Erdogan lässt US-Besucher abblitzen

Große Strategen bei der Arbeit. Foto: The White House / gemeinfrei

Was Sicherheitsberater Bolton, General Dunford und Syrienbeauftragter Jeffrey in Ankara erreicht haben, bleibt Geheimsache der Supermacht

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Schade, dass Mark Twain nicht mehr lebt. Die Mission der Nahost-Reisenden John Bolton und Mike Pompeo kann angemessen nur von einem wirklich guten Satiriker beschrieben werden. Damit ist nicht gemeint, sich über den amerikanischen Präsidenten lustig zu machen. Das kann mittlerweile jeder.

Der höhere Witz bestünde darin zu erklären, was in diplomatischen Köpfen vorgeht, die mit der Regierung eines für den Nahen Osten wichtigen Landes Abmachungen treffen wollen und diese vor Antritt des Besuches in ihrem Land davor warnen, andere abzuschlachten? Was ist das strategische Ziel einer solchen Reisevorbereitung?

Es war der Chef der US-Diplomatie, Außenminister Pompeo, der öffentlich davon sprach, dass es dem Präsidenten darauf ankäme, "sicherzustellen, dass die Türken die Kurden nicht abschlachten". Das Interview wurde dann auch auf die Webseite des Außenministeriums gestellt. Ein paar Tage später sollte der Nationale Sicherheitsberater, John Bolton, nach Ankara reisen, um mit der türkischen Regierung über den Abzug der US-Truppen aus Syrien zu reden.

Zuvor machte Bolton Station beim wichtigsten Nahost-Partner der Amerikaner in Jerusalem, wo er die Botschaft an die Türkei wiederholte. Bolton ermahnte sie noch einmal, die kurdischen Kämpfer in Ruhe zu lassen. Dazu teilte er der übrigen Welt mit, dass es dem US-Präsidenten nun doch nicht so ernst ist mit dem baldigen Abzug der amerikanischen Soldaten aus Syrien. Der Zeitplan sei fließend, so Bolton (vgl. Syrien: Bolton knüpft Abzug der USA an Bedingungen).

Erdogan ist verärgert

Am heutigen Dienstag sollte Bolton dann in Ankara mit hochrangigen Mitgliedern der türkischen Regierung über Pläne zu Syrien sprechen. Es war die Erwartung gehegt worden, dass sich auch Präsident Erdogan oder Mevlüt Cavusoglu mit dem Abgesandten der Supermacht treffen sollte. Doch Erdogan war sauer, wie es Nahostbeobachter in Großbuchstaben weitergaben.

Gestern noch prangte in der New York Times ein Gastbeitrag von Recep Tayyip Erdogan, der bereits in der Überschrift verkündete: "Trump liegt richtig mit seiner Syrien-Politik" und: "Die Türkei wird den Job erledigen". Kein anderes Land sonst wäre dafür geeignet, die Aufgaben, die sich im Zusammenhang mit dem Abzug der USA stellen, im Interesse der Vereinigten Staaten, der internationalen Gemeinschaft und der syrischen Bevölkerung zu erfüllen, pries Erdogan sein Land in der amerikanischen Öffentlichkeit an.

"Die Türkei ist verpflichtet, den sogenannten Islamischen Staat und andere terroristische Gruppen in Syrien zu besiegen", so Erdogan. Sein Plan für den Nordosten Syriens sieht nach Abzug der USA vor, dass eine von der Türkei aufgestellte "Stabilisierungstruppe" mit "Kämpfern aus allen Gesellschaftsschichten Syriens" - aber nicht von der YPG, die bekanntlich aus seiner Sicht zu den Terroristen zählen - sowie eine türkisch bestimmte Verwaltung ("türkische Vertreter werden zu städtischen Angelegenheiten, Erziehung, Gesundheitsversorgung und Hilfeleistungen beraten") die Dinge in Nordsyrien ins rechte Lot bringen, nachdem die Amerikaner das Gebiet geräumt haben.

Der Plan, der an Afrin denken lässt und daher das Fürchten lehrt (vgl. Afrin: Exzessive Gewalt durch türkische Besatzung und Wird die Türkei nach Afrin auch Kobani besetzen?), wurde dann allerdings von den Wechselströmungen in der US-Administration durchkreuzt.

Umso verärgerter reagierte Erdogan. Die Regierung in Washington mache einen "schwerwiegenden Fehler", wenn sie von der Türkei verlange, dass sie die YPG-Miliz schützt, die eine terroristische Gruppe sei, wird Erdogan heute zitiert. Der Kampf der YPG gegen den IS sei "nichts als eine große Lüge", so der türkische Präsident.

Es ist unmöglich, Boltons Botschaft aus Israel zu schlucken", sagte er vor Abgeordneten seiner Partei kurz nach dem Ende des Besuchs von US-Präsident Donald Trumps Sicherheitsberater. John Bolton habe einen "schweren Fehler" gemacht.

Tagesschau

Laut Informationen der Tagesschau verzichteten Präsident Erdogan und Außenminister Cavusoglu auf ein Treffen mit den Gästen aus den USA. Am Treffen mit Sicherheitsberater Bolton, dem US-Generalstabschef Joseph Dunford und Syrienbeauftragte James Jeffrey nahmen aufseiten der Gastgeber Erdogans Sicherheitsberater Ibrahim Kalin und Stellvertreter des Geheimdienstchefs Hakan Fidan, des Verteidigungsministers und des Außenministers teil.

"Das Treffen endete nach zwei Stunden, ohne dass Angaben zum Inhalt der Gespräche bekannt wurden. Eine abschließende gemeinsame Pressekonferenz wurde abgesagt", meldete die Tageschau.

Wozu der Besuch?

Von der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Agency ist hauptsächlich zu erfahren, wie verärgert Erdogan über Bolton ist (und die AKP-Führung auch). Als Erklärung für die Presse wird kühl mitgeteilt, Sicherheitsberater Ibrahim Kalin bekräftigte, dass sich die Türkei um die Sicherheit der Kurden kümmere und weiterhin gegen die YPG/PKK-Terroristen kämpfen werde und von den USA erwarte, dass sie die Waffen "von den Terroristen zurückfordern".

Beim Treffen mit den amerikanischen Gästen sei der geplante Abzug der USA aus Syrien und amerikanischen Militärbasen besprochen worden, so die knappe Auskunft. Mehr wurde nicht bekannt gegeben.

Laut Washington Post habe die US-Delegation von Erdogan die Mitteilung bekommen, dass es "keine Konzessionen" gebe, was die Vorgehensweise gegen die Kurden der YPG angehe. Die Einzelgespräche zwischen Militärs würden am Dienstag noch weitergeführt. Dafür waren die Amerikaner nach Ankara gereist? Was war nochmal der Plan?