USA: Aufdecker von russischer Desinformation führten Wahlbeeinflussungskampagne durch

Der Geheimdienstausschuss des Senats hat einen Bericht von New Knowledge über russische Desinformation veröffentlicht, die Firma war 2017 vermutlich an einer Beeinflussungskampagne für einen Demokraten beteiligt

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Auch auf heise.de wurden unter dem Titel "Russische Trolle: Manipulations-Kampagne war noch umfangreicher und ist nicht zu Ende" die Ergebnisse der vom Geheimdienstausschuss des US-Senats veröffentlichten Berichte von New Knowledge und Oxford University wiedergegeben.

"Russische Internettrolle im Staatsdienst" von der Internet Research Agency hätten, so der "Disinformation Report" von New Knowledge, auf Facebook, Twitter und vor allem Instagram mit Werbeanzeigen vor allem afroamerikanische Social-Media-Nutzer davon abhalten wollen, zur Wahl zu gehen. Wenn schon der Geheimdienstausschuss die Berichte veröffentlicht, werden sie wohl auch stimmen, werden wohl viele glauben. Man sollte aber wohl bei all den wechselseitigen Beeinflussungsversuchen und Propagandaaktivitäten einen Schritt zurücktreten und einer rationalen Skepsis, immerhin eine der Grundlagen der europäischen Kultur, folgen.

Aber kaum eine Instanz in den USA ist wirklich unparteiisch. Seit 2016 läuft eine Kampagne, meist angetrieben von den Demokraten und den transatlantischen Kreisen, dass Russland versucht habe, die Präsidentschaftswahl zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen. Im sich verstärkenden Konflikt mit Russland haben das Narrativ auch transatlantische Kreise bei den Republikanern gefördert. Beschworen wird von New Knowledge die angebliche Reichweite der Beeinflussung, die aber natürlich gar nicht nachgewiesen werden kann.

Unbestritten ist, dass es Online-Aktivitäten aus Russland auf sozialen Medien und über die Websites von russischen Auslandsmedien gegeben hat. Ähnliche Aktivitäten über Auslandsmedien und das Internet gehen natürlich auch vom Westen aus, dass amerikanische (oder britische) Geheimdienste auch hackend unterwegs sind, ist seit den Leaks von Snowden evident, wird aber gerne vergessen, wenn es um die Darstellung der russischen Gefahr geht. Unlängst ist mit der dubiosen Integrity Initiative eine britische Desinformations- und Beeinflussungskampagne bekannt geworden (Infowar oder Absurdistan: Britisches Außenministerium im Strudel der Desinformation.

Beispiel für angebliche russische Beeinflussung aus dem Bericht von New Knowledge

Immerhin sind amerikanische Medien unabhängig genug, um die seltsamen Machenschaften von New Knowledge und Jonathon Morgan, dem Chef der "Cybersicherheitsfirma", früher Darpa, aufzudecken. In dem Bericht von New Knowledge wurde auch Facebook wegen mangelhafter Datenfreigabe gerügt. Facebook wiederum sperrte u.a. einen Account von Morgan wegen Beeinflussungsversuchen im "russischen Stil" im Wahlkampf um den Kandidaten für den Senat in Alabama im Jahr 2017. Der Gründer von New Knowledge hat bei der Darpa, der Forschungsbehörde des Pentagon, gearbeitet, sein Partner Ryan Fox viele Jahre bei der NSA. Wie die New York Times und andere Medien berichteten, wurde von New Knowledge und anderen Experten für Soziale Medien versucht, den republikanischen Kandidaten zugunsten des demokratischen zu düpieren. Das Projekt erstreckte sich von September bis Dezember 2017.

Die New York Times hatte noch im Oktober einen Kommentar von Morgan und Fox veröffentlicht, in dem sie vor russischer Beeinflussung der Midterm-Wahlen warnten, die wohl aber nicht stattgefunden hat. Ihre Firma, so die beiden Autoren, hätten 400 Websites identifiziert, die wahrscheinlich russische Propagandaseiten seien. Im Mittelpunkt stünden RT oder Sputnik, die jeweils ein paar tausendmal verlinkt worden seien. Zu der im Ungefähren schwebenden Scheinanalyse benötigt man freilich keine "Cybersicherheitsfirma". Und wenn dann 1500 Postings, die "mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt mit russischen Beeinflussungsoperationen verbunden" seien, was immer das heißen mag, als Bedrohung für die Wahlen behandelt werden, ist das schon grotesk.

Nur ein kleines Experiment

Morgan erklärt, um seine Reputation zu retten, die Aktivitäten hätten nur dazu gedient, mehr über die russischen Methoden zu lernen, man habe nie die Wahl beeinflussen wollen. Er habe eine Facebook-Seite gestartet und Twitter-Retweets gekauft, um zu sehen, ob sich darüber konservative Wähler erreichen lassen, die aber nicht beeifnlusst werden sollten.

Es sei überhaupt nur ein "kleines Experiment" gewesen, er sei an keiner Beeinflussungskampagne beteiligt gewesen, versichert er. Die Medien hätten falsch berichtet und das "Experiment" mit einem Botnet von Internettrollen zusammengebracht, die dem Twitter-Account des republikanischen Kandidaten folgten. Das habe auch New Knowledge untersuchen wollen, wisse aber noch immer nichts Näheres über die Trolle. In dem internen Bericht, den auch BuzzFeed eingesehen haben will, heißt es hingegen, man habe das Botnet mit Moore verbunden, um es so aussehen zu lassen, als habe sein digitaler Wahlkampfleiter diese Accounts gekauft.

In einem "internen Bericht" über das Birmingham Project , so schreibt die NYT, wird mit der Wirksamkeit des "kleinen Experiments" angegeben: "We orchestrated an elaborate ‘false flag’ operation that planted the idea that the Moore campaign was amplified on social media by a Russian botnet."

Das sagt der Chef der Firma, die sich als Schützer des "öffentlichen Diskurses" ausgab, zugleich hatte man sich gebrüstet, von Investoren 11 Millionen US-Dollar erhalten zu haben, um Desinformation in den sozialen Medien zu bekämpfen. Und überhaupt gibt man sich als Kraft des Guten, die das Internet vertrauenswürdiger machen will. Morgan ist auch Mitgründer des Projekts Data for Democracy.

Morgan hatte, so die NYT, mit seiner Gruppe, die pro-demokratisch eingestellt war, eine - 2017 geschlossene - Facebook-Seite erstellt, auf der sie sich als Konservative darstellten. Zudem verwendeten sie Twitter-Accounts, die im Sinne einer "False-Flag-Operation" als russische ausgegeben wurden, um vorzutäuschen, dass Russen hinter dem republikanischen Kandidaten stünden. Das Wahlbeeinflussungsprojekt hatte zwar allein schon wegen des geringen Budgets von 100.000 US-Dollar kaum Chancen, wirklich etwas zu bewegen, nämliches ließe sich auch bei allen angeblichen oder wirklichen russischen Beeinflussungskampagnen sagen. Schließlich wurden im Präsidentschaftswahlkampf an Beeinflussung oder Wahlwerbung alleine vom Clinton- und Trump-Lager mehr als 2 Milliarden US-Dollar ausgegeben.

Hinter der Beeinflussungskampagne zugunsten des demokratischen Kandidaten stand als Financier der Milliardär Reid Hoffman, Mitgründer von LinkedIn, der sich vom Projekt aber auch distanzierte. Das Geld wurde über American Engagement Technologies gezahlt.

Inzwischen ist der angebliche "interne Bericht" online gestellt worden. Dort heißt es klar, dass es nicht um ein Experiment, sondern um den Versuch ging, die Wahl zu beeinflussen. Experimentiert habe man nur in dem Sinn, dass die Taktiken, die 2016 zum Einsatz kamen, verwendet worden seien. Ziel war es, einen Unterschied von 50.000 Stimmen durch Microtargeting zu erwirken, 650.000 wahrscheinliche Alabama-Wähler seien angezielt worden. Man habe genug bewirkt, um den Demokraten gewinnen zu lassen. Lobend wird hervorgehoben, dass das Projekt anonym und billig gewesen sei, es sei auch nicht aufgedeckt worden.

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