Deutsche Bank bald unter Staatskontrolle?

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Ein Kommentar

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Die Schadenfreude über den Fall der "Größenwahnsinnigen" (Spiegel) war groß, die Sorge um ihre Zukunft scheint sich in Grenzen zu halten. Die letzten Durchsuchungen hatten die Medien gerade zwei Tage beschäftigt. Der Aktienkurs des einstigen Global Players ist heute niedriger als vor dreißig Jahren. Auch die Kurse der über 800 Anleihen fallen weiter. Der Banktitel ist nicht mehr im Index EuroStoxx50 vertreten.

Experten sehen in diesem demütigenden Niedergang die Strafe für die Geschäftsskandale, dreiste Bilanztricks, Globalisierungsexzesse und die Arroganz des Managements. Wie geht es weiter mit dem deutschen Marktchampion? Gerät er, wie gemunkelt wird, bald unter staatliche Kontrolle?

Das 1 x 1 der Bankenkrisen und wie die Institute aus ihnen herauskommen

Bankenkrisen haben viele Gesichter. Direkte Insolvenzen sind im Sektor selten. "Bankentechnisch" liegen sie vor, wenn ein Geldhaus zahlungsunfähig oder wegen Eigenkapitalmangel von der Aufsicht abgewickelt wird. Der letzte Fall passiert bei gravierenden Schieflagen im Kredit- und Börsengeschäft. Manchmal gibt es ein Happy End: Ein Finanzinvestor springt ein oder es fließt frisches Geld aus der Kapitalerhöhung.

In der Realität kommen somit eher "indirekte Insolvenzen" vor. Hierbei verliert eine Bank die juristische Selbständigkeit, wenn sie verkauft, zerschlagen, friedlich oder feindlich übernommen wird oder fusionieren muss. Noch viel seltener sind die Liquiditätsprobleme. Kurzfristig sind sie unproblematisch, weil sich immer Banken finden, die anderen zum hohen Zins Geld verleihen. Schließlich sind für die Geldversorgung Mario Draghi und die EZB zuständig. Auch vorübergehende "Liquiditätsstreiks" kennt die Branche. In diesem Fall leihen sich Banken kein Geld mehr. Die fehlende Fristenkongruenz ist ein weiteres gefährliches Problem. Wenn aufgrund falscher Zinserwartungen langfristige Kredite kurzfristig refinanziert werden, kann der Pechvogel auf negativer Zinsmarge sitzen bleiben.

Entscheidend ist immer, wer Probleme bekommt. Eine Einzelbank wird aus Angst vor "Domino-Effekten" mit Rettungsschirmen aus der Krise befreit. Wie die Rettung im Falle einer Gesamtbranche ausfallen würde, musste, Gott sei Dank, noch nicht getestet werden.

Insolvenzrisiko bei der Deutschen Bank eher gering

Was aus dem vorgenannten Krisenkatalog droht konkret der Deutschen Bank?

Zunächst muss eine Entwarnung ausgesprochen werden. Heute sind italienische Großbanken genauso gefährdet wie die Deutsche Bank, die jedoch relevanter ist. Ihr Ausfall könnte weltweite Marktturbulenzen auslösen. 2016 war der Finanzriese mit 50 Bill. Euro Derivatevolumen noch weltgrößter Player. Mehrere fatale Ereignisse hätten schon auftreten müssen, damit dieser Koloss kippen darf.

Wird sein Eigenkapital zu knapp, springen höchstwahrscheinlich der deutsche Staat als Kapitalgeber und der europäische Bankenabwicklungsfonds als Sanierer ein. Zudem ist es mit der Eigenkapitalknappheit noch nicht so weit. Der Konzern besitzt mit einer Quote von 14% noch genügend Sicherungsmittel. Wenn es dennoch kritisch werden sollte, wird der Fonds die "faulen" Kredite und Anlagen kaufen und versuchen die Titel "Kurs schonend" zu verkaufen. Die Bilanz der Deutschen Bank wird wieder sauber. Die Zeiten, als Ex-Chef Josef Ackermann - heute angeklagt - sich schämte, vom Staat Geld zu nehmen, sind endgültig vorbei.

Demgegenüber kann die aktuell desolate Geschäftslage des Konzerns mit einem Satz beschrieben werden: Wegen des hohen Vertrauensverlustes aufgrund der häufigen Vorstands- und Investorenwechsel, den pausenlosen Affären, Gerichtsprozessen und Strafzahlungen leidet das Institut an Kundenschwund und akuter Ertragsschwäche. Daran ändert auch nichts der positive Ausrutscher im dritten Quartal 2018.

Jedem, der sich ein Bild über den Ruf des deutschen Primus wünscht, dem genügt das Kurzstudium der diesjährigen Negativschlagzeilen. Für die Gewinnung von neuem Vertrauen muss viel getan werden: Die Bank sollte allgemeinverständliche Geschäftsberichte ohne Anglizismen schreiben, sich von der Bilanzakrobatik lösen, die Investmentbanking-Allüren aufgeben, bei der Globalisierung leiser treten, die Ergebnisse verstetigen und last but not least die millionenschweren Boni der Vorstände einstellen. Vieles davon wird gerade mit großer Mühe umgesetzt.

Auch die deutsche BaFin und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) müssten das Institut härter anpacken. Es darf nicht sein, dass die Bank selber ihr Risikokapital mit komplizierten "internen Modellen" berechnet - was übrigens branchenüblich ist -, und die personell unterlegene Aufsicht die Zahlenwerke einfach abnickt. Die Aufsichten kontrollieren heute zu wenig aktiv, zu viel reaktiv. Von neuen "Affären" und halblegalen Aktivitäten erfahren die Kontrolleure und die Bürger und Aktionäre oft erst, wenn neue US-Strafzahlungen fällig werden. Wenngleich die Strafen bei einem Bilanzkapital von (noch?) 63 Mrd. € für die Deutsche Bank nicht existenzbedrohlich waren, dem Image schadeten sie allenfalls.

Hedgefonds, Staatseinstieg und Fusion mit der Commerzbank gleich wahrscheinlich

Auch wenn eine direkte Insolvenz der letzten deutschen Großbank unwahrscheinlich erscheint, bleibt die Frage der indirekten Insolvenzgefahr weiter offen. In Bezug auf Übernahmen und neue Investoren tut sich hier viel Aufregendes. Bei maroden Großbanken - wie den Frankfurtern - versuchen globale Hedgefonds und Finanzinvestoren oft mit Hilfe von Ratingagenturen durch aggressive, jedoch rechtlich zulässige Baisse-Strategien (Leerverkäufe, Optionen) den Aktienkurs zu drücken. So weit bis feindliche Übernahmen oder Aufspaltungen lohnend werden. Dafür ist eine Zusammenarbeit der Großaktionäre notwendig. Bei der Deutsche Bank mit einem hohen Streubesitz, der größte Aktionär BlackRock hält gerade 5% der Anteile, wird das nicht einfach sein.

Dennoch scheint die Gefahr keinesfalls gebannt zu sein. An die Frankfurter macht sich gerade eine neuer US-Hedgefonds Hudson Executive heran, den die Medien als "Retter" feierten. Sie unterliegen dabei dem altbekannten Trugschluss, da nicht die Bank das Geld des Einsteigers bekommt, sondern der Verkäufer der Anteile.

Auch von einer anderen Seite droht latentes Ungemach. Sollten größere Bilanzmanipulationen entdeckt werden - was bei einer Skandalbank, denkt man an die letzten Durchsuchungen im Zusammenhang mit den Panama Papers kein Wunder wäre - und Massenentlassungen drohen, wird wahrscheinlich Berlin, wie früher bei der Commerzbank, einspringen. Der Bund würde wahrscheinlich eine Fusion beider Banken verlangen und selbstverständlich nicht den "Untergang" des Primus beklagen, sondern seine "alternativlose Rettung" feiern. Der neue Bankchef Christian Sewing spürt das kommen, biedert sich der Politik schon vorsorglich an, indem er vor wirtschaftlichen Schocks durch politischen Nationalismus warnt.