Frankreich: Gilets-Jaunes-Anführer festgenommen

Éric Drouet bei seiner Festnahme. Screenshot: TP

Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen kritisieren Machtmissbrauch und Verletzung politischer Rechte

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Die Gelben Westen in Frankreich sind keine ganz akephale Bewegung, sondern haben Köpfe, die in den Medien präsenter sind als andere. Einer davon, der Fernfahrer Éric Drouet, wurde gestern festgenommen, bevor er auf dem Pariser Place de la Concorde Kerzen für die fünf Todesopfer und die etwa 500 Verletzten entzünden konnte, die es bei den Protesten bislang gab. Weil er dazu auf seinem Facebook-Profil auch andere Franzosen aufgerufen hatte, wirft ihm die Polizei vor, eine nicht genehmigte Demonstration initiiert zu haben.

Während Wirtschaftsminister Bruno Le Maire die Festnahme im Sender France Inter mit der Bemerkung rechtfertigte, Drouet habe "den Rechtsstaat nicht respektiert", kritisierten die Führer der beiden umfragestärksten Oppositionsparteien die Maßnahme. Für Jean-Luc Mélenchon von La France insoumise (FI) ist die Festnahme ein "Machtmissbrauch" mit Hilfe einer "politischen Polizei". Er rief auf Twitter dazu auf, das "Mundstück des Volkes" zu befreien. Marine Le Pen, die Vorsitzende des Rassemblement National (RN), sprach etwas zurückhaltender von einer "systematischen Verletzung der politischen Rechte" von Oppositionellen.

Damien Lempereur, der Sprecher der EU-skeptischen Souveränisten von Debout la France (die in Umfragen bei sieben Prozent gemessen werden), verglich die Festnahme Drouets mit der von Oppositionellen in anderen Ländern und meinte, er "erwarte - um der Konsistenz und der intellektuellen Ehrlichkeit willen - die gleichen empörten Reaktionen von denen, die durch die Verhaftungen [Alexei] Nawalnys wegen illegaler Demonstrationen in Moskau empört sind: die Redakteure, die EU, Bernard-Henri Lévy, [André] Glucksmann, [Emmanuel Macrons Partei] LREM, die [sozialdemokratische] PS et cetera." Die PS, die ebenso wie Debout la France bei sieben Prozent liegt, gibt sich bislang jedoch extrem Drouet- und Gilets-Jaunes-kritisch.

Strafverfahren wegen Mitführen eines "Bâtons"

Die Polizei hatte Drouet bereits im Dezember zu einer Anhörung vorgeladen, nachdem er die Franzosen dazu aufgerufen hatte, in Macrons Palast "reinzugehen". Außerdem leitete man wegen des "Tragens einer verbotenen Waffe der Kategorie D" ein Strafverfahren gegen ihn ein, das am 5. Juni verhandelt werden soll. Bei der "verbotenen Waffe", die Drouet mit sich führte, handelt es sich um einen "bâton" - einen Holzstock.

Wie sich die Festnahme des bärtigen Lastwagenfahrers auf die Proteste auswirken wird, bleibt abzuwarten: Bislang haben sie noch nicht wieder das Teilnahmeniveau der Veranstaltungen im November und Dezember erreicht, was mit den Feiertagen, dem Wetter und dem von Staatspräsident Macron verkündeten zehn Milliarden Euro schweren Rettungspaket für sich selbst zusammenhängen dürfte. Mit diesem Paket setzte Macron seine Ökosteuer (die Auslöserin der Proteste war) zusammen mit einer Steuererhöhung für Rentner aus und versprach, Überstunden nicht mehr zu besteuern und den Mindestlohn mit staatlicher Hilfe um 100 Euro anzuheben.

Forderung nach Direkter Demokratie

Dazu muss die französische Regierung neue Schulden aufnehmen, mit der sie den aktuellen Berechnungen von Macrons Ministerpräsidenten Édouard Philippe nach das Haushaltsdefizit 2019 von 2,8 auf 3,2 und die Gesamtverschuldung von 99 auf über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Die EU-Kommission will darüber hinwegsehen, obwohl den Stabilitätskriterien der Euro-Länder nach höchstens drei Prozent Jahres- und 60 Prozent Gesamtverschuldung erlaubt sind (vgl. Frankreich: EU-Kommission will kein Defizitverfahren einleiten).

Neben den finanziellen Forderungen, die Macron mit seinem Rettungspaket erfüllte, verlangten die Gelben Westen in einer über eine Abstimmung im Internet ermittelten Forderungsliste auch mehr Direkte Demokratie, wie es sie in der Schweiz gibt. Philippe meinte dazu bislang lediglich, diese Forderung gehöre zu einer "großen Debatte", die man in den kommenden Monaten führen werde. Volksinitiativen könnten jedoch "nicht jedwedes Thema unter jedweden Umständen behandeln" (vgl. Frankreich: Regierungschef Philippe prinzipiell offen für Plebiszite).

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