MH17-Prozess soll angeblich bald beginnen

JIT-Pressekonferenz, auf der die 53. Luftabwehrbrigade der russischen Streitkräfte verantwortlich gemacht wurde. Bild: Screenshot des JIT-Videos

Die Anklageschriften seien bereits für den Prozess vor einem niederländischen Gericht vorbereitet, sagt der stellvertretende Generalstaatsanwalt der Ukraine, gegen den gerade wegen Korruption ermittelt wird

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Angeblich soll die strafrechtliche Untersuchung des Gemeinsamen Ermittlerteams (JIT) unter der Leitung der niederländischen Staatsanwaltschaft über den Abschuss der Passagiermaschine MH17 am 17. Juli 2014 nun bald abgeschlossen sein. Das JIT besteht aus Vertretern der Staaten, von denen Bürger beim Absturz ums Leben kamen: Australien, Belgien, Malaysia und den Niederlanden sowie der Ukraine. Das hat Kritik auf sich gezogen, weil die Ukraine nicht nur den Luftraum nicht gesperrt hatte, sondern auch Konfliktpartei ist.

Beschlossen wurde im letzten Jahr, dass der Prozess nach erfolgter Anklage mutmaßlicher Täter vor einem Gericht in Den Haag stattfinden wird. Der Prozess wird nach niederländischem Recht mit niederländischen Staatsanwälten, Verteidigern und Richtern für alle Täter und im Namen der Angehörigen aller Opfer stattfinden. Mit der Ukraine wurden gesonderte Abkommen zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter geschlossen. Möglich sei es auch, diese mittels Videokonferenz zu verhören, wenn sie nicht in die Niederlande kommen wollen oder nicht ausgeliefert werden können. Das ist auch deswegen wichtig, weil nach der ukrainischen Verfassung ukrainische Bürger nicht ausgeliefert werden können.

Das JIT hat sich bereits festgelegt, dass Russland für den Abschuss verantwortlich ist, was Moskau allerdings weiter abstreitet und die Schuld bei der Ukraine sucht. Gestützt auf die Analyse der Buk- und Wrack-Trümmer erklärte das JIT, dass MH17 mit einer russischen Buk aus der 9M38-Serie abgeschossen wurde. Offenbar wird aber weiterhin nach Zeugen gesucht, die Aufklärung über die auf den Buk-Teilen gefundenen Nummern und deren Bedeutung geben können.

Aufgrund der Analyse von Bildern sieht es das JIT seit Mai 2018 als erwiesen an, dass die Rakete mit dem Buk Telar von der 53. Luftabwehrbrigade der russischen Streitkräfte in Kursk in die Ukraine gebracht wurde und nach dem Abschuss am selben Tag wieder zurückgefahren ist. Auch hier werden Zeugen gesucht, die u.a. sagen können, wer bei der Mannschaft war, wer Befehle gab, welche Anweisung es gab und wer noch weiteres Bildmaterial hat. Kurz nach der Pressekonferenz haben die niederländische und die australische Regierung Russland für den Abschuss verantwortlich gemacht. Dem schlossen sich die US-Regierung und auch die Bundesregierung an (MH17: Bundesregierung macht "russische Militäreinheit" verantwortlich).

Mit Bildern wird der Buk-Transport von Russland in die Ostukraine und wieder zurück belegt.

Anklageschriften sollen bereits vorliegen

Wie weit die Ermittlungen tatsächlich vorangeschritten sind, ob die bislang vorgelegten Beweise forensisch gerichtsfest und wer konkret beschuldigt wird, an der Tat beteiligt zu sein, also auch, ob dazu russische Soldaten gehören, ist nicht bekannt. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt der Ukraine, Dmytro Storozhuk, hatte bereits in einem Interview behauptet, dass am Abschuss 120 Personen beteiligt gewesen seien, aber ob sie identifiziert wurden, sagte er nicht.

Jetzt erklärte er, dass man in eine entscheidende Phase der Ermittlungen eingetreten sei, wann die Anklage eingereicht wird, hänge aber von der niederländischen Staatsanwaltschaft ab. Dass es so lange gedauert hat, liege daran, dass es sich um einen "absolut einmaligen Fall in der Weltgeschichte" handele: "Eine solche Untersuchung und das künftige Format des Gerichts hat es zuvor nie gegeben. Es findet eine sehr sorgfältige Vorbereitung statt, die natürlich viel Zeit benötigt." 2018 seien bereits die Anklageschriften vorbereitet worden, um sie dem Gericht vorzulegen. Dazu seien auch Vorbereitungen auf gesetzgeberischer Ebene gemacht worden, weil bestimmte Verfahrenseinzelheiten noch gesetzlich geregelt werden müssen.

Ein Gericht in Kiew hat gerade die Antikorruptionsbehörde (NABU) angewiesen, eine Strafermittlung gegen den Generalstaatsanwalt Yuriy Lutsenko und seinen Stellvertreter einzuleiten. NABU-Mitarbeiter hatten sich zuvor geweigert, solche Ermittlungen aufzunehmen, obgleich die Aufforderung vom Geheimdienst SBU kam. Beschuldigt werden die Generalstaatsanwälte der Korruption, der Verschwörung, des Machtmissbrauchs, der Verschleierung von Verbrechen, des Betrugs, der Annahme von Schmiergeldern und der Weigerung, der gerichtlichen Entscheidung nachzukommen.

Amtsmissbrauch und Korruption begleiten die politische Karriere des Generalstaatsanwalts, der auch schon Innenminister war, sich an der Maidan-Bewegung beteiligt hatte und als Mitglied der Partei Poroschenkos in das Parlament gewählt wurde. Seit 2016 wurde Lutsenko, der kein Jurist ist (!), Generalstaatsanwalt, seine Frau ist seit 2015 Abgeordnete. Im Dezember hatte Lutsenko erklärt, dass die Ermittlungen gegen die Täter, die für die Toten auf dem Maidan im Februar 2014 verantwortlich sind, nun abgeschlossen seien. Obgleich Hinweise dafür sprechen, dass Maidan-Aktivisten hinter den oder hinter einigen Morden stecken können, macht Lutsenko den gestürzten Präsidenten Janukowitsch und den ehemaligen Geheimdienstchef und Kommandeur der Kräfte des Innenministeriums mitsamt weiteren Ex-Mitarbeitern dafür verantwortlich. Der Prozess soll Anfang des Jahres beginnen.

Im September 2018 hatten der niederländische Außenminister Stef Blok und seine australische Kollegin Marise Payne bekannt gegeben, dass die beiden Länder nach der expliziten Beschuldigung Russlands Moskau zu trilateralen Verhandlungen über staatliche Verantwortung aufgefordert hatten.

Vor kurzem hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharow, darauf reagiert und gesagt, ein solches trilaterales Treffen könne in den kommenden Monaten stattfinden, falls die Niederlande und Australien Moskau kein Ultimatum stellen, unbegründete Beschuldigungen unterlassen und bereit zu einem sachlichen Gespräch über den Abschuss seien. Im Dezember hatte Blok beklagt, dass noch keine Gespräche stattgefunden hätten. Man sei weiter bereit für Gespräche über die russische Verantwortung, werde jetzt aber klären, ob man sich an ein internationales Gericht oder eine internationale Organisation wende.

Zuvor hatte der Chef des niederländischen Außenministeriums, Stef Blok, erklärt, dass sich die Behörden des Landes im Zusammenhang mit dem Abschuss der malaysischen Boeing in der Ukraine an ein internationales Gericht oder eine internationale Organisation wenden könnten. Der Minister stellte fest, dass die Niederlande und Australien zuvor Russland gebeten hatten, sich auf diplomatischem Wege offiziell mit ihnen in Verbindung zu setzen, "um die Verantwortung im Interesse der Justiz, die Opfer (die Tragödie) und ihre Angehörigen zu diskutieren". Das dürfte illusorisch sein, zumindest so lange keine handfesten Beweise für die russische Verantwortung präsentiert werden können. Moskau wirft dem JIT vor, voreingenommen und einseitig zu ermitteln.