Klimakonferenzen - die Konzile des 21. Jahrhunderts

Banner auf der Demonstration in Paris am 8. Dezember; Foto: Jules Xénard / CC BY-SA 4.0

Das aktuelle Reden über das Klima stärkt die Herrschaft und entpolitisiert die Menschen

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Kurz vor Jahresende gab es eine Polizeirazzia mit drei vorläufigen Festnahmen von Aktivisten, die sich gegen die Rodung des Hambacher Forsts wenden.

Dabei war auch ein Infoladen der Aktivisten betroffen. Die Polizei begründete die Razzia mit militanten Aktionen auf Einrichtungen der RWE, die den Wald roden will. Damit ist zum Jahresende der Blick noch einmal auf die mobilisierungsfähigste außerparlamentarische Umweltbewegung gerichtet. Allerdings kommt das Interesse jetzt wegen der Polizeirazzia und die Medienberichte drehen sich fast nur um die Gewaltfrage.

Warum nicht der Alternative Nobelpreis für die Besetzer?

Dabei hätten die Besetzer des Hambacher Forstes ganz andere Aufmerksamkeit verdient. Haben sie doch verhindert, dass der Hambacher Forst schon gerodet ist. Dann hätte es auch keinen vorläufigen Räumungsstopp durch die Justiz noch die wesentlich von dem Bündnis Ende-Gelände initiierten Massenproteste im Oktober im Forst gegeben.

Es waren tatsächlich die von vielen zunächst verlachten Waldbesetzer, die den Raum geöffnet haben, in dem dann sowohl eine große Massenbewegung als auch die Justiz agieren konnte. Dafür hätte die Bewegung "Hambi bleibt" den Alternativen Nobelpreis verdient. Ist nur fraglich, ob ihn dort jemand annehmen würde.

Doch die Aktivisten sind auch ein Beispiel für die Fortdauer von außerparlamentarischen Klimakämpfen. Denn es ist die paradoxe Situation entstanden, dass noch nie so viel vom Klimawandel geredet wurde wie in den letzten Wochen und dabei gerade diese Klimakämpfe weitgehend in den Hintergrund gedrängt wurden. Denn diese Großkonferenzen haben heute fast die Funktion, die im Spätmittelalter kirchliche Konzile hatten.

Fast religiöser Glaube an die Weltrettung durch Grenzwerte und Einhaltung gewisser Formeln

Man lese nur, was in Kurzform über das Konzil von Konstanz geschrieben wurde:

Von 1414 bis 1418 war die Stadt Konstanz am Bodensee der Mittelpunkt der christlichen Welt. Bis zu 70.000 Menschen kamen damals in die 6.000-Einwohnerstadt. Geistliche und weltliche Delegationen aus der ganzen Welt rangen im mittelalterlichen Konstanz vier Jahre lang um die Lösung innerkirchlicher Konflikte und damit auch um eine stabile politische Ordnung.

Planet Wissen

Heute pilgern Tausende Menschen in die verschiedenen Städte der Welt zu den Klimakonferenzen und erhoffen sich die Beibehaltung der aktuellen Ordnung der Welt und sehen die Rettung in der Einhaltung irgendwelcher Zahlen und Grenzwerte. Allein diese Hoffnung hat etwas Religiöses. Das merkt man schon daran, dass alle, die an diesen Zahlen und Formeln zur Rettung der Welt zweifeln, exkommuniziert werden.

Nun droht ihnen, anders als im Spätmittelalter, nicht mehr der Scheiterhaufen. Aber der Ausschluss aus dem Kreis der Vernünftigen bzw. Rechtgläubigen kann schon die Folge sein, wenn man an die Weltrettung durch Einhaltung von Grenzwerten und bestimmter Formeln nicht recht glauben mag. Dabei geht es nicht um die Gruppe der "Klimawandelleugner", die da meistens genannt werden.

Es gibt auch Menschen, die durchaus nicht daran zweifeln, dass die menschliche Zivilisation auf die Umwelt einwirkt und auch das Klima verändert und trotzdem keine Hoffnung auf die Kongressformeln und -riten setzen. Noch 2009 beim großen Klimagipfel in Kopenhagen sind Tausende in die dänische Hauptstadt gereist, um dort deutlich zu machen, dass der Kongress nicht in ihren Namen spricht.

Das waren keine Klimawandelleugner, sondern Menschen, die überzeugt waren, dass die Kräfte, die für die Vernetzung von Mensch und Umwelt verantwortlich sind, nicht die sein können, in die wir Hoffnungen setzen sollten. Sie waren der Überzeugung, dass eine profitorientierte Wirtschaftsordnung das Problem und nicht die Lösung ist. Doch heute hört man kaum noch was von diesen Skeptikern der Klimakonferenzen.

Dafür sind beim letzten Klimagipfel vor allem junge Menschen auf die Straße gegangen und haben Schulstreiks organisiert, um die Gipfelteilnehmer zu energischen Maßnahmen zu drängen. Genau darum dreht sich bei den Gipfeln fast alles. Die Kritiker wollen die dort Tagenden nicht delegitimieren, sondern fordern sie auf zu handeln. Damit aber legitimieren sie Macht und Herrschaft des Wirtschaftssystems, das die Probleme verursacht hat.

Deutsche Umwelthilfe - mit ein bisschen Support von Toyota

Was auf der globalen Ebene die Hoffnung auf die Rettung durch die Großgipfel ist, kann auf die Länderebene heruntergebrochen werden. Da hat die Deutsche Umwelthilfe die Rolle übernommen, die einmal Greenpeace und Robin Wood hatten. Auch die hatten keinerlei kapitalismuskritische Ziele, haben immerhin noch auf außerparlamentarische Aktivitäten gesetzt.

Von der Deutschen Umwelthilfe hingegen geht das Signal aus: "Spendet für uns und wir klagen für Euch." Dass der Autokonzern Toyota über 20 Jahre in verschiedenen Bereichen mit der Deutschen Umwelthilfe kooperiert hat und da effektiver als viele Kleinspender war, wird kaum mehr kritisch hinterfragt.

Auch hier könnte man mit Verweis auf spätmittelalterliche Praktiken von kapitalistischem Ablasshandel sprechen. Die Konzerne, die gut damit verdienen, dass sie umweltschädliche Produkte produzieren, spenden einige Prozent aus der Portokasse für die angebliche Weltrettung.

Es ist schon fast 20 Jahre her, als Jörg Bergstedt mit seinen Büchern über Agenda, Expo, Sponsoring die Anfänge jener Entwicklung kritisch unter die Lupe nahm, die heute in Form der Deutschen Umwelthilfe zum erfolgreichen Geschäftsmodell geworden ist.

Die Folge davon ist die vollständige Entpolitisierung des Großteils der Umweltbewegung. Mehr noch, sie stabilisiert die Herrschaft und ruft dazu auf, schneller und effektiver durchzugreifen. Sie orientiert junge Menschen darauf, diese Herrschaft nicht etwa infrage zu stellen, sondern zu zügigeren Handeln aufzurufen.