US-Soldaten bei Anschlag in Nordsyrien getötet

Screenshot Video ANHA/YouTube

Der IS soll für den Sprengstoffanschlag in Manbidsch verantwortlich sein. Gegner des US-Abzugs aus Syrien sehen sich bestätigt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Bleiben oder gehen?" Das US-Militär hat gerade mit dem Abzug aus Syrien begonnen, wie die Medien meldeten, dann ereignet sich Tage darauf ein Anschlag im Norden des Landes, in Manbidsch (häufig: Manbij). Vier US-Amerikaner kommen dabei ums Leben und die Frage drängt sich neu auf die Nachrichten-Bildschirme.

US-Präsident Trump sollte sich den Truppen-Abzug aus Syrien nochmal überlegen, lautet die eine Reaktion. Als Wortführer für diese Seite fungiert gerade der republikanische Senator Lindsey Graham, ein naher Vertrauter des US-Präsidenten, der kürzlich als Kritiker des Abzugs einer internationalen Öffentlichkeit bekannt wurde. Er war zunächst wenig überzeugt von Trumps Vorhaben "Raus aus Syrien", dann aßen sie zusammen und danach wusste Graham angeblich mehr über Syrien, wie er aller Welt mitteilte. Der Republikaner zeigte sich anschließend einverstanden mit dem Truppenabzug, plädierte allerdings für ein "langsames" Vorgehen.

"Bleiben"

Als Graham gestern von dem Anschlag erfuhr, unterbrach er eine Rede vor einem Ausschuss, um darauf hinzuweisen, dass der von Trump geplante Abzug aus Syrien "die Gegner der USA mit neuem Mut erfüllt". Er kenne dies aus dem Irak, warnte Graham. Wer den New York Times-Artikel zum Anschlag in Manbidsch liest, wo der einflussreiche Republikaner Graham einen prominenten Platz bekommt, spürt schnell, dass hier und jetzt Wind für das Bleiben gemacht wird.

Zu sehen ist das auch an den Zahlen der IS-Präsenz in, welche die New York-Times-Reporterin Rukmini Callimachi bereit hält: 20.000 bis 30.000 Kämpfer. Das ist eine längst überholte Zahl, wie ihr der US-amerikanische Beobachter der Lage in Syrien, Sam Heller, vorhält.

Es ist nicht das erste Mal und wahrscheinlich auch nicht das letzte, dass die ehrwürdige "graue Lady", wie die New York Times genannt wird, gar nicht so weise oder ehrwürdig für die Fortsetzung einer Militärintervention im Nahen Osten wirbt. Als Argument hierzu wird auf die Kriegsbühne geschoben: Der IS ist noch nicht besiegt.

Das Geschehen

Zu den Fakten, soweit sie bekannt sind: Der Sprengstoffanschlag ereignete sich gestern auf das Qasr al-Umara-Restaurant in Manbidsch , wo patrouillierende US-Soldaten, wie offenbar bekannt war, öfter einkehrten. Der IS hat sich zum Anschlag bekannt. Die Bilanz, wie sie die New York Times am heutigen Donnerstagmorgen, den 17. Januar 2019, bekannt gibt: 19 Tote, darunter vier Amerikaner. Centcom meldete gestern, dass es zwei US-Soldaten (servicemembers) waren, ein ziviler Angestellter der Verteidigungsministeriums und ein Mitglied eines privaten Vertragspartners (die offenbar häufige Verluste melden). Drei US-Soldaten wurden verletzt.

Reuters zitiert den türkischen Präsidenten Erdogan mit anderen Zahlen: Er spricht von 20 Toten, darunter fünf toten US-Soldaten.

Auch bei dieser Bilanz wird deutlich, dass hauptsächlich Zivilisten den Preis für den Konflikt zahlen, drei Viertel der Todesopfer sind Zivilisten. Sie werden üblicherweise hintangestellt, bezeichnend für die Gewichtung. Auf Twitter machen Anhänger des kurdischen Rojava-Projekts auf die getöteten Zivilisten aufmerksam.

"Abziehen!"

Zu erwähnen ist auch noch die andere Seite der Reaktion auf den Anschlag in Manbidsch. Exemplarisch dafür kann man den syrisch-amerikanischen Syrienkommentator Ehsani2 zitieren, der feststellt, dass die Präsenz amerikanischer Soldaten in Manbidsch "noch nie sinnvoll war". Ehsani2 ist dafür, dass Syrien in der Gesamtheit wieder von der syrischen Regierung kontrolliert wird.

Das gibt unter den Politikern auch der türkische Präsident Erdogan vor, für dessen Interessen ein grundlegendes Einvernehmen mit Russland zu Syrien essentiell ist - und Putin ist für den Zusammenhalt der syrischen Gebiete unter der Souveränität al-Assads. Nur hat Erdogan noch ein spezielles Eigeninteresse, nämlich seinen Krieg gegen die YPG, gegen die Kurden, die bei den SDF organisiert sind und somit Verbündete der USA im Kampf gegen den IS sind.

Für Erdogan sind sie bekanntlich "Terroristen", die er mit dem IS gleichsetzt, ungeachtet dessen, dass die Kurden der PYD/YPG ein völlig anderes, humanes politisches Konzept verfolgen, das auf ein demokratisches Zusammenleben ausgerichtet ist und nicht auf ein gnadenloses, den einzelnen Menschen verachtendes theokratisches, infantil-sklavisches Unterwerfungssystem, wie es der Dschihadisten-Ideologie eingeschrieben ist.

Spekulationen

Ziehen sich die USA aus Syrien zurück, so hofft Erdogan auf die Erfüllung eines lang gehegten Planes, nämlich die Einrichtung einer von der Türkei oder ihren Verbündeten bewachten langestreckten Pufferzone in Syrien an der Grenze zur Türkei. US-Präsident Trump hatte kürzlich eine derartige Pufferzone angedeutet, seither ist Erdogan neu befeuert.

In den sozialen Netzwerken machen Spekulationen die Runde, die den türkischen Geheimdienst MIT mit dem Anschlag in Manbidsch in Zusammenhang bringen. Um den Abzug der Amerikaner zu beschleunigen? Wie Lindsay Grahams Äußerungen zeigen, wäre diese Rechnung nicht so einfach, da es innerhalb der US-Administration verschiedene Ansichten und Lager gibt. Andere Spekulationen gehen gar von einer "False-Flag"-Operation der YPG aus, was aber nicht zur Volksverteidigungsmiliz passt, die gemeinhin nicht mit Anschlägen auf Zivilisten in Verbindung gebracht wird.

Der französische Dschihad-Experten Wassim Nasr hält sich dagegen daran, dass der IS in seinem Guerilla-Insurrektions-Kampf genug Motive hat, um Anschläge gegen die US-Soldaten zu verüben. Der Anschlag in Manbidsch sei der zweite IS-Anschlag innerhalb eines Monats, an dem strategisch wichtigen Ort, führt Nasr aus.

Bei einem IS-Anschlag im Dezember zielten die Milizen auf YPG-Mitglieder. Angesichts der verzweifelten Lage vieler Binnenflüchtlinge in Syrien sei es momentan günstig, neue Kämpfer für den IS-Dschihad zu rekrutieren. Auch profitiere der IS davon, wenn die Bevölkerung Abstand zu Soldaten halte, weil diese wegen der Gefahr der Anschläge zum Risiko für das eigene Leben werden.