Ein Sozialdemokrat als Sheriff von Nottingham

Bild: © Studiocanal / Larry Horricks

Occupy Sherwood Forrest: Der neue "Robin Hood" kämpft gegen Olaf Scholz als Aktivist mit Pfeil und Bogen. Die SPD muss umdenken

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Würde man Olaf Scholz per Zeitmaschine ins britische Mittelalter versetzen, wäre er dann eher ein Robin Hood oder eher der Sherrif von Nottingham?

Mit großer Wahrscheinlichkeit Letzterer: ein so gnaden- wie humorloser Steuereintreiber, noch dazu mit dem gutem Gewissen des einstigen Arbeiterführers ausgestattet und der von heimlicher Abstiegsangst grundierten Arroganz eines sozialen Aufsteigers, der seine Pfründe mit Zähnen und Klauen verteidigt. Ob Kevin Kühnert dann logischerweise als jugendfrischer Sheriff-Antipode Robin Hood besetzt würde, muss hier erstmal offen bleiben.

Bei anderen deutschen Sozialdemokraten wäre die Sache klarer: Katharina Barley ist als strahlende Lady Marian ebenso gesetzt wie Martin Schulz als König Johann Ohneland, Sigmar Gabriel als "Bruder Tuck", und Heiko Maas als der von Franzosen gefangene Kreuzritter Richard Löwenherz, für den niemand Lust hat, Lösegeld zu bezahlen.

Nur für Andrea Nahles hat man in dem Ritter-Spektakel ähnlich wie in der SPD keine richtige Verwendung. Was das nun alles mit der neuen "Robin Hood"-Verfilmung zu tun hat? Viel mehr, als man glaubt. Aber der Reihe nach...

Bogenschießender Springinsfeld

"Männer in Strumpfhosen" - die mindestens modische Herausforderung eines jeden Robin-Hood-Films hat niemand so präzis benannt wie Mel Brooks in seinem Film von 1993. Aber auch sonst ist der Stoff nicht einfach: Zwar ist es erstaunlich, wie überlebensfähig die Robin-Hood-Geschichte sich im Vergleich mit anderen "Mantel & Degen"-Klassikern erweist. Ivanhoe und Francis Drake, die "Drei Musketiere" und andere Helden scheinen verstaubt einem anderen Zeitalter anzugehören, und sind längst von der Leinwand verschwunden.

Robin Hood (15 Bilder)

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Aber: Woher kommt diese Attraktivität? Zumal die Filme der letzten zwei Jahrzehnte sämtlich an der Kinokasse erfolglos blieben? Letzteres mag daran gelegen haben, dass die Darsteller oft nicht jugendlich und beweglich genug für für die Rolle waren: Ob Kevin Kostner oder der doch eher ungelenke, 46-jährige Russel Crowe als bogenschießender Springinsfeld in Ridley Scotts Version.

Scott, an dem unter anderem ein Historiker verlorengegangen ist, interessierte sich vor allem für Kriegstechnik und das Klassensystem im Hochmittelalter: Wenn Robin Hood schon in den ersten englischen Balladen des 13.Jahrhunderts als Bogenschütze beschrieben wird, markiert ihn das vor allem als Mann aus dem einfachen Volk - Schwert und Lanze waren per Waffenrecht den adeligen Rittern vorbehalten.

Begonnen hatte alles schon 1912 mit einer allerersten Robin-Hood-Verfilmung von Robert Frazer. Es folgte zehn Jahre später Douglas Fairbanks in der Rolle des sympathischen "Rächers der Enterbten" in der aufwändigsten Verfilmung der Geschichte.

Am gelungensten erscheint immer noch Michael Curtiz' Errol Flynn-Klassiker aus dem Jahr 1938 und die britische TV-Serie (1955-1960) mit Richard Greene in der Titelrolle, die in den 1970ern auch im deutschen Fernsehen lief.

Daneben gab es Serien, eine Version mit Piraten und Lex Barker ("Rebell ohne Gnade"), Musicals und eine Italo-Western-Variante mit Guiliano Gemma und Mario Adorf als "Bruder Tuck" ("Der feurige Pfeil der Rache"). Sean Connery spielte den altgewordenen Robin mit Audrey Hepburn am Ende ihre Lebens ("Robin und Marian"). Das heutige Publikum dürfte den Stoff am ehesten durch den Disney-Animationsfilm kennen, der bis heute regelmäßig gezeigt wird.

"Guilty-Pleasure" mit viel Schauwerten

Strumpfhosen trägt Taron Egerton als Robin in Otto Bathursts Neuverfilmung keine. Er bevorzugt die Lederjacke und eine echte Kapuze (engl. "Hood"), noch dazu schiebt er sich bei seinen Raubzügen ein blaues Halstuch vor den Mund, sodass sein Gesicht komplett verdeckt und die Figur abstrakter wirkt, gewissermaßen entpersönlicht und zugleich auch bei Massenszenen und schnellen Actionsequenzen leicht identifizierbar. Ein wenig erinnert er damit auch an die kapuzetragende Hauptfigur des Computerspiels "Assassins Creed", das 2016 verfilmt wurde.

Während Otto Bathursts Film immer wieder narrative Lücken aufweist und etwa sprunghaft wirkt - auch bei genauerem Nachdenken bestimmte grundsätzliche Widersprüche in der Motivation der Figuren enthält - liegen seine Stärken im Visuellen: Gedreht in der Innenstadt von Dubrovnik, in Paris und vor großartigen ungarischen Naturpanoramen sieht man hier Wagenrennen, Verfolgungsjagden über die Dächer und durch die Straßen von Nottingham, Demonstrationen und Straßenkämpfe im Martial-Arts-Stil; all das schnell geschnitten in einem Tempo, das sich im letzten Drittel noch steigert.

60 Prozent des Films sind fast wie ein Trailer montiert - mit allen Vor-und Nachteilen. Diese Beschreibung macht klar: Ein Klassiker wie Michael Curtiz' Verfilmung wird dieser "Robin Hood" nicht werden. Eine kurzweilige "Guilty-Pleasure" mit viel Schauwerten ist er allemal. Zudem könnte dieser ernsthaften, auf ihre Art liebevollen, aber nie beflissenen Herangehensweise das gelingen, was Ridley Scott missglückte: Einen klassischen Stoff für ein junges Publikum zu erzählen.