Resistente Keime in der Umwelt

Bild: Jai79/CC0

Multiresistente Erreger gelangen vorwiegend aus Tiermastanlagen in die Gewässer und werden zur tödlichen Gefahr

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In einem Ende 2017 veröffentlichten Bericht warnt die Umwelt-Organisation der Vereinten Nationen (UNEP) vor Antibiotika-Resistenzen als ernstzunehmende Bedrohung.

Auch in dem von der EU-Kommission 2017 verabschiedeten Aktionsplan zur Bekämpfung der Resistenzen heißt es, die Umwelt trage zur Entwicklung und Verbreitung antimikrobieller Resistenzen bei Mensch und Tier bei. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt gar vor einem "postantibiotischen Zeitalter", wenn nicht schnell genug gegen die Ausbreitung von Resistenzen vorgegangen wird.

Der Hintergrund dafür ist: Immer mehr antibiotikaresistente Keime verbreiten sich unkontrolliert in deutschen Gewässern und Brunnen. Das ergaben auch die Analysen von Wasserproben, die Greenpeace-Mitarbeiter von Mai bis September 2018 aus Flüssen, Seen, Kanälen an verschiedenen Standorten in Deutschland entnahmen.

In 38 Prozent der untersuchten Proben fanden sich multiresistente Erreger vom Typ ESBL: So wurden in den aus Flüssen und Seen genommenen Proben in 25 von 66 Fällen multiresistente Bakterien der sogenannten ESBL (Extended-Spectrum-Beta-Laktamase)-Stämme festgestellt. Bereits 2017 hatte Greenpeace in 13 von 19 untersuchten Schweinegülle-Proben aus ganz Deutschland multiresistente Erreger gefunden. "Breiten sich die Keime immer weiter aus, wächst die Gefahr, dass immer mehr Antibiotika als wichtigste Waffe gegen Infektionskrankheiten ihre Wirksamkeit verlieren", erklärt Campaigner Dirk Zimmermann in einer Greenpeace-Pressemitteilung.

Keimbelastetes Wasser aus Krankenhäusern

Seit kurzem untersuchen Wissenschaftler verschiedener Universitäten in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projekt die Frage, wie sich antibiotikaresistente Bakterien durch Abwasser verbreiten. Ziel sei es, "die Eintragspfade von antibiotikaresistenten Bakterien, Antibiotikaresistenzgenen und Antibiotikarückständen von Mensch oder Tier in die Umwelt qualitativ und quantitativ zu charakterisieren und die Ausbreitung in die Umwelt zu unterbrechen".

Untersucht werde zudem die Rückkopplung zum Menschen durch Kontakt mit Wasser, Abwasser oder in Kliniken. Und schließlich soll die Rückverfolgbarkeit von Antibiotika resistenten Erregern und Resistenzgenen aus Abwässern auf deren Ursprungsorte geprüft werden.

Außerdem sollen diejenigen Kontaminationsquellen identifiziert werden, die den größten Anteil der mikrobiologischen Belastung eines Gewässers ausmachen. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil die Abwasserqualität direkt die Qualität des Rohwassers beeinflusst, genauer gesagt, des unbehandelten Wassers, bevor es zu Trinkwasser aufbereitet wird.

So gelangen resistente Keime auch aus Kliniken in die Gewässer, ohne dass sie von Kläranlagen vollständig herausgefiltert werden könnten. Dieser Infektionsquelle soll zukünftig bei der Ausbruchskontrolle Antibiotika-resistenter Gram-negativer Erreger eine größere Bedeutung beigemessen werden.

Um Keime, Antibiotika und Mikrochemikalien systematisch aus den Abwassern zu filtern, müssten die großen Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgestattet werden, fordert die Präsidentin des Bundesumweltamtes, Maria Krautzberger. Einer jüngeren britischen Studie zufolge haben Surfer und Wassersportler besonders häufig multiresistente Erreger im Darm, denn offenbar schlucken sie zu viel keimverseuchtes Wasser.

Zunächst bleiben sie unbemerkt. Die multiresistenten Keime werden erst dann zum Problem, wenn die Betroffenen wegen einer Erkrankung oder einer Operation für Infektionen anfällig werden. Zudem können bereits geringe Mengen an resistenten Krankheitserregern zu Problemen führen. Glaubt man den Autoren des oben genannten Greenpeace-Berichtes, erkranken alleine in der EU jedes Jahr 670.000 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger. Und 33.000 Menschen ersterben pro Jahr daran - laut Robert Koch Institut. (Anm. d. Red.: Hier stand zuvor versehentlich 330.000. Die zu hohe Zahl ist der Greenpeace-Analyse - siehe Seite 3 dort - entnommen, die sich darin auf Angaben des Robert Koch Instituts beruft, aber versehentlich eine Null zuviel hinzugefügt hatte. Die Redaktion bittet um Entschuldigung für die fehlerhafte Übernahme und dankt dem Leser, der sie darauf aufmerksam gemacht hat.)

Erste Erfolge in Niedersachsen

Keime und Bakterien gelangen über gedüngtes Getreide, Speisefische, Vögel, Ratten oder andere Tiere in die Umwelt, und von hier aus zurück zum Menschen. Auch über rohes Fleisch können sich Menschen infizieren. Außerdem werden Keime von Fliegen übertragen, denn Fliegen lassen sich am liebsten auf Fäkalien oder eiternden Wunden nieder. Wie eine aktuelle in Nature veröffentlichte Studie zeigt, sollte die Anzahl und Vielfalt der Krankheitserreger, die an Fliegen-Beinen und -Flügeln haften, nicht unterschätzt werden.

Eins der wenigen Bundesländer, die eigene Programme zur Bekämpfung der Keime durchführen, ist Niedersachsen: Über das so genannte Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen (ARMIN) wird die Resistenzentwicklung der klinisch relevanten Bakterien im stationären und ambulanten Versorgungsbereich systematisch erfasst und beobachtet. In 14 niedersächsischen Laboren wurden bakteriologische und mikrobiologische Untersuchungen und Resistenztests durchgeführt.

Glaubt man Gesundheitsministerin Carola Reimann, ist der Keimbefall dank Hygienemaßnahmen sowie Screening auf das antibiotikaresistente Bakterium MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) zurückgegangen.

Bereits vor knapp einem Jahr hatten Wissenschaftler im Auftrag des NDR niedersächsische Gewässer untersucht. An zwölf Probenstellen fanden sich Antibiotika-resistente Keime in Bächen, Flüssen und Badeseen. Sämtlichen Wasserproben, die durch das Institut für Hydrobiologie der TU Dresden ausgewertet wurden, waren mit multiresistenten Erregern infiziert. Tim Eckmanns, Antibiotika-Experte des Robert-Koch-Instituts, ist überrascht vom Ausmaß, in dem die Erreger in der Umwelt inzwischen angekommen sind.