Unsere kleine CRISPR-Farm

Bild: Bernd Schröder

Genome editing soll die Pflanzenzucht schneller und genauer machen - Teil 1

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Seit der erfolgreichen Demonstration der Funktion von Genom-Editoren wie CRISPR in Tabak und Ackerschmalwand 2013 folgten weitere Tests in Nutzpflanzen wie etwa Weizen, Soja, Kartoffeln, Reis oder Tomaten, denen so nützliche Eigenschaften wie Toleranz gegenüber Herbiziden oder Resistenz gegenüber Krankheiten mitgegeben werden sollen.

CRISPR sitzt nicht allein in den Startlöchern. Eine ganze Reihe neuer Technologien schickt sich zum Sprung auf den Acker an. Ihre Produkte könnten in Kürze auf unserem Teller landen. Manche der beteiligten Wissenschaftler erfreuen sich an der Möglichkeit, nun bald jeglichen Organismus mit sequenziertem Erbgut zu editieren und zu optimieren, und zwar schnell, genau und kontrolliert.

Die Laborscheunen sind voller neuer, vermeintlich verbesserter Wesen, die auf ihren Einsatz in der industriellen Landwirtschaft warten. Doch noch sind viele Fragen ungeklärt, die die neuen Technologien mit sich bringen. Was optimieren, und für wen? Wer entscheidet? Sind die Verfahren sicher, oder drohen unerwartete Nebenwirkungen? Wie sollte ein geeigneter Rechtsrahmen zur Regulierung aussehen? Ist das überhaupt Gentechnik, und ist eine Regulierung vonnöten? Stellen die neuen Werkzeuge Organismen her, die als genetisch verändert gelten müssen? Und was wird der Verbraucher dazu sagen?

Gerade in Europa hat letzterer durch seine ablehnende Haltung bisher der Verbreitung der Gentechnik in der Landwirtschaft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das gleiche könnte nun auch den neuen Technologien blühen. Ungeachtet des bestehenden Klärungsbedarfs versucht die Agrarindustrie unterdessen, Nägel mit Köpfen zu machen und den neuen Werkzeugen zum Durchbruch zu verhelfen.

Rückblick: Nuklearer Enthusiasmus und die Steinzeit der Genom-Editierung

Lewis John Stadlers Experimente zur Bestrahlung von Gerste im Jahre 1928 änderten die Rolle des Pflanzenzüchters dramatisch. Nach 10.000 Jahren und 2500 durch Auswahl und Vermehrung mittlerweile domestizierten Nutzpflanzen war der Mensch nicht mehr nur Beobachter, der spontan auftretende Mutationen feststellt. Er war nun aktiver Gestalter, der Erbgutveränderungen auslöst - die früheste Form von Genome Editing.

Dafür wurden in der Folge die verschiedensten Mutagenquellen genutzt: alle Arten ionisierender Strahlung (Röntgen-, Gamma-, Beta-, Neutronen- oder UV-Strahlung) oder chemische Mutagene, wie beispielsweise Ethylmethansulfonat. Die Atomeuphorie der 1950er sorgte für eine Popularisierung strahleninduzierter Mutationszüchtungen: interessierte Zeitgenossen konnten mit dem gehandelten "atomar angereicherten" Saatgut in ihren Gärten den Hauch einer Ahnung davon bekommen, woran in den Atomgärten der Kernforschungszentren der Welt gearbeitet wurde.

Die Mutagenese mit dem Ziel der künstlichen Vervielfachung von Erbgutveränderungen in einer Pflanze konnte weitestgehend standardisiert werden, doch ein Engpass blieb: Große Mutantenpopulationen mussten gescreent werden - geschätzte 2000 mutierte Pflanzen, um eine Mutation mit einem bestimmten erwünschten Merkmal zu finden. Bis 1990 hatte die zufällige Mutagenese zu 1300 Sorten geführt, mehr als 90% von ihnen entstanden durch Gamma-Beschuss mit Cobalt-60. Der Einzug molekularer Marker in die Identifikation und Auswahl von Mutanten gegen Ende der 1980er Jahre führte zu einer spürbaren Beschleunigung des Prozesses, die in der FAO/IAEA Mutant Variety Database der gemeinsamen Sektion "Nukleartechnik in Ernährung und Landwirtschaft" der Welternährungsorganisation FAO und der internationalen Atomenergie-Behörde IAEA dokumentiert ist: sie umfasst heute mehr als 3.200 offiziell freigesetzte Mutanten-Sorten von 214 verschiedenen Pflanzenarten in mehr als 60 Ländern der Erde.

Vor der Anwendung bewusst ausgelöster, ungerichteter Mutationen hatten die Züchter nur Techniken der Selektion und Veredelung im Repertoire, zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch gezielte Kreuzungszüchtungen ergänzt, die auf der von Gregor Mendel begründeten und dann von Hugo de Vries, Carl Correns und Erich Tschermak-Seysenegg wiederentdeckten Genetik fußten.

Bereits 1906 gab der bekannte US-amerikanische Pflanzenzüchter Luther Burbank zu bedenken:

Wir sind mit unserem Wissen über Genetik jüngst so weit fortgeschritten, dass wir das Leben nun in einer nie von der Natur beabsichtigten Weise manipulieren können. Wir müssen bei der Anwendung dieses neu erworbenen Wissens mit äußerster Vorsicht vorgehen.

Luther Burbank. Bild Library of Congress, gemeinfrei

Burbank, selber Entwickler von mehr als 800 neuen Pflanzensorten, von denen 16 patentiert wurden, wird damit auch heute noch gern zitiert - von Vertretern des Fortschritts, als Beispiel für einen Bremser, einen Bilderbuch-Angsthasen mit unbegründeter Technologiefurcht oder von Gentechnik-Gegnern, die sich in ihrer Ablehnung aus berufenem Munde bestätigt sehen und hin und wieder jedoch übersehen, dass jede Zuchtmethode grundsätzlich immer auch eine genetische Veränderung von Organismen zur Folge hat.

Revolution Genom-Editierung?

Die klassischen Züchtungsmethoden zu Zeiten Burbanks gingen bereits deutlich weiter als die Natur ohne das Zutun des Menschen. Auf die ab den 1930er Jahren eingeführte Hybridzüchtung und die ab den 1960er Jahren praktizierten Zell- und Gewebekulturtechniken folgten in den 1980er Jahren dann rekombinante DNA-Techniken und genetisches Engineering: Mit dem Einzug transgener oder gentechnisch veränderter Pflanzen in die Pflanzenzucht war die Grüne Gentechnik geboren. Anders als in der bisher bekannten Züchtung wurden einzelne Gene nun zielgerichtet übertragen. Der Gentransfer durchbrach Kreuzungsbarrieren und Artengrenzen.

Mit den neuen Möglichkeiten der DNA-Sequenzierung kamen seit den 1990er Jahren SMART Breeding-Techniken (Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies) auf, die Präzisionszüchtungen durch eine markergestützte Selektion ermöglichen. Die Kostensenkung bei der Kartierung genetischer Marker hatte Hoffnungen geweckt, neue und bessere Nutzpflanzensorten in wesentlich kürzerer Zeit erzeugen zu können. SMART breeding konnte den anfänglich gehegten Erwartungen jedoch nur bei der Verbesserung monogener Merkmale gerecht werden, also Eigenschaften, die nur von einzelnen Genen bestimmt werden. Einen Ausweg aus diesem Dilemma soll die Genomische Selektion bieten, die als Weiterentwicklung der markerunterstützten Auswahl polygene Merkmale selektieren kann.

Pflanzenzüchtung ist auch heute eine Kombination aus traditionellen und molekularbiologischen Methoden. Wo genau eine Mutation im Genom einer Pflanze künstlich erzeugt wurde, war bisher nur schwer planbar - auch in transgenen Pflanzen ließ sich das nur ungenügend genau steuern. Moderne Genombearbeitungs-Technologien versprechen nun ein punktgenaues, Zeit sparendes Arbeiten. Sie sollen es Agrarwissenschaftlern darüber hinaus erlauben, die Leistungsfähigkeit einer Nutzpflanze zu steigern, ohne Gene von anderen Spezies oder Bakterien einfügen zu müssen.

Mit verschiedenen Genom-Editoren werden die neuen revolutionären Entwicklungen bereits kommerzialisiert oder warten auf ihren Einsatz. Zu medialer Bekanntheit hat es vor allem die Gen-Schere CRISPR/Cas9 gebracht, doch die Palette neuer Werkzeuge ist deutlich artenreicher.

Was die neuen Werkzeuge bisher leisten, ist in den Augen von Wissenschaftlern nur die Spitze des Eisbergs ihrer Möglichkeiten. Von ihnen wird nichts weniger erwartet, als dass sie die Landwirtschaft umkrempeln werden.

Noch stecken die neuen Technologien in den Kinderschuhen. Engpässe für ihren schnellen Einzug in den Ackerbau sind zum Beispiel die akkurate Zustellung der CRISPR-Maschinerie in die richtigen Pflanzenzellen und die anschließende Ausbildung lebensfähiger Kulturpflanzen auch bei Arten, die den herkömmlichen Gewebekultur-Ansätzen widerspenstig gegenüberstehen. Methoden der Klonierung unter in-vitro-Bedingungen werden vorerst Mittel der Wahl bleiben, aber sie sind langwierig, arbeitsintensiv und neigen dazu, zufällige somatische (nicht in den Keimzellen, sondern nur in den Geweben anzutreffende) Mutationen zu erzeugen, die den erhofften Effizienzgewinn schmälern.

Längerfristig gesehen erhoffen sich ihre Sympathisanten, dass die moderne Genombearbeitung grundlegende Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft und in der Qualität der produzierten Lebensmittel herbeiführen kann und letztlich mit der synthetischen Biologie verschmelzen wird. Die hat die Schaffung neuer zellulärer Systeme, Prozesse und Organismen zum Ziel.

Doch nicht alle Zeitgenossen können der Betriebsamkeit etwas abgewinnen, die beim Versuch des schnellen Austragens der neuen Methoden auf die Äcker an den Tag gelegt wird. Kritiker haben angesichts der von den Verfechtern moderner Genom-Editoren gemachten Versprechungen gar ein Déjà-vu-Erlebnis: Anstatt wenigstens zu versuchen herauszufinden, warum die erste Generation gentechnischer Werkzeuge nicht die in sie gesteckten Erwartungen erfüllt haben, um so aus den dabei gemachten Fehlern lernen zu können, werden die neuen Methoden mit ähnlichen Verheißungen beworben - die, wenn möglich, noch großartiger sind als zuvor.