Was darf die Kirche?

Nachtwache für den liberalen Metropoliten Pavlos in Chalkida. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Griechenland: Metropolit wegen Hetzschrift verurteilt

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Der Metropolit von Kalavrita, Amvrosios, wurde am Montag vergangener Woche in zweiter Instanz, vom Drei-Mitglieder-Niederlassungsgericht von Aigio, zu einer auf drei Jahre Bewährung ausgesetzten Haftstrafe verurteilt.

Das Gericht in der westgriechischen Kleinstadt auf dem Peloponnes befand ihn der Straftaten der öffentlichen Aufstachelung zu Gewalt oder Hass und des Missbrauchs kirchlicher Ämter schuldig. Der in erster Instanz zunächst frei gesprochene Kirchenfürst möchte dies nicht auf sich sitzen lassen, er zieht vor die nächste Instanz, den Areopag.

Ein Metropolit auf seinem persönlichen Kreuzzug

Angeklagt war Amvrosios wegen einer Hetzschrift, die er am 4. Dezember 2015 unter dem Titel "Abschaum der Gesellschaft! Reden wir Klartext: spuckt auf sie!" auf seinem Internetblog gegen Homosexuelle und Transsexuelle veröffentlicht hatte. Der Metropolit hatte die betreffende Bevölkerungsgruppe zu einer Art Vogelfreie erklärt und es zur Pflicht der Gläubigen erklärt, diese zu verfolgen.

Nach dem verschärften Antirassismusparagraphen des griechischen Strafrechts hat Amvrosios damit eine Straftat begangen. In dessen Schrift stand unter anderen:

Homosexualität ist eine Entartung von den Naturgesetzen! Es ist ein soziales Verbrechen! Es ist eine Sünde! Diejenigen, die sie entweder erleben oder tolerieren, sind keine normalen Menschen! Sie sind Abschaum der Gesellschaft, Nun, auf diese elendigen sollt ihr spucken! Verachtet sie! Schwärzt sie! Sie sind nicht menschlich! Sie sind Gräuel der Natur!

Amvrosios, Metropolit von Kalavrita

Amvrosios wurde daraufhin von neun Aktivisten der LGBTQ+ Bewegung in Berufung auf Artikel 1 des Gesetzes 4285/2014 angezeigt.

Der unter der Militärdiktatur Griechenlands zum Leutnant der Gendarmerie beförderte Amvrosios, bürgerlich Athanasios Lenis, hat zeitlebens keinen Hehl aus seinen rechtsextremen Ansichten gemacht. Aus dem Polizeidienst schied er auf eigenen Wunsch erst zwei Jahre nach dem Fall der Diktatur, 1976, mit einer Beförderung zum Oberstleutnant aus.

Seinerzeit tobte in der Kirche ein Streit unter den Geistlichen, vor allem, weil mit Pater Georgios Pyrounakis einige Seelsorger versuchten, die Kirche von Anhängern der Faschisten zu befreien. Pater Pyrounakis geriet damals ins Visier der kirchlichen Freunde der Diktatur. "Nur wegen Mord haben sie ihn noch nicht angeklagt", meinte damals der populäre Zentrumspolitiker Georgios Mavros im Parlament.

Amvrosios war bei den kirchlichen Prozessen gegen den schlussendlich frei gesprochenen Pater Pyrounakis Hauptzeuge der Anklage. Amvrosios betonte in seiner Zeugenaussage, dass der Pater kein Recht habe, an den Kirchenfürsten Kritik zu üben, weil das Demagogie sei.

Kein Problem damit, Faschist genannt zu werden

Amvrosios gehört zu den Kirchenfürsten, die sich öffentlich mit den politischen Ansichten der rechtsextremen Goldenen Morgenröte identifizieren und diese zum Teil auch in Predigten kommunizieren. Der 1930 geborene Amvrosios stand der Obristendiktatur nahe und sieht in der Goldenen Morgenröte eine Hoffnung für das Wiederaufleben alter Zeiten. Flüchtlinge und Immigranten sind für ihn Invasoren, sie würden "das Land infizieren", meint er. Homosexuelle sieht er als Fremdkörper, der aus der Gesellschaft verbannt werden muss.

Die Goldene Morgenröte ist für Amvrosios, "eine süße Hoffnung für die verzweifelten griechischen Bürger". Er selbst äußerte öffentlich, dass er kein Problem habe, Faschist genannt zu werden. Er ist gegen die Errichtung von Moscheen für die in Griechenland lebenden Moslems. In der christlich orthodoxen Amtskirche gibt es diesem Narrativ durchaus vollkommen entgegengesetzte Stimmen.

Der Streit der Metropoliten über die Gesellschaftspolitik

Der Mitte Januar verstorbene Metropolit Pavlos von Sitiatista war einer ihrer Wortführer. Er verdammte die Goldene Morgenröte und deren politisches Programm als nicht mit christlichen Werten vereinbar.

Die Metropoliten tragen ihren Streit über die Gesellschaftspolitik öffentlich aus. Die in der griechischen Verfassung als Wortführerin in Religionsfragen verankerte Amtskirche wird über die Heilige Synode demokratisch unter dem Vorsitz des jeweiligen Erzbischofs geführt. Bislang wurden Bischöfe in Griechenland niemals für ihre Ansichten und Predigten juristisch zur Rechenschaft gezogen. Amvrosios Verurteilung ist diesbezüglich eine Premiere.

Für Amvrosios sind Kritiken an seinen Predigten jedoch keinesfalls neu. Als er im August 1976 zum Titularbischof geweiht wurde, nutzte er die Weihungspredigt um eine "besonders innige in Gott ruhende Umarmung" an die inhaftierten Folterer der Diktaturzeit zu senden. Er sah in deren Zuchthausstrafe die "Folge eines auf jeden Fall unglücklichen Ereignisses ihrer amtlichen Pflichterfüllung".

Damals wurde von Politikern der seinerzeit oppositionellen PASOK die Absetzung Amvrosios gefordert. Ein kirchlicher Namensvetter, der Metropolit Amvrosios von Eleftheroupolis bezeichnete den jungen Titularbischof als "Verehrer der Diktatur". Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - wurde Amvrosios von Kalawrita schon 1976 Chefsekretär der Heiligen Synode.

Der früher im kirchlichen Studentenheim zusammen mit dem Erzbischof Athens und ganz Griechenlands, Ieronymos, in einer Zelle lebende Amvrosios wird in seiner Meinung auch vom Metropolit von Piräus, Serafim, gestützt.

Nachtwache für den liberalen Metropoliten Pavlos in Chalkida. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Anders als Amvrosios, verbreitet der auch als Jurist ausgebildete Serafim seine Kommentare mit Formulierungen, die ihn vor Strafverfolgung schützen. Beim Prozess gegen Amvrosios trat Serafim als Entlastungszeuge auf, und überzeugte. Ein beim Prozess anwesender Anwalt zollte dem juristischen Kollegen Respekt und meinte, dass Amvrosios besser beraten gewesen wäre, wenn er Serafim statt seines Strafverteidigerteams als Anwalt eingesetzt hätte.

Außer Serafim hatte Amvrosios seine Metropolitenkollegen Germanos von Ilia und Ieremias von Gortynia zur Seite. Darüber hinaus traten der Kinderarzt Karanikolas und die Anwältin Karniati als Entlassungszeugen auf.