Kann der Bitcoin bald wertlos werden?

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Ein Kommentar

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Seit seinem Allzeithoch von knapp 20.000 US-Dollar Ende 2017 hat der Bitcoin bereits 80% an Wert verloren. Kann die stark beworbene Kryptowährung bald wertlos werden? Auch ohne das "Bitcoin-Chinesisch" lässt sich jedem Nicht-Fachmann erklären, warum dieses Szenario sehr wohl realistisch ist.

Bitcoin ist ein Datensatz aus Zahlen und Buchstaben

Materiell gesehen ist Bitcoin mit einer Gedenkmünze nicht vergleichbar. Der Käufer wird schnell merken, dass er hier lediglich einen Datensatz aus Zahlen und Buchstaben erwirbt, so etwas wie ein Kennwort. Diesen Satz deponiert er bei einer kontoähnlichen Aufbewahrungsstelle - digital geht es nicht anders - und unternimmt von dort aus seine Transaktionen. Weder Kontofälschungen noch ein Zugriff und Kontrolle durch staatliche Organe sind möglich, Internetüberweisungen aber schon. Was liegt näher als zu glauben, es läge hier tatsächlich ein sicherer, inflationsfreier, anonymer aber weltweit anerkannter "Wert" vor, der als Währung eingesetzt werden kann. Wenn es eine Währung wäre!

Der Bitcoin besitzt weder exklusive Krypto-Eigenschaften …

Wegen vorgenannter Attribute wird von seinen Promotoren fälschlicherweise behauptet, Bitcoin sei eine exklusiv "verschlüsselte" Währung. Denn mit der sog. Blockchain-Technologie darf jedermann Bitcoin-Konkurrenten erstellen. Es gibt gegenwärtig weltweit etwa 3000 Kryptowährungen, denen nur etwa 100 staatliche Währungen der Notenbanken gegenüberstehen. Auch versuchten schon Staaten die Anonymität der Krypto-Währungen zu brechen - es gibt schon die ersten Verbote! -, weil sie sie als "Konkurrenzwährung" zur eigenen Landeswährung sehen. Wie soll da eine Steuerschuld berechnet werden? Wer als Anleger nicht an die Aufgabe dieses Staatsmonopols glaubt, der muss Bitcoins meiden auch wenn der Kurs bereits so massiv eingebrochen ist.

Mit dem Währungs- und Wertcharakter des Anlegelieblings ist es ohnehin nicht weit her. Trotz großen medialen Rummels beträgt die Börsenkapitalisierung aller umlaufenden Kryptowährungen weltweit heute gerade 137 Mrd. US-Dollar. Das sind gerade 0,1% Prozent der globalen Kapitalanlagen, die 2017 von der Weltbank auf 136 Billionen US-Dollar geschätzt werden.

… noch ist er eine echte Währung

Zudem müssen die Wirtschaftssubjekte eine nicht-staatliche Währung akzeptieren wollen. Denkbar ist dieser Fall nur, wenn hinter ihr ein Wert und nicht allein der Glaube oder ein Modetrend stehen. Der US-Dollar oder der Euro mögen noch so unvollkommen sein, sie verkörpern jedoch immerhin einen - wenngleich schwindenden - Anteil an den Volkswirtschaften.

Wie schnell andererseits der Glaube an "virtuelle Werte" einbrechen kann, zeigt das bittere Ende des Neuen Marktes in den Jahren 1999-2002. Die Aktie von Intershop Communication, die damals mit dem Slogan vom revolutionären E-Commerce die Anlegerwelt elektrisierte, belegt exemplarisch, wie schnell so etwas passiert. Der Kurs fiel innerhalb eines Jahres von 50 € auf knapp 2 €. Wer also, wie die meisten Bargeldverteidiger, nicht daran glaubt, eine digitale Währung werde sich gegen die in Jahrtausenden bewährten Münzen und Banknoten durchzusetzen vermögen, der darf auch keine Bitcoins kaufen.

Wie geht es mit dem Bitcoin weiter?

Es ist unstrittig, dass sich die zur "Bitcoin-Schürfung" verwendete Blockchain-Technologie bei Banken und Versicherungen auf dem Vormarsch befindet. Das sind jedoch zwei verschiedene Dinge. Das eine ist eine Pseudo-Währung, das andere ein zukunftsorientiertes nützliches Verschlüsselungsverfahren. Der Datensatz aus Zahlen und Buchstaben kann sehr wohl bis auf den Kurs seiner Erstnotierung von 7,83 € in 2009 fallen. Auch 100 US-Dollar wären für die meisten gutgläubigen Anleger immer noch eine Katastrophe.

Bitcoin besitzt keinen fundamentalen Wert und ist nur ein "Produktionskostenträger", der einen extremen Stromverbrauch von bis zu 5.000 US-Dollar pro Stück verursachen kann. Kosten sind aber noch kein Wert per se. Wer diese "digitale Münze" noch heute schürft, muss einen starken Glauben an ein Kurswunder besitzen. Wie der Herstellungsprozess technisch vonstattengeht ist für Anleger unwichtig. Ihn interessiert die betriebswirtschaftliche Seite. Wenn er Aktien von Fluglinien kauft, wird er ebenfalls sich nicht seine Zeit für das Studium der Motorik der Flieger vergeuden.

Die nüchtern kalkulierende Börse lehrt: Alles, was einen pseudo-ökonomischen Charakter hat, bricht früher oder später ein. Am Neuen Markt wurde zum Beispiel seinerzeit behauptet, Unternehmen, die die höchsten Verluste einfahren, befinden sich gerade auf Akquisition und werden bald zu Marktchampions aufsteigen. Ihre Aktien seien die zukünftigen Kursfavoriten. Das war höchst pseudo-ökonomisch. Außer Banken, Händlern, Analysten, Börsenmagazinen und vielen anderen Kapitalmarktlieferanten verdiente mit Aktien des Neuen Marktes kaum jemand Geld. So wird es heute wohl auch mit dem Bitcoin sein. Die aggressive Verkaufswerbung in allen Medien fällt auf jeden Fall heute wie damals auf. Auch der hohe Spread von über 1% zwischen den Kauf- und den Verkaufskursen des Bitcoins, zeigt heute wie damals, dass es sich hier um einen wenig liquiden Markt handelt.

Die temporäre Kurserholung am 17.12. von robusten 7% - bei allerdings geringen Umsätzen - bringt keine Wende. Sie besagt nach dem 1 x 1 der Charttheorie allenfalls, dass der Abwärtskanal weiter intakt bleibt. Sie ist kein nachvollziehbares Kaufargument. Der Glaube, dass sich der Kurs einer stark gefallenen Anlage automatisch erholen muss, ist ebenfalls pseudoökonomisch.