Frankreich will Einsatz in Syrien "für den Moment" fortsetzen

Archivbild: Französische Fallschirmjäger. Bild: USAF/gemeinfrei

Die Abzugspläne der USA machen aber eine längere Präsenz der französischen Einheiten wenig wahrscheinlich

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Frankreich ist militärisch eng mit den Kurden der YPG verbündet. Es gab Bilder von französischen Einheiten im Südosten Syriens, wo die YPG im Gebiet des Euphrat-Tals gegen die IS-Milizen kämpft und es gab Bilder von der Präsenz französischer Einheiten in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens, auch in Manbij (auch: Mandisch). Die Entscheidung des US-Präsidenten Trump zum Abzug der US-Truppen aus Syrien hat auch Konsequenzen für Frankreich.

Wahrscheinlich ist, dass in der Folge des US-Abzugs auch die französischen Soldaten Syrien verlassen werden. Aber dazu gibt es noch keine offiziell überlieferte Aussage von Macron oder dessen Außenminister Le Drian. Bis zum Mittag des heutigen Tages gibt es als offizielle Positionierung nur das Statement der Ministerin für europäische Angelegenheiten, Nathalie Loiseau, die Medien gegenüber betonte, dass Frankreich sein militärisches Engagement fortsetzen werde. Allerdings findet sich im Wortlaut eine Einschränkung: "Für den Moment bleiben wir in Syrien."

Im Original steht nach dem Wort "Moment" das Wörtchen "bien sûr"; es kann mit "ganz sicher", "zweifellos" oder "selbstverständlich" übersetzt werden, bezieht sich aber nur auf die aktuelle Lage "pour le moment". Zur augenblicklichen Lage gehört, dass die Weihnachtsfeiertage vor der Tür stehen, sich der Chef des Außenministeriums um die Vorbereitung zum G-7-Gipfel in Biarritz kümmert, wo die Gelben Westen das nächstliegende Gegenüber stellen und Macron sich nach den innenpolitischen Turbulenzen der letzten Wochen Palastruhe gönnt.

Man kann aber davon ausgehen, dass Trumps Entscheidung in den Köpfen der französischen Regierung Anlass zu viel Nachdenken gibt. Einen Widerhall davon gibt die Mehrheitsmeinung der großen Medien, wo die Entscheidung des US-Präsidenten tendenziell auf kein positives Echo stößt, sondern als "unerwartet und brutal" bezeichnet wird. Was sich erneut zeigt ist, dass die früher im Nahen Osten und in Syrien einflussreiche europäische Mittelmacht dort keine eigenständige Rolle hat. Ihr militärischer Bewegungsspielraum wird von den USA abgesteckt, man will sich das nur nicht deutlich nach außen eingestehen.

Verteidigungsministerin Parly: "Der IS ist nicht besiegt"

Wie sollen die französischen Truppen in den bislang von Kurden und der SDF kontrollierten syrischen Gebieten agieren, wenn die USA, wie etwa bei Ha'aretz berichtet wird, auch die Luftangriffe gegen die IS-Miliz einstellen wird und nach Informationen des Syrien-Beobachters Aron Lund auch ihre Elite-Einheiten aus al-Tanf im Süden Syriens abziehen wird?

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly reagierte schnell auf Trumps Entscheidung, allerdings ohne auf Konsequenzen für die französischen Truppen einzugehen. Sie stellte heraus, was zu den Kernargumenten sämtlicher Kritiker oder Gegner des US-Abzugs gehört: Dass der Islamische Staat zwar geschwächt, aber noch nicht besiegt sei und "auch die letzten Taschen dieser terroristischen Organisation definitiv militärisch besiegt werden müssen".

Das stimmt zwar, wie etwa beim Blog Flutterbareer im aktuellen Lagebericht im Detail nachzuvollziehen ist. Aber für die USA ist die Darstellung wichtiger - "Nach historischen Siegen gegen ISIS wird es Zeit …" - und vor allem größere Interessen und an diesen Interessen wird sich wahrscheinlich auch Frankreich ausrichten müssen. Es geht mit der Türkei, die wesentlich mit den Abzugsplänen zu tun hat, immerhin um ein Nato-Mitglied.

Appelle der Kurden an Paris

So kann der Vertreter Rojavas in Frankreichs, Khaled Issa, zwar in einem öffentlichen Appell darum bitten, dass Frankreich sein Militär nicht aus Syrien abzieht, weil diese zusammen mit den US-Streitkräften "der beste Schutz gegen die Türkei sind" und ranghohe Vertreter der Kurden nach Paris kommen, aber Hoffnungen der Kurden auf französische Unterstützung müssen sich wohl realistisch auf nur begrenzte Hilfe in Syrien einstellen.

Wie es augenblicklich aussieht, wäre der angekündigte Militäreinsatz der Türkei hauptsächlich über Russland und die syrische Regierung zu verhindern. Laut Informationen von Moon of Alabama, die weiter aber nicht durch Quellen belegt werden, hat das US-Außenministerium bereits damit begonnen, Personal abzuziehen. Der Abzug der US-Soldaten und von Vertragspartnern soll angeblich im Zeitraum der nächsten 60 bis 100 Tage geschehen.

Nach Spekulationen des Blogs, der den USA im Nahen Osten seit vielen Jahren genau auf die Finger schaut, soll es eine koordinierte Übergabe an russische Berater geben, die dann die Militärberater der Green Berets ersetzen, die bislang das Kommando der kurdischen und arabischen Stammes-Milizen bei Kämpfen gegen den IS führen.

Wird Russland den Militäreinsatz der Türkei verhindern?

"Russland wird die Türkei davon überzeugen, dass es keine weitere Notwendigkeit gibt, im Osten Syriens einzumarschieren", wäre nach Auffassung von Moon of Alabama die eine Hoffnung, die den Kurden noch bleibt. Die andere, die dazu gehört, wären Verhandlungen mit der syrischen Regierung, bei denen sich die Kurden allerdings gänzlich von ihren Autonomieplänen verabschieden müssen.

Laut Reuters steht das französische Außenministerium in Verhandlungen mit den USA über die genauen Modalitäten des Rückzugs. Es sei für Frankreich wichtig, dass die USA die Bevölkerung im Nordosten Syriens und die Stabilität der Zone berücksichtigen, um "ein neues humanitäres Drama und die Rückkehr der Terroristen zu verhindern".

Der französische Syrien-Experte Fabrice Balanche geht davon aus, dass sich die Türkei nicht von ihrer Offensive abhalten lässt. Seiner Einschätzung nach haben "Moskau, Teheran und Ankara einen Deal". Die Türkei werde die YPG zerstören und Nordsyrien kontrollieren, die syrische Armee das arabische Gebiet einnehmen und Iran seinen Korridor erweitern. Das sei dann das "Ende der YPG-Herrschaft". Nach dieser Aussicht würden verlustreiche Auseinandersetzungen bevorstehen.