Aufrüstung in der Arktis

Russische U-Boote in der Arktis. Bild: mil.ru

Russland baut die Militärpräsenz aus, mit der großen Übung Trident Juncture hat die Nato Anspruch demonstriert, Vorfälle wie in Kertsch können sich auch hier wiederholen

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Ende November kam es zu einem militärischen Vorfall in der Kertschstraße. Russland hat in aller Eile nach der Übernahme der Krim, die von den meisten Staaten als illegale Annexion bezeichnet wird, eine Brücke zwischen dem russischen Festland über die Straße von Kertsch auf die Krim gebaut. Moskau betrachtet die Straße von Kertsch, die das Schwarze Meer vom Asowschen Meer trennt, an dem wichtige ukrainische Häfen wie Mariupol liegen, als russisches Hoheitsgewässer. Mit der Brücke, die leicht den Zugang zum Asowschen Meer sperrbar macht, wird es faktisch zu einem Binnenmeer. Bei Kontrollen der durchfahrenden Schiffe soll es zu teils langen Verzögerungen gekommen sein, was von Kiew als Schikane betrachtet wird.

Zum Konflikt kam es, als die Ukraine versuchte, drei militärische Schiffe in das Asowsche Meer fahren zu lassen. Kiew beruft sich auf ein Abkommen aus dem Jahr 2003, in dem die Ukraine und Russland sich gegenseitig freie Durchfahrt garantiert hatten. Nach Russland hätten sich die ukrainischen Marine-Schiffe nicht angemeldet, weswegen sie von der russischen Küstenwache wegen des Eindringens in russisches Hoheitsgebiet verfolgt, beschossen und eines auch gerammt wurde. Die drei Schiffe wurden beschlagnahmt, die Besatzung in Russland inhaftiert. Russland wirft der Ukraine vor, den Vorfall inszeniert zu haben. Kiew verhängte den Kriegszustand über einige Gebiete für einen Monat und forderte die Nato-Staaten auf, ihrerseits Kriegsschiffe zu schicken.

Vorgeworfen wird Russland, nicht nur das Abkommen mit der Ukraine, sondern vor allem das UN-Seerechtsübereinkommen gebrochen zu haben, nachdem Schiffe Meerengen auch ohne Zustimmung der Anliegerstaaten passieren können. Das würde mit der völkerrechtlichen Situation der Krim nichts zu tun haben. Das Übereinkommen garantiert übrigens auch Russland die Durchfahrt vom Schwarzen Meer in das Mittelmeer durch den Bosporus. Die USA sind im Unterschied zu Russland und 163 weiteren Staaten dem Seerechtsübereinkommen nicht beigetreten.

Der militärische Vorfall von Kertsch könnte aber nur ein erster Vorschein von künftigen Konflikten in anderen Meeren werden. Russland baut seine Kontrolle über Küstengewässer aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen aus, der Kertsch-Vorfall könnte demonstrieren, dass Russland aggressiver reagieren wird, wenn eigene Ansprüche gesichert werden sollen. Daneben ist die Ankündigung, in Venezuela einen Marinestützpunkt einzurichten, ein deutliches Signal an die USA, dass Einschüchterungsmaßnahmen auch andersherum funktionieren.

So beansprucht Russland auch das Ochotskische Meer in Ostsibirien westlich der Kurilen-Inselgruppe als Binnensee, nachdem die UN-Kommission über die Begrenzung des Kontinentalsockels (CLCS) im Rahmen des Seerechtsübereinkommens entschieden hat, dass der russische Kontinentalsockel das gesamte Gebiet abdeckt:

The Partial Revised Submission concerns an enclave that lies landward of the following three lines: (i) the 60 M formula line, (ii) the distance constraint of 350 M and (iii) the depth constraint determined at a distance of 100 M from the 2500 m isobath, no outer limits delineated by straight lines not exceeding 60 M in length, connecting fixed points, defined by coordinates of latitude and longitude are required.

Consequently, the Commission recommends that the Enclave be regarded as part of the continental shelf of the Russian Federation.

Entscheidung des ClCS vom 11.3.2014

Russland hat daraufhin gleich das Gebiet für die Fischerei und für die Suche nach Ressourcen geschlossen. Noch ungelöst ist die Kurilen-Frage mit Japan, aber es zeichnet sich eine Lösung ab (Kompromiss im Kurilenstreit). Allerdings gab es gerade wieder Protest aus Japan, weil Russland auf einer der umstrittenen südlichen Inseln Unterkünfte für Soldaten errichtet hat. In der Nähe, auf der Halbinsel Kamchatka, gibt es einen Atom-U-Boot-Stützpunkt. Gerade erst fand wieder eine Militärübung der strategischen Atomkräfte mit U-Booten und Langstreckenraketen im Ochotskische Meer und der Barentsee statt.

Militärische Arktisstation. Bild: mil.ru

Konflikt in der Arktis geopolitisch wichtiger ist als der in der Ukraine

Seit Jahren ist schon ein geopolitischer Konflikt in der Arktis über die dort vorhandenen Ressourcen entbrannt, die aufgrund der Klimaerwärmung zugänglich werden. Auch hier kommt es darauf an, wie weit der Kontinentalsockel der jeweiligen Länder deren Anspruch legitimieren kann. 2007 hatte Moskau in einer symbolischen Aktion mit U-Booten in einer Tiefe von 4200 Metern die russische Flagge auf dem als besonders ergiebig geltenden Lomonossow-Rücken postiert, den Russland für sich beansprucht - aber auch Dänemark und Kanada.

Seit 2013 baut Russland seine militärische Präsenz und Militärstützpunkte in der Arktis aus - ähnlich wie dies China im Südchinesischen Meer macht (Nato-Russland-Konflikt in der Arktis). So werden Luftwaffen-und Marinestützpunkte auf arktischen Inseln errichtet, eine neue Eisbrecher-Flotte wird gebaut und U-Boot-Drohnen sollen die Anlagen schützen.

Ab nächstem Jahr will Russland Öl- und Gastransporte von ausländischen Schiffen in der russischen Arktis einschränken. Mit der Nato-Übung "Trident Juncture" Ende Oktober hat die Nato darauf reagiert und damit demonstriert, dass der Konflikt in der Arktis geopolitisch wichtiger ist als der in der Ukraine (Geht es bei der Nato-Übung Trident Juncture um die Arktis?).

Ende Oktober hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg während Trident Juncture angekündigt, dass die Nato auf die militärische Präsenz Russlands in der Arktis entsprechend antworten und ebenfalls die Präsenz ausbauen werde. Stoltenberg stellte die Sicherung der Unterseekabel zwischen Amerika und Europa heraus, weswegen die Anti-U-Boot-Kriegsführung geübt und in neue Kapazitäten der Marine und der Luftwaffe investiert werde, die für die Arktis wichtig seien.

Russische Fahreinschränkungen und amerikanische Operationen für die Freiheit der Schiffsfahrt

Ende November berichtete Sputnik, dass nach Generaloberst Michail Misinzew, Chef des Nationalen Verteidigungszentrums, ab 2019 ausländische Militärschiffe eine Genehmigung benötigen, um auf der Nordostpassage von der Barentsee bis zur Beringstraße in von Russland beanspruchten Gewässern der ausschließlichen Wirtschaftszone von 200 Seemeilen zu fahren. Vizeverteidigungsminister Alexander Fomin erläuterte, so Tass, dass sich der Kampf um die Kontrolle der natürlichen Ressourcen und den Zugang zur Nordseeroute beschleunige. Die USA und ihre Allierten würden die Spannungen verstärken, die russische Antwort sei erhöhte Kampfbereitschaft.

Man kann erwarten, dass die amerikanische Strategie, angeblich für die Freie Seefahrt mit militärischen Missionen zu streiten, also mit FONOP (freedom of navigation operations), zunehmend nach dem Südchinesischen Meer auch in den von Russland beanspruchten Meeresgebieten stattfinden wird. Es handelt sich um Nadelstiche, die provozieren und testen sollen, aber auch in einen Konflikt münden können.

Am vergangenen Dienst hat der russische Verteidigungsminister Shogui darauf hingewiesen, dass die von der US Navy wieder eingerichtete Zweite Flotte die US-Präsenz in der Arktis ausbauen soll. Man habe Sorge, so das Pentagon, dass Russland die Bewegungsfreiheit der Nato-Schiffe einschränken könne.

Navy-Vizeadmiral Andrew Lewis, der Kommandeur der Zweiten Flotte, erklärte kürzlich, man werde sich in den umstrittenen Gebieten weiter bewegen können: "It's based upon physical maneuver. It's based upon maneuver in the spectrum, and it's based upon our ability to keep quiet when it's time to keep quiet and talk when it's time to talk." Der Vizeadmiral sagte, das geschehe mit einem Blick auf Russland, die Aktivität der russischen U-Boote und der Marine habe in den letzten Jahren zugelegt. Der russische General Nikolay Yevmenov sagte am Dienstag, man habe mit regelmäßigen Kontrollflügen von Anti-U-Boot-Flugzeugen über der Arktis begonnen. Shogui erklärte, Russland werde 2019 die Infrastruktur für den Aufbau von Radar- und Raketenabwehrsystemen in der Arktis schaffen.

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