Venezuela: Der lang geplante Regime Change

Maduro bei der Zeremonie zur Verlängerung seiner Amtszeit am 10. Januar. Foto: Presidencia El Salvador / gemeinfrei

Was in Venezuela politisch versucht wird, hätte woanders einen Nato-Verteidigungsfall zur Folge

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Man stelle sich vor, die russische Regierung würde Marie Le Pen als neue Präsidentin Frankreichs anerkennen. Sie war als Präsidentschaftskandidatin Macron klar unterlegen. Doch Putin verweist im vorgestellten Szenario auf die wochenlangen Proteste der Gelbwesten-Bewegung und die Ergebnisse von Umfragen, die demonstrieren, dass Macron massiv Vertrauen in der Bevölkerung verloren hat.

Darüber hinaus würde Putin die massive Polizeirepression gegen die Demonstranten vorbringen. Er würde erklären, dass der Einsatz gefährlicher Waffen zu schweren Verletzungen von Demonstranten geführt habe. Zudem würden mit Ausnahmegesetzen die Grundrechte in Frankreich eingeschränkt. Daher habe die bisherige französische Regierung jede demokratische Legitimität verloren und werde von Russland nicht mehr anerkannt.

Eine solche Erklärung der russischen Regierung würde sofort den Natorat auf den Plan rufen. Der Verteidigungsfall würde ausgerufen. Als sich vor einigen Wochen Mitglieder der italienischen Regierung mit den Gelb-Westen in Frankreich solidarisierten, löste das eher Belustigung als Bedrohung aus. Schließlich sind beide Länder im gleichen Bündnissystem und die italienische Regierung hat keine Möglichkeit, einen Regime Change im Nachbarland umzusetzen. Wenn sich aber Russland in die französische Innenpolitik einmischen würde und gar zum Sturz der Regierung aufrufen würde, hätte es weltpolitische Folgen.

Der Regime-Change in Venezuela wird seit 1999 geplant

Doch genau das passiert zurzeit in Venezuela. Der dortige Versuch eines Regime Change ist lange geplant. Spätestens seit der bolivarianische Prozess in Venezuela klar in Frontstellung zur US-Politik ging, wurden in den USA Möglichkeiten des Regime-Change vorbereitet. Der Chavez-Biograph Christoph Twickel schreibt, dass Chavez schon kurz nach seiner überraschenden Wahl 1999 dringend geraten worden sei, seine Wahlkampfrhetorik zu vergessen und die Politik der vorherigen Regierungen fortzusetzen, vor allem die außenpolitische Orientierung an den USA.

Als deutlich wurde, dass sich Chavez darauf nicht einlassen würde, wurden Regime-Change-Pläne entwickelt. Der Putschversuch von 2002, der durch die Massenaktionen der Bevölkerung vereitelt wurde, war ebenso eine praktische Folge dieser Planungen wie der Unternehmerstreik 2003/4. Damals standen hinter dem bolivarianischen Prozess große Teile der Bevölkerung und Chavez konnte Wahlen mit großen Mehrheiten gewinnen.

Diese Massenunterstützung hat die Maduro-Regierung heute nicht mehr - und große eigene Fehler sind ein wichtiger Punkt. Doch die Regime-Change-Pläne sind nicht die Folge des Vertrauensverlustes von Teilen der Bevölkerung. Sie wurde schließlich gerade in den Zeiten entwickelt, als Chavez eine Massenunterstützung hatte. Auch die heute vorgebrachten Argumente der Staaten, die Maduro nicht mehr anerkennen, könnten für viele andere Länder wie etwa Frankreich in Anwendung gebracht werden.

Repression gegen regierungskritische Demonstrationen wird im Fall von Frankreich oft von denselben Kräften als Rettung der Demokratie verteidigt, die im Fall von Venezuela von Unrecht durch die Regierung sprechen. Die Umfragewerte von Macron sind im letzten Jahr ähnlich stark gefallen wie die von Maduro.

Auch das Argument, dass es eine große Wahlenthaltung bei den letzten Präsidentenwahlen in Venezuela gab, kann auch für andere Staaten, und nicht zuletzt auch die USA, angeführt werden. Trump wurde Präsident, obwohl er weniger Wählerstimmen als seine Konkurrenten hatte.