanwaltschaft des Bezirksgerichts Columbia aus und steht nicht in Verbindung mit dem Sonderermittler Mueller, der die mögliche russische Beeinflussung der Wahl 2016 und eine Zusammenarbeit von Trump und seinem Wahlkampfteam mit Russland untersucht. Butina ist nicht, wie viele Medien schreiben, als "Spionin" angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft hat den Vorwurf zurückgezogen, dass sie versucht haben soll, mit Sex an Informationen zu kommen oder Einfluss zu gewinnen.

Angeleitet worden sei sie von Alexander Torshin, seit mindestens 2015 stellvertretender Gouverneur der Russischen Zentralbank, im November war er von der Position zurückgetreten. Den hatte sie 2011 kennengelernt, im gleichen Jahr hatte sie eine Organisation gegründet, um für das Recht, Waffen zu tragen, einzutreten. Sie war einige Male in die USA gereist und hatte, teils zusammen mit Torshin, Kontakt mit der amerikanischen Waffenlobby NRS aufgenommen. Aufgewachsen in Sibirien hatte sie früh den Umgang mit Schusswaffen gelernt. Im Dezember 2015 besuchten einige wichtige NRA-Mitglieder eine Konferenz der von Butina gegründeten Lobbyorganisation in Russland, es wurden Treffen mit russischen Regierungsmitgliedern arrangiert. Für Torshin arbeitete sie bis 2017 als Assistentin.

Diplomatisches Projekt als Anstoß

2016 war Butina mit einem Studentenvisum in die USA gereist und begann an der American University in Washington zu studieren, dort machte sie 2018 ihren Master. Sie lebte zusammen mit Erickson, mit dem sie bereits 2015 eine "Beschreibung des diplomatischen Projekts" verfasste, in dem Möglichkeiten erwogen wurden, wie die amerikanische Außenpolitik mehr zugunsten von Russland beeinflusst werden könne. Nach der Anklageschrift werden offizielle Kanäle als wenig effektiv beschrieben, man könne aber nicht-offizielle Kommunikationskanäle aufbauen. Geeignet seien dafür Mitglieder der Republikanischen Partei, man könne davon ausgehen, dass der von dieser nominierte Kandidat die Wahl gewinnen werde.

Und dann kommt die Waffenlobby-Organisation National Rifle Association (NRA) ins Spiel. Butina mit ihrem Hintergrund als Waffenlobbyistin und ihrer Teilnahme an Konferenzen der NRA habe über die NRA, die den Republikanern nahesteht, bereits die Grundlagen für einen inoffiziellen Kommunikationskanal gelegt, den sie weiter ausbauen könne. Erickson habe Butina mit Informationen über Politiker und die Präsidentschaftswahl geholfen. Den Vorschlag des diplomatischen Projekts schickte sie an Russen ("officials und andere) und forderte 125.000 US-Dollar von einem russischen Milliardär, um die Sache voranzubringen, sich mit interessierten Personen zu treffen und herauszuarbeiten, worin "der Fokus der russischen Interessen bei der Kooperation mit den USA" liegt.

Maria Butina. Bild von ihrem Facebook-Account

Butina ist geschäftstüchtig, sie hatte schon als 21-Jährige einige Möbelgeschäfte aufgebaut - ihr Vater ist Unternehmer -, aber sie hatte sich auch schon früh für Politik interessiert. Schnell war sie in der Lage, mit zahlreichen russischen und amerikanischen Politikern und Regierungsangehörigen in Kontakt zu kommen. Torshin hat ihr nach der Anklageschrift versichert, dass ihr Projekt unterstützt werde. Ihm hatte sie geschrieben, dass man die NRA-Mitglieder, die in Russland waren, ein wenig unter Druck setzen könne. Für bessere Beziehungen zwischen Russland und den USA sorgen zu wollen, ist eigentlich kaum als kriminelles Vergehen auszulegen.

Überdies wird Butina vorgeworfen, mit einer "reichen und gut vernetzten US-Person" viele "Freundschaftsessen" veranstaltet zu haben, um dort mit einflussreichen Amerikanern über die russisch-amerikanischen Beziehungen zu diskutieren und weitere Kontakte zu knüpfen. Bei diesem reichen Amerikaner soll es sich um George D. O'Neill handeln, einem Rockefeller-Erben.

Hauptvorwurf scheint zu sein, dass Butina das Studentenvisum 2016 beantragt hat, ohne zu erklären, dass sie für eine ausländische Regierung arbeitet oder Kommunikationskanäle zwischen russischen und amerikanischen Regierungsangehörigen herstellen will. Damit habe sie gegen 18 US C § 951 verstoßen. Im Rahmen der "Verschwörung" habe sie zudem US Person 1 und den russischen "Offiziellen" über Ereignisse und Kontakte informiert. Dabei habe sich gewusst, dass der Mann der Zentralbank manchmal in Absprache mit dem russischen Außenministerium handele. Butina hat nun vor dem Gericht ein Schuldeingeständnis für alle Vorwürfe abgelegt, was auch bedeutet, dass sie mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten muss. Das kommt in den USA der antirussischen Fraktion zurecht. Endlich gibt es jemand, der bezeugen kann, dass Russland die amerikanischen Wahlen beeinflussen wollte.

Butina will wahrscheinlich mit dem Geständnis erreichen, dass ihre mögliche Strafe auf maximal 5 Jahre Gefängnis herabgesetzt wird. Die Rede ist von einem halben Jahr, aber sie könnte dafür andere Personen mit in das Verfahren hineinziehen. Möglicherweise wurde ihr auch anderes für die Mitarbeit versprochen. Anna Chapman, die derselben Tat angeklagt worden war, hatte kein Schuldeingeständnis als Spionin abgelegt, sondern auch nur, als ausländische Agentin tätig gewesen zu sein. Sie war in einem Deal zwischen Russland und den USA 2010 mit anderen russischen "Schläfern" ausgetauscht worden. Aber Butina hatte eigentlich nur offen Kontakte geknüpft und Diplomatie betrieben und mit Torshin eine Verbindung zwischen der NRA und der russischen Regierung geschaffen. Eigentlich alles ganz normal und relativ harmlos, das findet überall auf der ganzen Welt unterhalb der offiziellen Regierungspolitik statt.

Zunächst hatte Butina auf nichtschuldig plädiert. Was ist also passiert, dass sie nun umgeschaltet hat? Russland hatte den Fall als fabriziert bezeichnet. Wladimir Putin erklärte vergangenen Dienstag, er habe die Geheimdienste gefragt. Niemand wisse etwas von ihr.

Ihr drohen 15 Jahre Haft. Aber weswegen? Als ich hörte, dass um sie herum etwas los war, (…) fragte ich zunächst die Chefs unserer Spezialdienste, wer sie ist. Niemand weiß etwas von ihr, das Einzige, was man im Föderationsrat über sie weiß, ist, dass sie angeblich für einen Stellvertreter gearbeitet hatte, das ist alles. Dafür kann sie nicht zu 15 Jahren Haft verurteilt werden. Was ist denn das?

Sputnik News

Abschreckung für Amerikaner?

In den USA wird der Fall aufgebauscht, in Russland heruntergespielt. Es gibt allerdings eine Vermutung, dass das Vorgehen gegen Butina und ihr gegen was auch immer erreichtes Schuldgeständnis eine Warnung an Amerikaner sein könnte, möglichst nicht mit Russen zusammenzuarbeiten. Jeder Russe könnte ein Agent sein. Es könnte für Amerikaner in Zukunft einfacher erscheinen, schreibt Leonid Bershidsky in Bloomberg News, keinen Kontakt mit Russen aufzunehmen, als zu klären, ob sie sich als ausländische Agenten registriert haben.

Die Botschaft könne lauten, dass keine nicht-offizielle Kommunikationskanäle mit Russen - und wahrscheinlich entsprechend mit Chinesen - mehr geduldet werden. Dafür könnte auch das Auslieferungsbegehren für Meng Wanzhou, Finanzchefin von Huawei, sprechen. Sie wurde von einem amerikanischen Gericht beschuldigt, Iran-Sanktionen umgangen zu haben. Beginnt die USA nun Außenpolitik nicht nur mit Sanktionen zu betreiben, sondern auch mit der selektiven Festnahme von Ausländern, die eben auch gegen Amerikaner gerichtet ist, die mit diesen in Kontakt stehen? Und werden Frauen als besonders gefährlich erachtet?

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