USA: Angst vor chinesischen Schienenfahrzeugen

Chicago kauft bei dem chineischen Hersteller CSR Sifang America JV von CRRC 400 Schienenfahrzeuge. Bild: Chicago Transit Authority

Die wegen ihres Preises beliebten Schienenfahrzeuge und Busse aus China könnten zum Lauschen dienen, in den USA boomt die Rüstungsindustrie, einen Hersteller für Schienenfahrzeuge gibt es nicht mehr

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Anfang Januar erschien ein Artikel in der Washington Post, der warnte, dass chinesische Wagen für Metro, das U-Bahn-System von Washington, D.C., verwanzt sein könnten. Möglich wäre es, dass die Überwachungskameras Bilder nach China schicken oder Gespräche von versteckten Mikrofonen aufgenommen würden. Und dann könnten vielleicht durch eine Sicherheitslücke, die in China in die Steuerungssoftware hineingeraten ist, ausländische Geheimdienste oder Terroristen den Zug hacken und einen Unfall verursachen.

Was die eigenen Geheimdienste vermutlich auch machen oder anstreben, wie aus den Snowden-Leaks deutlich wurde, wird vor allem gegenüber China seit Jahren immer wieder als Bedrohung geschildert, also dass chinesische Geheimdienste in Software chinesischer Geräte Hintertüren einbauen könnten, um zur Spionage Daten abzusaugen oder im Bedarfsfall Hard- und Software zu manipulieren. Der Staat könne, so die Argumentation, Tech-Firmen zwingen, Informationen zu übergeben oder Zugang zu Kommunikationsdaten und Techniken zu schaffen.

Das ist der angebliche Grund, warum die USA, Australien und Neuseeland die Nutzung von Huawei-Technik für den Aufbau des 5g-Netzes verboten haben, Großbritannien als weiteres Five-Eyes-Land könnte ebenso wie Kanada folgen, das wegen der Festsetzung der Huawei-Finanzchefin und Tochter des Konzerngründers Meng Wanzhou aufgrund eines US-Auslieferungsantrags in Konflikt mit China steht. Auch in der EU gibt man sich besorgt, im deutschen Innenministerium hat man sich noch nicht entschieden.

Beweise für den Verdacht wurden bislang nicht geliefert, das Pentagon hat bereits 2017 den Kauf und die Verwendung von chinesischen DJI-Drohnen und letztes Jahr den von ZTE- und Huawei-Smartphones verboten. Es geht dabei neben Vorsicht auch immer um Marktmacht und Abhängigkeit von ausländischen Anbietern. Während die USA zum Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards auf Huawei-Technik vermutlich verzichten können, auf Huaweis Smartphones ebenso, der Konzern hat letztes Jahr Apple als größten Smartphone-Hersteller überholt, ist das bei Schienenfahrzeugen anders. Kongress, Pentagon und Experten würden die Sicherheitsbedenken gegenüber den chinesischen U-Bahn-Wagen ernst nehmen, weswegen auch Metro zwar weiter solche im Wert von über einer Milliarde US-Dollar kaufen will, aber in dem Vertrag Forderungen nach Cybersicherheitsmaßnahmen stellen will.

Im Hintergrund steht wie im Fall von Huawei die Sorge, dass die Infrastruktur der USA mehr und mehr in chinesische Hände gerät. Der Schienenfahrzeugmarkt sei milliardenschwer, so die Washington Post, China wolle ihn dominieren. So habe die staatliche China Railway Rolling Stock Corp. (CRRC) seit 2014 vier von fünf großen Verträgen für Schienenfahrzeuge im Nahverkehr durch günstigere Preise gewonnen, beispielsweise in Los Angeles. Das, so die Zeitung, habe "Sorgen über die nationale Sicherheit und Chinas wachsende Bedeutung in der amerikanischen Industrielieferkette und Infrastruktur" entstehen lassen. Dass dann U-Bahn-Wagen als Abhöreinrichtungen für China dargestellt werden, ist eine Folge.

China: "Zunehmendes Risiko für die Versorgung mit Materialien und Techniken"

Das Problem wird aber auch benannt. Es gibt kein US-Unternehmen mehr, das Schienenfahrzeuge für den Personennahverkehr herstellt. Noch stellen US-Firmen Güter- oder Tankwagen mit GPS- und Telematik-Systemen zur Überwachung der Ladung, aber man fürchtet, dass auch diesen Markt die Chinesen übernehmen könnten: "Das könnte amerikanische Industriejobs kosten. Es könnte auch das Risiko eines Cyberangriffs erhöhen, der den Schienenverkehr während einer militärischen Konfrontation oder einer anderen nationalen Notsituation zusammenbrechen lassen könnte", schreibt die Zeitung. Es liegen bereits Gesetzesentwürfe vor, die den Kauf von chinesischen Schienenwagen für den öffentlichen Nahverkehr und von Bussen verbieten wollen.

Im September 2018 ist der Bericht "Assessing and Strengthening the Manufacturing and Defense Industrial Base and Supply Chain Resiliency of the United States" veröffentlicht worden, den nach einer Anordnung von Donald Trump im Juli 2017 eine Taskgroup für den Präsidenten erstellt hat. Dramatisch natürlich auch dieser Bericht, nach dem die US-Industrie und damit die Fähigkeit des Pentagon in Gefahr stehe, "für den 'Kampf heute Nacht' nicht mehr vorbereitet und für eine große Machtkonkurrenz gerüstet zu sein".

Es bestehe eine hohe Abhängigkeit von ausländischer Industrie, es fehlt entsprechend ausgebildetes Personal, vor allem im STEM-Bereich, viele Industrien würden Werke ins Ausland verlegen. Aber es geht auch wieder um die Bekämpfung des Diebstahls von geistigem Eigentum durch China und der chinesischen Industriepolitik, die auf amerikanisches geistiges Eigentum ausgerichtet sei. China, so eine Hauptaussage des Berichts, stelle "ein bedeutendes und zunehmendes Risiko für die Versorgung mit Materialien und Techniken dar, die als strategisch und wichtig für die nationale Sicherheit der USA gelten".

Verfehlte Industriepolitik

Aber warum gibt es keine Hersteller von Schienenfahrzeugen mehr? Miriam Pemberton vom Institute for Policy Studies führt dies in einem Kommentar auf das Fehlen einer eigenständigen amerikanischen Industriepolitik zurück. Seit 80 Jahren hätte die Politik sich einzig um die Rüstungsindustrie gekümmert: "Produktion für das US-Militär ist - fast ausschließlich im Universum der US-Industrie - vollständig finanziert von der Regierung. Exporte von militärischer Hardware werden bevorzugt, wenn Regierungshilfen verteilt werden. Und Waffen erhalten den Löwenanteil der Gelder für Forschung und Entwicklung."

Es sei eine Strategie der amerikanischen Rüstungskonzerne auf Entwicklungen des chinesischen Militärs zu verweisen, um noch mehr Steuergelder locker zu machen, auch wenn China nur ein Drittel dessen für die Rüstung ausgibt, was die USA in ihr Budget zur Förderung des rüstungsindustrielle Komplexes stecken, und obwohl China vorwiegend mit nicht-militärischen Mitteln seinen Einfluss ausweitet, beispielsweise durch Förderung von Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern.

Derweil entsteht der Eindruck, Donald Trump sieht neben dem Militär vor allem im Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko den wichtigen Beitrag zur Infrastruktur. Dabei gab es schon zu Beginn seiner Präsidentschaft einen Anlauf zum Ausbau der Infrastruktur, der aber bislang im Sande verlaufen ist, obgleich die Infrastruktur im Land wie die des Verkehrs-, Strom- oder Wassersystems bekanntlich in großen Teilen marode ist (Trumps Welt: Pipelines, Mauern, Straßen und andere Bauprojekte). Was den Personennahverkehr angeht, ist Donald Trump neben seiner Fixierung auf militärische Stärke auch noch blind, weil er die Klimaerwärmung nicht als Problem sieht und daher auch nicht auf die Entwicklung von weniger die Umwelt belastenden Verkehrstechniken setzt wie den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Die paranoide Angst vor der chinesischen Bedrohung könnte nun auch den noch weiter bremsen.

Zu Beginn seiner Präsidentschaft hatte er sich schon beklagt, dass die industrielle Herstellung von Gütern in den USA im Niedergang sei, es werde nichts mehr hergestellt (Trump: "Ich werde der größte Jobs-Präsident sein, den Gott jemals geschaffen hat"). Schuld sind für ihn keine internen Probleme, sondern die Globalisierung, was ihn dazu führte, den Handelskrieg mit China zu beginnen und Zölle einzuführen. Dagegen sucht Trump mit Waffenverkäufen und Geldforderungen als Schutzmacht wie gerade jetzt in Südkorea den militärischen Sektor weiter zu stärken. "Während wir beschäftigt sind, mit chinesischer Spionage und Militärmacht und unsere eigene auszubauen, "so Pemberton, "fallen wir weiter in den Bereichen von Macht, Einfluss und ökonomischer Stärke zurück, die wir nicht ernstnehmen, auch wenn die existentielle Bedrohung des Klimawandels weiter zunimmt." .