Permafrost taut schneller auf

Permafrost in der Arktis. Foto (2005): Brocken Inaglory / CC BY-SA 3.0

Internationales Wissenschaftler-Team zeigt, dass sowohl in der Antarktis als auch in der Arktis der Permafrostboden wärmer wird und zum Teil bereits auftaut. Sibirien besonders betroffen

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Rund ein Sechstel der Landmasse unseres Planeten wird von dauerhaft gefrorenem Boden eingenommen. Wie hier bereits mehrfach angesprochen, spielt dieser sogenannte Permafrost, der in beiden Polregionen und in den Hochgebirgen anzutreffen ist, für das Klimasystem eine wichtige Rolle. Unter anderem besteht diese darin, dass in ihm große Mengen organischen Materials konserviert sind, die beim Auftauen von Bakterien zersetzt werden.

Dabei entsteht je nach den Bedingungen Kohlendioxid und Methan, beides potente Treibhausgase. Mancherorts, insbesondere in den flachen Gewässern vor der sibirischen Küste, liegt der Dauerfrostboden auch wie ein Deckel auf Einschlüssen von Methan, das beim Auftauen des Bodens entweichen kann.

Erst am Dienstag hatten wir in der Klima-Wochenschau beschrieben, wie der zunehmende sommerliche Rückzug der Eisbedeckung des arktischen Ozeans am Permafrost Nordamerikas und Eurasiens nagt und dort künftig zu einer Verstärkung des Treibhauseffekts führen wird. Dieser Prozess ist bereits im Gange und verläuft, wie es aussieht, schneller als bisher gedacht.

Ein viel-köpfiges internationales Wissenschaftlerteam hat am Mittwoch in der Online-Fachzeitschrift Nature Communications eine vergleichende, frei zugängliche Untersuchung hierzu vorgelegt.

Das Ergebnis: In allen Dauerfrost-Regionen ist die Temperatur des gefrorenen Untergrundes in Tiefen unterhalb von zehn Metern Tiefe von 2007 bis 2016 um durchschnittlich 0,3 Grad Celsius gestiegen – in der Arktis ebenso wie in der Antarktis sowie in den Hochgebirgen Europas und Zentralasiens.
Mit fast ein Grad Celsius fiel die Erwärmung in Sibirien besonders hoch aus, wie eine Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung zusammmenfasst.

Die Studie trägt Messdaten von insgesamt 154 Bohrlöchern in beiden Polregionen sowie in verschiedenen Hochgebirgen zusammen. Um jahreszeitliche Schwankungen auszuschließen, wurde nur die Temperatur unterhalb von zehn Metern Tiefe betrachtet. Von 123 Bohrlöchern liegen Zeitreihen vor, die zehn Jahre umfassen. Auch wenn die Messungen natürlich automatisiert sind, verbirgt sich hinter diesen Zahlen eine gewaltige Fleißarbeit, die auch in der langen, internationalen Autorenliste zum Ausdruck kommt.

An 71 der 123 untersuchten Stellen ist die Temperatur im tiefen Boden zwischen 2007 und 2016 gestiegen. An fünf Bohrlöchern taute der Boden sogar bis in diese Tiefe auf. So gut wie keine Veränderungen gab es hingegen an 40 Bohrlöchern, während die Bodentemperatur an zwölf Bohrlöchern sank. Dies war vereinzelt in Ost-Kanada, im südlichen Eurasien und auf der antarktischen Halbinsel der Fall.

In der Arktis "ist in Gebieten mit einem Permafrostanteil von mehr als 90 Prozent die Bodentemperatur innerhalb von zehn Jahren um durchschnittlich 0,39 Grad Celsius gestiegen", berichtet Erstautor Boris Biskaborn, Mitglied der Forschungsgruppe Polare Terrestrische Umweltsysteme von der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred-Wegener-Instituts.

Im Nordosten und Nordwesten Sibiriens betrug der Temperaturanstieg an einzelnen Bohrlöchern sogar 0,90 Grad Celsius und mehr. Die Lufttemperatur in den entsprechenden Regionen war hingegen im selben Zeitraum "nur" um durchschnittlich 0,61 Grad Celsius gestiegen.

In den Alpen, im Himalaya sowie in den Gebirgen Skandinaviens stieg die Bodentemperatur (unterhalb von zehn Metern) durchschnittlich um 0,19 Grad Celsius; in den Bohrlöchern der Antarktis betrug der Anstieg durchschnittlich 0,37 Grad Celsius.

"All diese Daten zeigen uns, dass sich der Permafrost nicht nur lokal und regional erwärmt, sondern weltweit und nahezu im Takt mit der Klimaerwärmung, die vor allem in der Arktis zu einer starken Erwärmung der Luft und zu größeren Schneedicken führt. Beide Veränderungen bedingen nun die Erwärmung des bisher dauergefrorenen Untergrundes."
Guido Grosse, Leiter der Sektion Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam