China: Hat der Koloss Husten?

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Anzeichen für eine Abkühlung der chinesischen Wirtschaft und für einen gewaltigen Umbruch auf seinem Pkw-Markt

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An der Oberfläche sieht alles gut aus. Die offiziellen Zahlen für das chinesische Wirtschaftswachstums sehen mit 6,6 Prozent recht passabel aus. 6,5 Prozent war die politische Vorgabe für 2018.
Nach Angaben der Statistiker beträgt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Volksrepublik nunmehr 90,03 Billionen Yuan (13,32 Billionen US-Dollar oder 11,64 Billionen Euro). Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt betrug 2017 3,26 Billionen Euro.

Nummer zwei hinter den USA

Damit ist China die unangefochtene Nummer zwei hinter den USA mit guten Aussichten, diese im nächsten Jahrzehnt einzuholen. Lässt man die Wechselkurse beiseite und schaut allein auf die Kaufkraftparitäten, so hatte nach den Angaben des Fischer Weltalmanach 2019 die Volksrepublik ohnehin schon 2017 um rund vier Billionen US-Dollar die Nase gegenüber den USA vorn.

So oder so ist das Land längst kein ökonomisches Leichtgewicht mehr, sondern seit mindestens einem Jahrzehnt der wichtigste Motor der Weltwirtschaft, ein Koloss, dessen Husten anderswo schnell eine Lungenentzündung bedeuten kann.

Verständlich, dass Heerscharen von Beobachtern und Analysten sich beständig an Diagnosen versuchen und in jüngster Zeit mal wieder allerlei Symptome ausfindig gemacht haben, die auf Probleme hindeuten.
Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass das Wirtschaftswachstum in den letzten beiden Quartalen niedriger als im Jahresdurchschnitt ausgefallen ist. Die Abweichung ist allerdings eher klein. Im vierten Quartal betrug es 6,4 Prozent, im dritten 6,5 Prozent.

Nach Angaben der in Indien erscheinende Economic Times hat es sich im vierten Quartal um das geringste Wachstum in 24 Jahren gehandelt, wobei aber vermutlich ein kurzer Einbruch Anfang 2009 übersehen wird. Unter anderem habe im Dezember unerwartet die Nachfrage auf Chinas wichtigsten Auslandsmärkten nachgelassen, wodurch die Ausfuhren um 4,4 Prozent zurückgegangen seien.

Zugleich ist die Auslastung offenbar zum Teil sehr gering. Das Magazin berichtet, dass sie in einigen Unternehmen nur 40 bis 50 Prozent betrage. Dazu passt, dass im verarbeitenden Gewerbe die Lohnkosten 2018 wieder etwas angestiegen sind. In der ersten Hälfte des Jahrzehnts waren sie hingegen stetig gefallen, dann 2016 und 2017 konstant geblieben, und das alles bei deutlich steigenden Löhnen.

Pkw-Absatz geht zurück

Ein anderes Warnsignal ist die Tatsache, dass 2018 erstmals seit über 20 Jahren, der inländische Pkw-Absatz zurückging, und zwar um sechs Prozent, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Im November lagen die Verkäufe 18 und im Dezember sogar 19 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Für 2019 werde von einigen Analysten ein Rückgang der Neuwagenverkäufe um weitere sieben Prozent vorausgesagt, während der chinesische Herstellerverband von Stagnation ausgehe.

Angesichts der raschen Zunahme von Elektroautos auf dem inzwischen weltweit größten Kraftfahrzeugmarkt, verbirgt sich hinter den nackten Zahlen auch ein gewaltiger Umbruch: Die neuen Antriebe bedeuten nämlich nicht nur weniger Bedarf an Erdöl und Arbeitskraft bei den Herstellern sowie mehr Nachfrage nach Kupfer, Lithium und einigen anderen Rohstoffen. Sie bringen auch zahlreiche neue Produzenten ins Spiel, die die alten Platzhirsche bedrohen.

Die Frage ist unterdessen, ob die Abkühlung der chinesischen Volkswirtschaft anhält, welche Auswirkungen dies auf die Weltwirtschaft haben könnte und ob die Regierung in Beijing mit weiteren Konjunkturprogrammen versucht gegenzusteuern.

Letzteres wiederum könnte neue Probleme schaffen, in dem es den bereits recht ansehnlichen chinesischen Schuldenberg weiter anwachsen ließe. Allerdings handelt es sich bei diesem ganz überwiegend um Inlandsschulden. Die Auslandsverschuldung des Landes ist im internationalen Vergleich mit rund 13 Prozent des BIPs sehr niedrig.

Damit und mit seinem gewaltigen Devisen-Schatz von umgerechnet rund drei Billionen US-Dollar ist China gefeit gegen Kursschwankungen und Schuldenkrisen, wie sie zuletzt die südeuropäischen Länder, oder viele Entwicklungs- und Schwellenländern in mehreren Wellen seit dem Ende der 1970er Jahre getroffen haben.