"RT Deutsch ist kein journalistisches Informationsmedium"

Frank Überall. Foto: DJV

Interview mit DJV-Vorsitzendem Prof. Dr. Frank Überall

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Der 2014 auch in Deutschland auf YouTube gestartete russische Auslandssender RT muss sich wegen geänderten Bestimmungen nunmehr um eine Rundfunklizenz bemühen. Das vom russischen Staat finanzierte RT Deutsch kritisiert häufig westliche Journalisten, etwa mit dem Medienformat 451° und der Politsendung Der fehlende Part. Am Wochendende forderte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) die Landesmedienanstalten auf, dem Kanal Russia Today für seine Webseite RT Deutsch keine Rundfunklizenz zu erteilen. Markus Kompa hat dem DJV-Vorsitzenden dazu ein paar Fragen gestellt.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Überall, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert die Landesmedienanstalten auf, dem Kanal Russia Today für seine Webseite RT Deutsch keine Rundfunklizenz zu erteilen. Wie verhält sich diese Forderung zum DJV-Grundsatzprogramm, in dem es heißt: "Wer journalistische Rechte einengt, beschneidet die Informations- und Meinungsfreiheit"?

Frank Überall: RT Deutsch ist kein journalistisches Informationsmedium, sondern ein Propaganda-Instrument. Der DJV fordert in seinem Grundsatzprogramm eben keinen Freifahrschein für Propaganda und Desinformation.

Sie beklagten, Russia Today habe in der Vergangenheit immer wieder Geschichten erfunden. Welche RT Deutsch-Beiträge waren erfundene Geschichten?

Frank Überall: Nehmen Sie den Fall Lisa, mit dem massiv versucht wurde, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.

Fällt RT Deutsch signifikanter durch unseriösen Journalismus auf als andere Medien, die regelmäßig bei BILDblog zu Gast sind?

Frank Überall: Wie ich bereits gesagt habe: RT steht nicht für seriösen Journalismus. Deshalb sind Vergleiche mit journalistischen Medien unangebracht.

Sie beklagen, RT Deutsch stelle tatsächliche Ereignisse einseitig dar. Fordert der DJV also von privaten Medienhäusern künftig Objektivität?

Frank Überall: RT ist nicht privat.

[Anmerkung: "Privat" war als Gegenbegriff zu öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäusern gemeint, die zu interner Vielseitigkeit verpflichtet sind, sog. Binnenpluralismus.]

Bewerten Sie die Nachrufe der deutschen Journalisten auf George H. W. Bush als objektiv und ausgewogen?

Frank Überall: [Die Frage wurde nicht beantwortet.]

Sie fordern, eine Rundfunklizenz für Propagandasender dürfe es nicht geben. Wie verhält sich diese Forderung mit dem Konzept des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit, das Propaganda und Einseitigkeit durch ein möglichst breites Spektrum an Medien und Meinungen vermeiden will?

Frank Überall: Das Bundesverfassungsgericht fordert in seiner Rechtsprechung zum Rundfunk vor allem Staatsferne. Die ist bei RT wahrlich nicht gegeben.

Der staatliche deutsche Auslandssender Deutsche Welle hatte letztes Jahr bei den russischen Präsidentschaftswahlen zum Boykott aufgerufen. Ist Ihnen eine vergleichbare Wahlbeeinflussung deutscher Wahlen durch RT deutsch bekannt?

Frank Überall: RT befeuert eine politische Stimmung, die der AfD nützt.

Kürzlich griff RT Deutsch als offenbar einziges deutsches Medium einen Beitrag der New York Times auf, der zufolge CIA-geführte afghanische Streitkräfte einen Freifahrtschein zum Foltern und Töten haben. Warum haben Ihre deutschen Kollegen darüber nicht berichtet?

Frank Überall: Diese Frage müssen Sie an die Redaktionen richten.

Hätten deutsche Medien einen Bericht über solche Milizen auch dann ausgelassen, wenn die Akteure Nordkoreaner, Iraner oder Russen gewesen wären?

Frank Überall: Was gewesen wäre, wenn, ist nicht mein Thema. Spekulationen überlasse ich anderen.

Das Interview wurde per E-Mail geführt. Wir haben RTdeutsch-Chefredakteur Ivan Rodionov gleichfalls Fragen geschickt und darin um eine Stellungnahme gebeten.